Streit um Überprüfung
Kurz fordert Klarstellung von der UN
11.09.2018Die UN will die österreichische Flüchtlingspolitik überprüfen.
Nach der von UNO-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet angekündigten Überprüfung der österreichischen Flüchtlingspolitik hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) eine "Klarstellung" von den Vereinten Nationen verlangt. "Ich verteidige Österreich gegen jeden ohne Begründung in den Raum gestellten Verdacht", teilte Kurz am Dienstag in einer Aussendung mit.
Bachelet hatte am gestrigen Montag die Entsendung von Teams nach Italien und Österreich angekündigt, um den Umgang mit Migranten zu prüfen. Im Zusammenhang mit Österreich sagte sie: "Die Priorisierung der Rückkehr von Migranten aus Europa, ohne sicherzustellen, dass zentrale internationale Menschenrechtsverpflichtungen erfüllt werden, kann nicht als Schutzmaßnahme angesehen werden. Das Büro (der Menschenrechtskommissarin) erwartet die Entsendung eines Teams nach Österreich, um jüngste Entwicklungen in diesem Gebiet zu bewerten."
Glaubwürdigkeit der UN
Kurz verlangt nun eine "Klarstellung" der UNO, "um welche Menschenrechtsverstöße in Österreich es gehen soll, die gestern von UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet in den Raum gestellt wurden. Insbesondere gilt es zu klären, wie und warum es zur Entscheidung kam, dass genau Österreich überprüft werden soll." Um die Glaubwürdigkeit der UNO zu bewahren, sei "volle Transparenz das Gebot der Stunde", betonte der Kanzler. Er hoffe, dass sich die UNO nach einer "raschen Klärung der Situation in Österreich (...) wieder jenen Ländern widmen, wo Folter und Todesstrafe auf der Tagesordnung stehen sowie Meinungs-, Presse-, Versammlungs- und Religionsfreiheit tagtäglich verletzt werden".
Ein Sprecher des Kanzlers wies gegenüber der APA erneut darauf hin, dass die frühere chilenische Präsidentin auch Mitglied der Sozialistischen Internationale sei. Im ORF-Sommergespräch hatte Kurz Bachelet politische Voreingenommenheit attestiert. Die UNO-Überprüfung könnte vielleicht helfen, "dass Vorurteile, die es hier von einer ehemaligen sozialistischen Politikerin gibt, gegenüber Österreich, abgebaut werden", sagte er.
Kritik an Österreich
Allerdings hatte bereits Bachelets Vorgänger, der Jordanier Zeid Ra'ad al-Hussein Kritik an der österreichischen Flüchtlings- und Ausländerpolitik geübt. So äußerte er anlässlich der Einführung der Asyl-Obergrenze im Jahr 2016 Bedenken, "dass Menschen möglicherweise auf einer fragwürdigen Grundlage zurückgewiesen werden".
Der Sprecher Bachelets sagte der Tageszeitung "Kurier" (Dienstagsausgabe), die geplante Prüfung sei "kein großes Drama". "Migration ist einfach ein großes Thema in Europa und damit auch in Österreich. Wir wollen im Gespräch mit Behörden, NGOs und Migranten abklären, ob die Menschenrechte eingehalten werden", sagte er.
Bachelet wurde Anfang August zur neuen Hohen Kommissarin für Menschenrechte gewählt. Sie musste selbst als junge Frau und Folteropfer wegen der Diktatur von Augusto Pinochet aus ihrer Heimat flüchten und wurde in der DDR aufgenommen. SPÖ-Chef Christian Kern bezeichnete es mit Blick auf die Lebensgeschichte Bachelets am Dienstag als "Geschmacklosigkeit der Extraklasse", dass Kanzler Kurz ihr nahelege, sie solle sich lieber um Länder kümmern, wo Folter und Todesstrafe an der Tagesordnung stünden.