In Brief an Michel und von der Leyen
Kurz und vier Amtskollegen fordern EU-Gipfel zu Impfstoffverteilung
13.03.2021Bundeskanzler Kurz und vier seiner Amtskollegen richteten einen Brief an Ratspräsident Charles Michel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Brüssel/Wien. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat in einem gemeinsamen Brief mit vier Amtskollegen einen EU-Gipfel zum Thema Impfstoff-Verteilung gefordert. Damit alle EU-Staaten ihre Impfziele für das zweite Quartal erreichen, solle EU-Ratspräsident Charles Michel "so bald wie möglich" einen Gipfel abhalten, heißt es in dem am Samstag veröffentlichen Schreiben der Premiers von Österreich, Tschechien, Slowenien, Bulgarien und Lettland an die EU-Spitze.
Das Schreiben an Michel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wiederholt im wesentlichen die von Kurz am Freitag in einer Pressekonferenz gemachten Aussagen. Kurz und seine Amtskollegen Andrej Babis (Tschechien), Janez Jansa (Slowenien), Bojko Borissow (Bulgarien) und Krisjanis Karins (Lettland) berichten, sie hätten "in den vergangenen Tagen entdeckt", dass die Lieferungen der Impfstoffdosen durch die Pharmafirmen nicht laut dem Bevölkerungsschlüssel erfolgen.
oe24 liegt der gemeinsame Brief von Kanzler Kurz und vier seiner Amtskollegen an Ratspräsident Charles Michel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor.
"Wenn dieses System so weitergeht, würde das bis zum Sommer riesige Ungleichheiten unter den Mitgliedsstaaten schaffen und vertiefen. So würden einige in wenigen Wochen die Herdenimmunität erreichen können, während andere weit zurückblieben", beklagten die fünf Regierungschefs. "Aus unserer Sicht widerspricht das nicht nur unserer Vereinbarung, sondern auch dem Geist der europäischen Solidarität."
Impfkampagnen gleichzeitig gestartet
Die Premiers verwiesen darauf, dass die EU-Staaten Ende Dezember ihre Impfkampagnen gleichzeitig gestartet hätten und die EU-Kommission zurecht gemeinsame EU-Impfziele für das zweite Quartal 2021 gesetzt habe. "Wir müssen nun sicherstellen, dass alle Mitgliedsstaaten die gleiche Chance haben, diese Ziele zu erreichen. Aus diesem Grund rufen wir Dich, Charles, auf, so bald wie möglich eine Gipfeldiskussion über diese wichtige Frage abzuhalten."
Der Bundeskanzler hatte am Freitag scharfe Kritik an der Verteilung von Impfstoffen in der Europäischen Union geübt und den Verdacht von Nebenabsprachen einzelner Mitgliedsstaaten mit Pharmaunternehmen geäußert. Damit würde ein Gipfelbeschluss verletzt, wonach die Impfstoffe gleichmäßig nach der Bevölkerungsanzahl an die Staaten verteilt werden sollen. Kurz verwies darauf, dass etwa Malta drei Mal so viele Impfstoffdosen pro Kopf erhalten habe wie Bulgarien. Österreich selbst sei nicht benachteiligt.
Von den fünf Unterzeichnern des Schreibens sind drei (Bulgarien, Tschechien und Lettland) bisher schlechter ausgestiegen als bei einer konsequenten Verteilung der Impfdosen nach der Bevölkerung. Slowenien und Österreich haben so viele Dosen erhalten wie es ihrer Bevölkerungsanzahl entspricht. Kroatien, das in der bisherigen Bilanz mit -27 Prozent an drittletzter Stelle liegt, schloss sich dem Schreiben nicht an. Der kroatische Premier Andrej Plenkovic äußerte am Freitag bei einem Besuch in Brüssel laut einem ORF-Bericht sogar Unverständnis für den Vorstoß des Kanzlers. Es komme ganz einfach darauf an, welches Land bei welchem Hersteller bestellt habe, rechnete Plenkovic vor Journalisten vor.
Malta wies die Kritik zurück
Malta wies die Kritik des Kanzlers am Freitag zurück. Zu den Staaten, die mehr Impfstoffdosen erhalten haben, zählt auch Deutschland. Dieses war der Argumentation des Kanzlers bereits am Freitag entgegen getreten. "Es ist vereinbart, dass die Verteilung der Impfstoffkontingente zwischen den Mitgliedstaaten grundsätzlich nach dem Bevölkerungsanteil erfolgt", sagte ein deutscher Regierungssprecher auf Anfrage von Reuters. "Für den Fall, dass Mitgliedstaaten die ihn zustehenden Mengen nicht vollumfänglich abnehmen, wurde ein Verfahren etabliert, das anderen Mitgliedstaaten den 'Aufkauf' dieser nicht abgenommenen Dosen ermöglicht", fügte er hinzu. Auch dabei würden die Bestellungen nach demselben Verfahren verteilt. "Wenn ein Mitgliedstaat dabei keine Dosen bestellt, erhält er auch nichts." Ähnlich hatte sich zuvor auch die EU-Kommission geäußert.