Außenpolitik
Kurz verteidigt seine Iran-Reise
30.08.2015
Durch Isolation werden Dinge nicht besser, so der Außenminister.
Im Vorfeld seiner Iran-Visite hat Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) Kritik an der Reise wegen der dortigen Menschenrechtsverletzungen zurückgewiesen. "Durch Isolation werden die Dinge leider in den meisten Fällen nicht besser", so Kurz im APA-Interview.
Er, Bundespräsident Heinz Fischer und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) werden von 7. bis 9. September mit einer Wirtschaftsdelegation den Iran besuchen. "Ich glaube, dass es richtig ist, in einen Dialog zu treten, wenn man Menschen, aber auch Regierungen, Regime verändern möchte. Dass man das eigene Menschen-und Wertebild erklärt und versucht bestmöglich Einfluss zu nehmen", erläuterte Kurz.
Verständnis für Israels Sorgen
Zur Kritik Israels an dem in Wien erzielten Atom-Deal mit den fünf UNO-Vetomächten und Deutschland meinte der Außenminister: "Ich habe Verständnis für das Sicherheitsbedürfnis und auch die Sorgen, die es in Israel gibt." Kurz erklärte aber gleichzeitig, das Abkommen anders zu sehen als Israel. Er habe darüber auch mit Israels Premier Benjamin ("Bibi") Netanyahu gesprochen. "Ich gehe davon aus, dass ich ihn nicht überzeugt habe."
Aber: "Kontrolle ist doch wesentlich besser als keine Kontrolle. Und wenn man das eigene Sicherheitsbedürfnis aus israelischer Sicht ernst nimmt, dann sollte man doch froh über jeden Deal sein, der dazu führt, dass der Iran nicht unbemerkt eine Atombombe bauen kann."
"Inakzeptables" Vorgehen
Dass die Türkei den Kampf gegen die Jihadisten des "Islamischen Staats" offenbar dazu benützt, gegen kurdische Kämpfer vorzugehen, bezeichnete Kurz als "inakzeptabel." Er könne nur beide Seiten aufrufen, "dringend den Dialog wieder aufzunehmen und auf die Gewalt von beiden Seiten sofort zu verzichten."
Frage: Im Iran finden auch unter dem als moderat geltenden Präsidenten Hassan Rohani weiterhin Menschenrechtsverletzungen statt, Amnesty International spricht von einem beispiellosen Anstieg an Hinrichtungen. Gleichzeitig hat mit dem Atomdeal ein Besucherreigen begonnen, bei dem es - vor allem - um wirtschaftliche Interessen geht. Was sagen Sie zur Kritik, dass man einem Regime, das derartige Menschenrechtsverletzungen verübt und die Vernichtung Israels fordert, nicht die Hand schütteln sollte?
Kurz: Durch Isolation werden die Dinge leider in den meisten Fällen nicht besser. Und insofern bin ich ein absoluter Befürworter des Dialogs. Ich glaube, dass es richtig ist, dass man in einen Dialog eintritt, wenn man Menschen, aber auch Regierungen, Regime verändern möchte. Dass man das eigene Menschen- und Wertebild erklärt und versucht, bestmöglich Einfluss zu nehmen. Ich kann Ihnen genug Beispiele nennen, wo Isolation überhaupt nichts gebracht hat. Und beim Iran hatten wir eine ewig lange Isolation, wir hatten Sanktionen. Und wir haben eine unfassbar schlechte Menschenrechtssituation, wir haben dramatische Zahlen an Hinrichtungen. Also keiner kann mir sagen, dass das zu einer Verbesserung der Situation geführt hat.
Insofern glaube ich, es ist es ein schwerer Fehler, im Iran zu sein und die Menschenrechte nicht anzusprechen. Das würde ich für absolut falsch halten. Aber mit den handelnden Akteuren dort in Kontakt zu sein und auch die Chance zu nutzen, die Menschenrechtssituation anzuprangern und so vielleicht langsam dicke Bretter zu bohren, das halte ich für den wesentlich sinnvolleren Weg. Österreich ist auch klar positioniert als ein Land, das versucht Brücken zu bauen, das versucht, durch Dialog auch eine sanfte Veränderung da und dort zu erzielen.
Ich kann mich auch gut erinnern, dass ich vor einigen Monaten auch nach Weißrussland gereist bin. Da haben einige kritisiert, wie man denn mit einem Präsidenten Kontakt haben kann, der sich politische Gefangene hält. Das war das Hauptthema unserer Reise. Es haben sich einige danach fast zynisch gefreut, dass es keinen unmittelbaren Erfolg gegeben hat. Aber siehe da, einige Monate später sind wieder politische Gefangene entlassen worden. Natürlich ist das nur ein kleiner Schritt, aber ein richtiger Schritt. Und insofern bin ich der festen Überzeugung, dass wir das Image und auch die Positionierung, die wir als Österreich haben, hier beibehalten sollten. Wir sind ein Land, das klare Wertvorstellungen vertritt. Wir sind ein Land, das diese Werte in die Welt trägt, aber im Dialog, im Gespräch, und teilweise auch mit Erfolg.
Frage: Israel hat das in Wien erzielte Iran-Abkommen scharf kritisiert. Sie sind ja in engem Kontakt mit dem israelischen Außenminister Benjamin Netanyahu. Haben Sie Verständnis für die Kritik Israels an dem Atomdeal? Oder erachten Sie diese als falsch?
Kurz: Ich habe Verständnis für die Situation, in der Israel ist. Ich habe Verständnis für das Sicherheitsbedürfnis und auch die Sorgen, die es in Israel gibt. Und insofern war es mir wichtig, stets in einem engen Kontakt mit Israel zu sein, vor allem auch aufgrund unserer historischen Verantwortung, die wir hier haben. Ich sehe nur diesen Deal anders, als er von den Regierenden in Israel gesehen wird. Denn meiner Meinung nach ist die Isolation des Irans etwas, das zu mehr und mehr Radikalität führt.
Und der Deal und die Öffnung, die dadurch im Iran stattfindet, ist meiner Meinung nach eine Chance, dass sich der Iran auch weiter zum Positiven verändert. Und was die potenzielle Atombombe betrifft, da wäre die Bedrohung für Israel ja mit Abstand am größten. Wir können durch den Deal nicht ausschließen, dass der Iran die Vereinbarungen verletzt. Wir können nicht ausschließen, dass es auch wieder eine negative Entwicklung gibt. Aber wir haben durch diesen Deal Kontrollmöglichkeiten, die wir anders nicht hätten.
Mein starkes Argument ist, dass Kontrolle doch wesentlich besser ist als keine Kontrolle. Und wenn man das eigene Sicherheitsbedürfnis aus israelischer Sicht ernst nimmt, dann sollte man doch froh über jeden Deal sein, der dazu führt, dass der Iran nicht unbemerkt eine Atombombe bauen kann. Ich habe natürlich mit Bibi Netanyahu Kontakt gehabt. Ich geb's offen zu, ich gehe davon aus, dass ich ihn nicht überzeugt habe. Es war ein sehr intensives Gespräch. Wir werden auch weiterhin die Sorgen aus Israel ernst nehmen. Aber ich bin trotzdem der Auffassung, dass der Deal zwar keine Garantie, aber eine Chance ist. Und eine Chance ist besser als gar nichts.
Frage: Ist der Deal nicht auch eine Gefahr, dass es zu einem Wettrüsten in der Region kommt?
Kurz: Der Deal ist auch verbunden mit einem Waffenembargo. Wenn man den Iran in der Region als Grund sehen will, um selbst aufzurüsten, dann hatte man die Möglichkeit in der Vergangenheit auch schon. Ich glaube nicht, dass der Deal eine große Veränderung gebracht hat.
Frage: Sie haben in ihrem Fünf-Punkte-Programm der Dynamik rund um den in Wien beschlossenen Iran-Deal das Potenzial zugesprochen, auch bei anderen Konflikten wie etwa Syrien oder Libyen Fortschritte zu erzielen. Wäre Österreich bereit, hierbei eine Rolle zu spielen bzw. engagieren Sie sich dafür?
Kurz: Ja, wir sind da auch mit dem Iran in Kontakt. Der Iran ist ein Land, das immer sehr klar negativ gegenüber dem IS-Terror eingestellt war und ist. Da sind sie sehr glaubwürdig. Aus meiner Sicht ist es eine große Chance, jetzt den Iran als einen starken Player in der Region neben Saudi-Arabien und der Türkei zu gewinnen, gegen den IS-Terror noch aktiver vorzugehen. Aber in weiterer Folge natürlich auch gegen die radikale Ideologie, vorzugehen. Und da gibt es natürlich auch die Notwendigkeit einer weiteren Entwicklung im Iran. Da drängen wir auch darauf.
Frage: Bei ihrem Besuch im Nordirak im Februar haben Sie sich für den Kampf der kurdischen Peshmerga gegen die IS-Miliz bedankt. Was denken Sie sich, wenn die Türkei ausgerechnet kurdische Kämpfer zur Hauptzielscheibe in der Region macht? Offenbar aus innenpolitischem Kalkül von Präsident Erdogan. Erweist Ankara damit dem Kampf gegen den IS nicht einen Bärendienst?
Kurz: Definitiv. Ich habe den türkischen Außenminister natürlich auch gleich kontaktiert. Unsere Haltung ist da ganz eindeutig. Wir sind froh, wenn die Türkei stärker in den Kampf gegen den IS-Terror einsteigt. Es gab ohnehin viel zu viele Staaten in der Region, die den IS-Terror anfänglich unterstützt haben. Insofern gibt es da auch die Aufgabe, viel wiedergutzumachen. Aber darüber hinaus ist es natürlich absolut inakzeptabel, wenn sich hier der Konflikt mit den Kurden in der Türkei aus welchen Gründen auch immer weiter zuspitzt. Ich kann nur beide Seiten aufrufen, dringend den Dialog wieder aufzunehmen und auf die Gewalt von beiden Seiten sofort zu verzichten. Alles andere führt zu einem Aufflammen eines innertürkischen Konflikts, den wir fast geglaubt haben, schon überwunden zu haben.
Frage: Planen Sie auch einen Besuch in der Türkei? Die Beziehungen sind ja seit der Erklärung des Nationalrats zum Völkermord an den Armeniern nicht die besten.
Kurz: Ja, das ist richtig. Aber es war legitim, dass das Parlament diese Erklärung getätigt hat. Und wir waren danach auch schon in zahlreichen Themen mit der Türkei in Kontakt. Gott sei Dank gibt es darüber hinaus Themen, wo man auch mit der Türkei zusammenarbeiten kann. Ich glaube, dass die Türkei auch, insbesondere was den Kampf gegen den IS-Terror betrifft, ein Stück weit eine Neupositionierung vorgenommen hat und jetzt aktiver ist, als das anfänglich der Fall war. Es gibt noch wesentlich schwierigere Themen als die Anerkennung des Genozids. Wenn ich zum Beispiel an die Situation mit den Kurden heute denke. Das ist das für mich noch brennendere Thema als die auch wichtige Aufgabe, die eigene Geschichte aufzuarbeiten. Es gibt Themen, wo der Kontakt sehr gut funktioniert. Wir sind auch in Gesprächen, was bilaterale Kontakte betrifft.