Ex-Kanzler Sebastian Kurz im großen oe24.TV-Interview über die Kinofilme und ein mögliches Polit-Comeback.
oe24.TV: Sie sind seit 14 Tagen in aller Munde, in allen Schlagzeilen, insbesondere aufgrund dieser zwei Kinofilme, die jetzt über Sie gedreht wurden. Einer ist schon in den Kinos, der zweite kommt nächste Woche. Den ersten haben jetzt etwas mehr als 4.000 Leute gesehen. Entspricht das Ihren Erwartungen?
Sebastian Kurz: Ich hatte keine Erwartungen. Ich bin kein Kinogeher und auch kein Kinoexperte. Ich bin mehrfach von einer Filmfirma angefragt worden, ob ich für ein Interview zur Verfügung stehe. Nachdem mir zugesichert wurde, dass es ein objektiver Film sein soll, in dem beide Seiten zu Wort kommen – sowohl Unterstützer als auch Gegner –, habe ich mich entschieden, für Interviews zur Verfügung zu stehen. Jetzt ist ein Film herausgekommen, in dem, glaube ich, beide Seiten sich wiederfinden. Die Unterstützer sagen etwas Positives, die Gegner etwas Negatives. Insofern ist, denke ich, die Welt in Ordnung.
oe24.TV: Jetzt gab es viele Theorien, wie dieser Film entstanden ist: Wer ihn finanziert hat, wer dahintersteckt. Wie kam es zu diesem Film bzw. wie ist man an Sie herangetreten? Oder kam die Idee doch aus Ihrem Umfeld, wie gemunkelt wurde?
Kurz: Ich finde es spannend, wie schnell sich Gerüchte verbreiten, unabhängig davon, ob sie wahr sind oder nicht. Die Geschichte ist sehr einfach erzählt: Es gibt zwei Filmemacher, die sich entschieden haben, einen Film zu machen. Einer davon mit dem Anspruch auf einen möglichst objektiven Blick, sowohl mit Unterstützern als auch mit politischen Widersachern. Der Film wurde privat von einer deutschen Filmfirma finanziert, deren Geschäftsmodell es ist, Filme zu produzieren. Es gibt noch einen zweiten Film, der vom ORF, der Stadt Wien und dem Filminstitut finanziert wurde. Dieser ist, glaube ich, erwartungsgemäß eher negativ.
oe24.TV: Da haben Sie ja jetzt mit einem Augenzwinkern gesagt, Sie haben ihn mit den GIS-Gebühren finanziert.
Kurz: Klar, ich zahle GIS-Gebühren, ich zahle Steuern, genauso wie die meisten anderen Österreicherinnen und Österreicher auch. Insofern haben wir alle als GIS-Gebührenzahler und als Steuerzahler diesen Anti-ÖVP-Film mitfinanziert.
oe24.TV: Werden Sie sich den Film eigentlich anschauen?
Kurz: Ich war in den letzten zehn Jahren nicht im Kino, insofern eher nicht.
oe24.TV: Dieser Film hat einige Spekulationen über ein politisches Comeback von Ihnen ausgelöst. Sie haben das zwar zuletzt ausgeschlossen, aber ich frage Sie jetzt direkt: Wird es ein politisches Comeback geben?
Kurz: Ich möchte es noch einmal ausschließen. Ich habe es immer sehr klar getan. Ich durfte zehn Jahre in der Spitzenpolitik tätig sein, durfte zehn Jahre in der Bundesregierung für Österreich arbeiten. Das habe ich immer sehr gerne gemacht und als sehr erfüllend empfunden. Zusammen mit meinem Team habe ich versucht, mein Bestes zu geben. Aber ich fühle mich jetzt in meiner neuen Aufgabe sehr wohl und genieße es, ehrlich gesagt, auch, etwas anderes zu tun. Insofern hatte ich meine Zeit in der Politik, hoffe, meinen Beitrag geleistet zu haben und strebe keine politische Funktion mehr an.
oe24.TV: Warum glaubt Ihnen das niemand? Alle spekulieren weiterhin, dass Sie zurückkehren werden.
Kurz: Ich kenne genug Leute, die mir das glauben. Je näher Menschen mir stehen, desto besser kennen sie mich und desto eher glauben sie es mir. Wenn es andere gibt, die das nicht glauben, macht es für mich keinen Unterschied.
oe24.TV: Aber bedeutet das, dass Sie es nur jetzt ausschließen und in ein paar Jahren könnte die Welt ganz anders aussehen?
Kurz: Ich hatte das Privileg, zwei Nationalratswahlen mit meinem Team zu gewinnen. Wir durften zehn Jahre in der Bundesregierung arbeiten. Ich habe das Gefühl, dass wir unseren Beitrag geleistet haben und dass wir auch alles erlebt haben, was man in der Politik erleben darf – sowohl Höhen als auch Tiefen. Was mich persönlich betrifft, ich habe das Gefühl, dass ich in der Politik alles gesehen und erlebt habe, was ich sehen und erleben wollte. Ich bin jetzt in einer anderen Lebensphase und genieße es, mit meiner Familie Zeit zu verbringen, was in den letzten Jahren oft zu kurz gekommen ist. Insofern ist das für mich abgeschlossen. Aber das bedeutet nicht, dass ich mich nicht weiterhin für Österreich und die Menschen einsetzen werde, nur eben auf andere Weise.
oe24.TV: Sie sagen selber, Sie sind ein politischer Mensch. Viele sagen, Sie sind sozusagen ein "Political Animal", also einer, der wirklich die Politik lebt. Wie sehr fehlt Ihnen das eigentlich, diese Politik zu machen?
Kurz: Interessanterweise gar nicht. Ich interessiere mich nach wie vor dafür, wie sich die Welt entwickelt. Ich beschäftige mich wahrscheinlich sogar noch mehr damit als in meiner Zeit als Politiker. Ich beschäftige mich so gut wie gar nicht mehr mit innenpolitischen Themen. Grundsatzpolitische Fragen emotionalisieren mich schon noch. Wenn ich erlebe, dass es diesen Trend gibt, wo uns immer stärker vorgeschrieben werden soll, was wir sagen dürfen, wie wir uns formulieren dürfen und was wir denken dürfen. Das sind Dinge, die mich nach wie vor emotionalisieren. Das heißt jedoch nicht, dass man deshalb Politiker sein muss. Ich habe in den letzten 1,5 Jahren sehr viel Zeit in meine neuen unternehmerischen Tätigkeiten investiert. Das sind alles noch sehr junge, frische Tätigkeiten, aber das sind kleine Pflänzchen, die ich sehr schätze, und ich freue mich, wenn sie sich gut weiterentwickeln. Ihnen gilt meine Aufmerksamkeit und auch mein 100%iger Fokus.
oe24.TV: Ihre politische Heimat ist und bleibt die ÖVP, oder gibt es vielleicht doch einmal eine Liste Kurz?
Kurz: Die Liste Kurz gibt es ja schon, aber ich habe weder vor, eine neue Partei zu gründen, noch will ich zurück in ein politisches Amt. In dieser Hinsicht bin ich sehr klar und das wird sich auch nicht ändern. Ich habe mich 15 Jahre lang für die Volkspartei engagiert und natürlich ist das nach wie vor meine politische Heimat.
oe24.TV: Sie haben Ihr neues Leben als Unternehmer angesprochen. Man sieht auf Instagram und in den Social Media immer wieder Bilder aus dem Nahen Osten, New York, Israel – Sie reisen quer durch die Welt. Wie viel sind Sie jetzt wirklich unterwegs? Ich kann mich erinnern, wir haben vor ein paar Monaten ein Interview geführt, in dem Sie sagten, Sie versuchen, die Zeit etwa 50/50 aufzuteilen, also die Zeit hier und die Zeit unterwegs. Ist es mittlerweile mehr geworden?
Kurz: Es geht sich nicht ganz aus. Ich würde sagen, ich bin wahrscheinlich fast drei Viertel der Zeit im Ausland. Wir reisen sehr viel, meine Freundin und unser Sohn. Die meiste Zeit bin ich mittlerweile im Mittleren Osten, weil ein Unternehmen, das ich gegründet habe, in Tel Aviv ansässig ist. Aber ich bin auch viel in Abu Dhabi und Dubai. Der Rest verteilt sich auf Europa und die USA. Ich verbringe sehr viel Zeit im Flugzeug, was aber in Ordnung ist. Ich bin eigentlich ganz gerne unterwegs und finde es spannend, viele unterschiedliche Länder, Systeme und Kulturen intensiver kennenlernen zu dürfen.
oe24.TV: Was ist jetzt Ihr Hauptbetätigungsfeld? Sie haben eine Firma im Bereich CyberSecurity in Israel – wo liegt Ihr Fokus momentan? Mehr auf der Beratung?
Kurz: Ich habe mehrere Unternehmen gegründet, und insofern ist es schwer zu sagen, worauf der Fokus liegt, denn es gibt nicht den einen Fokus. Ich würde sagen, ich habe zwei große Schwerpunkte: Das eine ist eine CyberSecurity-Firma in Tel Aviv, die ich mit zwei Partnern gründen durfte. Wir haben vor knapp einem Jahr gegründet, und das Unternehmen entwickelt sich, Gott sei Dank, ganz gut. Darüber hinaus habe ich ein Beratungsunternehmen, wiederum mit Schwerpunkt auf die Region Mittlerer Osten. Das sind im Moment meine Hauptbetätigungsfelder.
oe24.TV: Jetzt sagt man zwar, über Geld spricht man nicht, aber ich muss die indiskrete Frage stellen: Verdienen Sie jetzt mehr als Politiker oder weniger?
Kurz: Sie haben es gerade gesagt: Über Geld spricht man nicht. Die Unternehmen stehen alle noch am Anfang, haben sich aber gut entwickelt, und ich kann mich nicht beschweren.
oe24.TV: Ich würde noch gerne ein bisschen in den Herbst schauen. Da stehen Sie ja vor Gericht. Es geht um den Vorwurf der Falschaussage im Untersuchungsausschuss. Sie haben immer beteuert, dass Sie mit einem Freispruch rechnen. Würden Sie doch verurteilt werden, würde Ihnen das den Glauben an das österreichische Justizsystem rauben?
Kurz: Ich möchte ehrlicherweise nicht mutmaßen. Ich war vor 3 Jahren im Untersuchungsausschuss und habe dort nach bestem Wissen und Gewissen ausgesagt. Ich kann immer noch nicht nachvollziehen, was ich dort Falsches gesagt haben soll. Insofern gehe ich davon aus und hoffe, dass das vor Gericht entsprechend gewürdigt wird. Viel mehr habe ich dazu eigentlich nicht hinzuzufügen. Ich lasse das auf mich zukommen.
oe24.TV: Und zum Schluss möchte ich noch ein bisschen in die Politik gehen, jetzt einmal abseits von den Spekulationen über Ihr Comeback. In allen Umfragen liegt die FPÖ und Herbert Kickl im Moment auf Platz 1. Sie haben selber in einer Regierung mit Herbert Kickl zusammengearbeitet, damals war er Innenminister. Sie kennen ihn in der Zusammenarbeit. Was würde ein Kanzler Herbert Kickl für dieses Land Ihrer Meinung nach bedeuten?
Kurz: Da bitte ich um Verständnis, Herr Fellner. Ich habe mich innenpolitisch die letzten 1 ½ Jahre nicht zu Wort gemeldet und möchte da auch nicht mutmaßen. Sie wissen, ich bin Mitglied der Volkspartei und hoffe, dass die Wahl für die Volkspartei gut ausgeht. Viel mehr werden Sie von meiner Seite dazu nicht hören.
oe24.TV: Dann gehen wir vielleicht zu einem generellen Thema, worüber viel diskutiert wurde: das Thema „Normalität“. Sie haben jetzt selber vorher über diese „Wokeness“ gesprochen. Das geht ja in eine ähnliche Richtung. Finden Sie es richtig, dass jetzt über Normalität und Wokeness gesprochen wird? Ist das eine Debatte, die man führen muss?
Kurz: Ich glaube, jeder muss für sich selber entscheiden, welche Debatte er führt. Sie haben mich einfach nach meiner Meinung gefragt, ob ich mich noch für Politik interessiere, und ich kann Ihnen nur sagen oder schildern, was mich beschäftigt. Für mich ist sehr relevant, ebenso wie für viele andere Menschen, wie sich unsere Welt entwickelt. Gibt es eine geteilte Welt, in der wir in Zukunft leben, zwischen West und Ost, oder hat das Modell der Globalisierung und der zusammenwachsenden Welt noch eine Chance? Das sind Themen, die mich im Moment sehr beschäftigen. Darüber hinaus habe ich einfach ein Stück weit das Gefühl, dass bei uns im Westen manches in die falsche Richtung läuft. Das ist ganz gleich, ob man das Wokeness nennt oder ob das radikale Grundhaltungen sind. Aber wenn ich erlebe, dass junge Menschen sich dazu verführen lassen, auf die Straße zu gehen, um Chaos zu stiften, und überhaupt keinen Respekt davor haben – sei es, weil ein 6-jähriges Kind durchmuss, weil es zum ersten Schultag möchte oder ein Einsatzfahrzeug durchmuss, weil jemand in einer Notsituation ist –, dann emotionalisiert mich das nach wie vor als Staatsbürger. Dabei habe ich einfach das Gefühl, dass einiges in die falsche Richtung läuft. Das ist aber kein rein österreichisches Phänomen, sondern man sieht es in Deutschland und anderen Ländern in einer ähnlichen Art und Weise.
oe24.TV: Sehen Sie da eine Art Klimahysterie derzeit?
Kurz: Nein, ich bin überhaupt niemand, der den Klimawandel leugnet. Ich habe einen sehr wissenschaftlichen Blick darauf. Der Klimawandel findet statt, und es ist notwendig, auch dagegen anzukämpfen. Das gibt jedoch niemandem das Recht, sich über Gesetze hinwegzusetzen. Es gibt konstruktive Möglichkeiten, gegen den Klimawandel anzukämpfen, und nicht so fundamentalistische, dass man ein ganzes Gesellschaftssystem erschüttern möchte. Wenn es dazu kommt, dass der Polizist mit Olivenöl auf der einen Seite und der Bodycam auf der anderen Seite ausgestattet ist, damit er ja dokumentieren kann, dass er den Klimaschützer nicht zu hart angepackt hat, wenn er ihn von der Straße holen wollte, dann ist das nicht die Art von Gesellschaft, wie ich sie mir vorstelle. Andere Leute mögen das vielleicht. Ich bin da vielleicht ein bisschen altmodisch, aber das ist nicht mein Welt- und Gesellschaftsbild.
oe24.TV: Und ganz zum Schluss noch: Das Thema Migration war immer ein großes Thema in Ihrer politischen Zeit, welches Sie sehr beschäftigt hat. Jetzt sehen wir in ganz Europa steigende Flüchtlingszahlen, in Österreich derzeit noch nicht, aber das kann sich natürlich auch rasch ändern. Befürchten Sie eine neue Migrationswelle?
Kurz: Solange es keinen entschlossenen Außengrenzschutz der Europäischen Union gibt, wird es immer Flüchtlingswellen geben. So wie man in den Wald hineinruft, so kommt es zurück und solange die EU keine klare Strategie hat, nämlich illegale Migration zu verhindern, zu bekämpfen und das auch als prioritär sieht, solange wird es immer wieder, wir nennen es immer Flüchtlingswellen, aber in Wahrheit sind es ja Migrationswellen, geben.
oe24.TV: Sie waren zuletzt mehrmals in Ungarn. Finden Sie, dass Ungarn bessere Migrationspolitik macht als der Rest Europas?
Kurz: Es geht nicht um besser oder schlechter. Es gibt einige Staaten, die haben die Haltung, dass illegale Migration nicht stattfinden darf und es gibt Staaten, die haben das Gefühl, naja, illegale Migration, das ist ja eigentlich nichts, wogegen wir ankämpfen wollen und da hat sich meine Meinung nicht verändert. Ich bin dafür, dass Staaten sich aussuchen, wer zuwandert und nicht Schlepper diese Entscheidung treffen – da wird sich auch in dem Leben mein Zugang nicht mehr ändern.
oe24.TV: Eine allerletzte Frage noch: Was macht Sebastian Kurz in 5 Jahren?
Kurz: Ich nehme an dasselbe wie jetzt, ich habe ein paar Unternehmen gestartet, die verlangen täglich sehr viel Aufmerksamkeit und das wird mich auch in 5 Jahren noch fordern.