Kurz hat nur einen Gegner: die Realität

05.09.2019

Ein Kommentar von oe24.TV-Kommentator Rudi Fußi.

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Habt’s schon 
Mittag gessn? Hm?“ – Niemand kümmert sich so sehr darum, ob seine Landsleute gut zu Mittag gegessen haben, wie er. Das ist doch der Schwiegersohn, den sich so viele Frauen unseres Landes wünschen. Er ist höflich, sieht immer aus, wie aus dem Ei gepellt, und er kann so gut reden.
 
Die beiden Sommergespräche auf Puls 4 und ORF 2 hatten eines gemeinsam: einen souveränen ­Sebastian Kurz. Man muss fairerweise anmerken, dass es einem Politiker in Interviews nicht unbedingt schadet, wenn er auf Journalisten trifft, die dem Nachfragen bei heiklen ­Themen nicht die höchste Priorität einräumen.
 
Aber wozu nachfragen, wenn er uns so eine schöne Welt zeichnet. Diesem Mann ist kein Politiker und kein Journalist des Landes im Fernsehen gewachsen. Fast wirkt es so, als hätte dieser junge Mann Superkräfte, mit denen er ins Raum-Zeit-Kontinuum eingreifen kann.
 
Seine Leute schreddern illegal Daten aus dem Kanzleramt? Das ist dann ein normaler Vorgang, weil das ja Kern auch gemacht habe. Was er nicht sagt: Kern hat es die Beamten des BKA machen lassen, während Kurzens Mitarbeiter mit falschem Namen in eine Schredderfabrik fährt. Nein, nicht normal.
 

Was Kurz sagt, hat wenig mit der Realität zu tun

 
Gab es Leistungen für die Großspender von Kurz? Er sagt: Nein. Nun, dann wird es Zufall sein, dass Orden verliehen werden, eine Spendertochter ein Mandat erhält, andere Aufsichtsratsposten. Kurz, sinngemäß: 99 % der Mandatare hätten keinen Spender als Vater. Stimmt. Aber fast 100 % der Großspender profitierten erwiesenermaßen unmittelbar von ihrer Spende.
Kurz fälscht die Buchhaltung? Natürlich nicht. Es gibt da teilweise Unwahres, sagte er. Dass er die Buchhaltung selbst außer Streit stellt, fällt unter den Tisch. Und die Tatsache, dass die ÖVP bereits wieder bis ins kleinste Detail einen Gesetzesbruch bei den Wahlkampfkosten plant? Das sei noch kein Gesetzesbruch.
 
Millionen Kugelschreiber wurden gekauft? Nein, das habe mit Wahlkampf nichts zu tun, die ÖVP rechnet die Anschaffungskosten auf die gesamte Legislaturperiode hoch und gibt nur die 4 Monate Wahlkampf an. Auch kein Nachfragen.
 
Kann es die FPÖ nun, oder nicht? Nach Ibiza hieß es sehr deutlich: Die FPÖ kann es nicht. Jetzt kann sie es eh wieder, aber er ist ein wenig betroffen, weil er so viel erdulden musste.
Die ÖVP plakatiert übrigens den Slogan: „Damit die Steuern weiter sinken.“ Meine Steuer- und Abgabenlast ist nicht gesunken. Ich möchte auch in dieser Welt leben, in der was gesunken ist. Aber glauben schafft noch keine Realität.
 
Sebastian Kurz hat nur noch einen Gegner: die Realität. Aber ganz ehrlich, „Reich und schön“ ist ja auch heilsamer für die Seele als die Realität. Wir freuen uns schon auf die nächste Folge.
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