Schredder-Krieg der Ex-Kanzler - Wilder Schlagabtausch zwischen ÖVP und SPÖ.
Seit Dienstagfrüh wird „zurückgeschreddert“. Der Skandal rund um fünf bei Nacht und Nebel zerstörte Festplatten aus dem Büro von Ex-Kanzler Kurz hat eine neue Dimension. Denn, wie am Dienstag bekannt wurde, waren vor der Amtsübergabe von Christian Kern (SPÖ) an Sebastian Kurz ebenfalls Festplatten aus roten Kabinetten geschreddert worden – allerdings nicht geheim, sondern im offiziellen Auftrag des Kanzleramtes (siehe auch den „Schredder-Vergleich“ unten). Die Rechnung belief sich dem Vernehmen nach auf knapp 2.100 Euro. Die Auftragsbestätigung datiert vom 1. Dezember, die Amtsübergabe an Kurz war am 18. Dezember.
Nehammer wirft der SPÖ jetzt Doppelmoral vor
Die ÖVP wittert jetzt nach tagelangem verbalem Abwehrgefecht endlich Morgenluft: „Es ist unglaublich, mit welcher Doppelmoral Kern und die SPÖ hier agieren“, sagte ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer: „Wie sich jetzt herausstellt, schredderte auch die SPÖ, und das sogar im größeren Stil“, ärgerte er sich.
Kern: „Ich nicht.“ Die SPÖ und auch Kern lassen das nicht auf sich sitzen: Der frühere Kanzler behauptet, keinen Auftrag dazu erteilt zu haben. Die Beamten des Kanzleramts hätten selbstständig agiert.
Kern kontert: Es waren die Beamten ganz alleine
Heimlich. Bei Kurz hingegen, so Kern hörbar wütend, sei das völlig anders gewesen: „Ein persönlicher Mitarbeiter von ihm hat unter falschem Namen Festplatten bei einer externen Firma zerstören lassen. Das war kein amtswegiger Vorgang, das war kein gesetzesmäßiger Verwaltungsakt, sondern eine heimliche Zerstörung und Panikaktion.“ Offenbar habe das Kabinett von Kurz etwas zu verbergen.
Peter Pilz zeigt Kurz und gleich zwei Mitarbeiter an
Die Justiz erhält mit der Ausweitung der Affäre mehr Arbeit: Wohl auch wahlkampfbedingt zeigte der Jetzt-Abgeordnete Peter Pilz Kurz sowie zwei Mitarbeiter im Kanzleramt an. In der entsprechenden Sachverhaltsdarstellung an die Korruptionsstaatsanwaltschaft heißt es, die Vernichtung von Datenträgern könnte die Tatbestände Betrug, Sach- und Datenbeschädigung und Unterdrückung von Beweismitteln erfüllen.
Kurz auf oe24.TV: 'Wenn Kern klagen will, dann soll er das tun'
ÖVP-Chef Sebastian Kurz nahm im oe24.TV-Studio ausführlich Stellung zu der Schredder-Affäre. In einer Neuauflage von Türkis-Blau schließt er Ex-Innenminister Kickl für alle Regierungsämter aus.
oe24.TV: In Österreich war medial einiges los, unter anderem die Schredder-Affäre. War das Schreddern einiger Festplatten durch einen Ihrer Mitarbeiter wirklich ein normaler Vorgang, wie Sie gesagt haben?
Sebastian Kurz: Es ist alles versucht worden, daraus einen Riesenskandal zu machen. Wie der Mitarbeiter das gemacht hat, war natürlich nicht korrekt. Aber die Frage, ob geschreddert wird oder nicht, die ist einfach zu beantworten: Das ist ein ganz normaler Vorgang. Christian Kern hat uns ja massiv dafür kritisiert, dass hier geschreddert wurde. Jetzt wurde bekannt, dass in seiner Amtszeit bei der Übergabe sogar sieben Festplatten geschreddert wurden.
oe24.TV: Kern widerspricht dieser Darstellung. Er sagt, es wurde geschreddert, aber von der IT-Abteilung des Kanzleramts und nicht von einem einzelnen Mitarbeiter.
Kurz: Das, was man uns zum Vorwurf machen kann, ist, dass ein Mitarbeiter nicht ganz korrekt gehandelt hat. Er hat das aber sicher nicht in böser Absicht gemacht, sondern er wollte übervorsichtig sein.
oe24.TV: Sie meinen, da wird skandalisiert?
Kurz: Ich habe den Eindruck, dass hier wüste Theorien gesponnen werden, etwa, dass das Ibiza-Video auf einer Festplatte war. Was hätten wir damit machen sollen? Hätten wir es ausdrucken sollen?
oe24.TV: Kern hat Ihnen ein Ultimatum gestellt: Wenn Sie die Aussagen nicht zurücknehmen, klagt er Sie.
Kurz: Wenn er das möchte, soll er das tun. Er hat mir bei meiner Übergabe weder Festplatten noch USB-Sticks noch sonst etwas in die Hand gedrückt.
oe24.TV: Jeder fragt sich jetzt: Was war denn auf diesen Festplatten?
Kurz: Das, was ausgedruckt wurde. In eineinhalb Jahren Regierungstätigkeit wurde sehr viel ausgedruckt: Sinnlose Kleinigkeiten, Tagesgeschäft, Interviewanfragen, unterschiedliche Protokolle, teilweise irrelevante, teilweise vom EU-Ratsvorsitz, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Da waren wahrscheinlich auch heikle Dokumente, die ausgedruckt wurden, wie Protokolle aus dem Nationalen Sicherheitsrat, die geheim sind. Also eine ganze Fülle von Dokumenten.
oe24.TV: In diesem Wahlkampf geht es sehr schmutzig zu – tiefer als 2017?
Kurz: Diesen Eindruck habe ich schon. Es sind gefälschte E-Mails aufgetaucht. Der Höhepunkt war jetzt aus meiner Sicht, dass der Tiroler Chef der Sozialdemokratie, Georg Dornauer, eine gefälschte E-Mail veröffentlicht hat, die der Volkspartei Korruption vorwirft. Und er hat sich bis heute nicht dafür entschuldigt.
oe24.TV: Wie hält es die ÖVP mit Herbert Kickl? Kann er wieder Innenminister werden?
Kurz: Unsere Haltung ist sehr klar. Wir wissen noch nicht, welche Koalition die nächste sein wird. Eines ist klar: Sollte ich eine Regierung wieder anführen und sollte die wieder mit der Freiheitliche Partei sein, dann kann Herbert Kickl nicht Minister sein. Er hat seine Chance im Innenministerium gehabt, und er hat gezeigt, dass er dafür nicht der Richtige ist.
oe24.TV: Sie schließen ein Regierungsamt für Kickl definitiv aus?
Kurz: So ist es. Ich halte Herbert Kickl auch für ein anderes Regierungsamt für die falsche Besetzung.
Schreddern bei der Kern-Übergabe mit Rechnung
- Was wurde bei Kern geschreddert? Sieben Festplatten aus dem Büro von Kern, Ex-Minister Thomas Drozda und Ex-Staatssekretärin Muna Duzdar. Drei Festplatten kamen direkt aus dem Kanzlerbüro.
- Was kostete das? Knapp 2.100 Euro – allerdings soll da die Beschaffung neuer Festplatten inkludiert gewesen sein.
- Wer schredderte? Eine nicht genannte Privatfirma – allerdings im offiziellen Auftrag des Kanzleramtes.
- Wer gab den Auftrag dafür? Unklar. Kern behauptete am Dienstag, die Beamten aus der IT-Abteilung hätten den Auftrag selbstständig erteilt.
- Gibt es Widersprüche? Ja. Kern hatte erst behauptet, bei seiner Amtsübergabe wäre nichts geschreddert worden. Am Dienstag sagte Kern dann, er habe nichts davon gewusst.
Schreddern vor Kurz-Abwahl unter falschem Namen
- Was wurde bei Kurz geschreddert? Offenbar fünf Festplatten – angeblich aus Druckern im Büro von Ex-Kanzler Sebastian Kurz.
- Was kostete das? 76 Euro – die Rechnung wurde allerdings erst nach Bekanntwerden des Skandals beglichen.
- Wer schredderte? Der Social-Media-Chef von Kurz. Er gab bei der Firma Reißwolf den falschen Namen Maislinger an.
- Wer gab den Auftrag dafür? Unklar. Der Kurz-Mitarbeiter machte dazu vor der Polizei keinerlei Angaben. Sebastian Kurz selbst sagte, er habe von der Aktion nichts gewusst.
- Gibt es Widersprüche? Ja. So hieß es zunächst, es sei nur eine Festplatte gewesen, am Ende waren es fünf. Darüber, was auf den Festplatten gespeichert war, existieren ebenfalls unterschiedliche Angaben.