Kurz im ÖSTERREICH-Interview über Neuwahlen und die Zukunft der ÖVP.
Oe24.TV: Herr Minister, es ist zur Zeit dieses Interviews noch 24 Stunden bis zum ÖVP-Vorstand – und alle Österreicher fragen sich, wollen Sie ÖVP-Parteiobmann werden? Sind Sie bereit dazu?
Sebastian Kurz: Das kommt auf die Rahmenbedingungen an. Ich habe sehr klare Vorstellungen, wie es aussehen müsste in der ÖVP, damit diese Partei auch funktionieren kann. Ich gebe Reinhold Mitterlehner voll und ganz recht, wenn er sagt: „So wie es war, so kann es nicht bleiben.“ Die Frage ist, ob diese meine Vorstellungen mitgetragen werden, oder eben nicht. Davon wird es abhängen.
Oe24.TV: Sie wollen eine ganz neue Partei, manchmal haben Sie gesagt, Sie wollen eigentlich eine Bewegung.
Kurz: Ich glaube, dass es notwendig ist für Parteien, sich zu öffnen. Dass es notwendig ist, zuzulassen, dass die besten Köpfe mitmachen, egal ob sie ein Parteibuch haben oder aus welchem Bundesland sie kommen. Ich werde sehen, ob das im Vorstand Unterstützung findet oder nicht.
Oe24.TV: Und verstehe ich das richtig, dass Sie den Parteiobmann nur machen werden, wenn Sie wirklich die Chance haben, die ÖVP komplett zu reformieren?
Kurz: Ich habe ganz klare Vorstellungen, wie es funktionieren kann und wie nicht, und am Sonntag wird diese Entscheidung fallen.
Oe24.TV: Das heißt, Sie setzten alles daran, die ÖVP zu überzeugen? Das ist der Kampf, den Sie mit den Kollegen in Ländern und Bünden freundschaftlich austragen?
Kurz: Ich mache es gerne. Aber nur, wenn es die Möglichkeit gibt, wirklich etwas zu verändern. Wenn man als derjenige, der die Führung übernimmt, keine Möglichkeiten dazu hat, dann bin ich der Falsche für den Job.
Oe24.TV: Aber das war der Satz, auf den jetzt alle gewartet haben. „Ich mache es gerne“ – zu dem stehen Sie?
Kurz: Wenn die Rahmenbedingungen passen, definitiv.
Oe24.TV: Eine andere Entscheidung ist bei Ihnen schon gefallen: Sie haben gesagt, Weiterwursteln in der Regierung hat keinen Sinn, Sie wollen Neuwahlen. Warum?
Kurz: Ich habe das Gefühl, dass es in einer Demokratie wichtig ist, dass die Wählerinnen und Wähler entscheiden, in welche Richtung sich das Land verändern soll. Die Letzten, die gewählt wurden, das waren Werner Faymann und Michael Spindelegger. Der zweite Punkt ist: Ich habe in der Regierung erlebt, dass in den letzten Monaten ein Dauerwahlkampf stattgefunden hat. Und wenn es jetzt keine Neuwahlen gibt, wird dieser Dauerwahlkampf ein ganzes Jahr lang weiter fortgesetzt werden, und ich glaube, das ist nicht gut für das Land.
Oe24.TV: Dieser Dauerwahlkampf hat zu einer Blockade in der Regierung geführt, oder? Warum eigentlich?
Kurz: Die Stimmung war ständig schlecht in der Regierung. Ich glaube, es ist einfach falsch, so einen langen Wahlkampf zu haben. Mein Vorschlag ist, dass wir uns gemeinsam respektvoll darauf verständigen, dass es im Herbst Wahlen geben soll, und wir bis dahin ruhig versuchen, jene Projekte, auf die sich die Regierung geeinigt hat, auch wirklich umzusetzen. Dann soll im September ein kurzer, intensiver und fairer Wahlkampf geführt werden. Ich glaube, wenn alle Parteien sich darauf einigen würden, dann wäre das ein Stärkezeichen für das Land.
Oe24.TV: Jetzt hat Ihnen der Bundeskanzler eine Reformpartnerschaft angeboten. Glauben Sie nicht daran?
Kurz: Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht und sehr lange darüber nachgedacht. Da gibt es immer Parteitaktiker, die sagen, so ein Angebot muss man annehmen. Ich habe entschieden, dass ich für dieses Taktieren nicht zu haben bin. Ich weiß, es ist unpopulär, zu sagen, dass es Neuwahlen geben soll. Aber ich habe für mich entschieden: Ich bin der Falsche für all dieses Taktieren. Ich halte es für sinnvoll, sich darauf zu einigen, dass man zügig wählt und bis dahin in aller Ruhe versucht, das auf den Boden zu bringen, was noch möglich ist.
Oe24.TV: Das heißt, die Regierung soll nicht am Montag aufgelöst werden und nicht crashen, sondern die Regierung soll geordnet weiterarbeiten – bis zum Wahltermin oder bis zur Auflösung des Nationalrates?
Kurz: Ich stelle mir vor, dass man das so macht, wie es eigentlich im Regierungsprogramm vorgesehen ist: Wenn ein Partner aus der Koalition aussteigen möchte, dass man sich gemeinsam auf einen Neuwahltermin einigt und dass man das mit Bundespräsidenten und Parlament ruhig, sachlich und respektvoll abwickelt. Ich glaube, das wäre das Beste und würde auch dazu führen, dass in den nächsten Monaten bis zum Sommer das eine oder andere, worauf sich die Regierung ohnehin schon im Regierungsprogramm geeinigt hat, dass man das auch noch abarbeiten kann.
Oe24.TV: Soll es die 20.000 Arbeitsplätze für Ältere noch geben? Kann es noch eine Einigung auf das Aus der kalten Progression geben?
Kurz: Einige Dinge sind noch in der Luft, ich habe all diese Dinge bis jetzt nicht verhandelt. Ich war für all diese Themen bis jetzt nicht zuständig. Meiner Meinung nach sind die Projekte allesamt keine großen Würfe, aber sie wirken alle in Ordnung. Und ich glaube, dass die Differenzen auch überwindbar wären.
Oe24.TV: Wann wird der Nationalrat aufgelöst? Es gibt viele, die sagen, es wäre optimal, der Nationalrat würde erst Ende Juni aufgelöst werden. Da könnte noch der U-Ausschuss durchgeführt werden, und es würde dann zum Beispiel am 24. September gleichzeitig mit Deutschland gewählt werden.
Kurz: Ich glaube nicht, dass es entscheidend ist, ob eine Woche früher oder später gewählt wird. Entscheidend ist, dass man als Politiker eine ordentliche Arbeit leistet.
Oe24.TV: Haben Sie Koalitionspräferenzen? Viele sagen, Sie haben die ausgestreckte Hand des Kanzlers abgelehnt, deshalb kann es künftig nur noch Schwarz-Blau geben.
Kurz: Ich halte generell nichts davon, dass man immer schon über Koalitionen redet, bevor gewählt wurde. Jetzt schauen wir doch einmal erst, wen die Bevölkerung unterstützt.