Stein des Anstoßes
"Land der Töchter" steht vor Klage
21.01.2010
Sessler-Verlag verlangt von SPÖ-Bildungsministerin Schmied und der Austropopperin Stürmer, adaptierte Bundeshymne nicht mehr zu nutzen.
Um die von Christina Stürmer gesungene Pop-Version der Bundeshymne, die SPÖ-Unterrichtsministerin Claudia Schmied in ihrer PR-Kampagne für die "Bildungsreform für Österreich" einsetzt, ist ein Rechtsstreit entbrannt. Der Sessler-Verlag, der die Erben der Textdichterin Paula von Preradovic vertritt, verlangt von Stürmer und Schmied Unterlassungserklärungen. Die Begründung: Stürmer singt von der Heimat "großer Söhne und Töchter", diese Textveränderung sei ein "Eingriff in das Persönlichkeitsurheberrecht", so Verlags-Geschäftsführer Ulrich Schulenburg.
Hier geht's zur inkriminierten Version:
Textverfälschung unzulässig
Eine "poppige Version"
der Bundeshymne hält Schulenburg generell für eine "Absurdität",
"das kann nicht im Sinne des Staates sein". Der Sessler-Verlag
vertritt auch die Erben von Victor Keldorfer und Max Schönherr, von denen
die Chor- bzw. Orchesterbearbeitung der ursprünglich Wolfgang Amadeus Mozart
zugeschriebenen Freimaurerkantate stammt. "Vor allem geht es aber um
die Textverfälschung", so Schulenburg.
Werk "nicht antasten"
Der vom Verlag beauftragte
Rechtsanwalt, Georg Zanger, verlangt von Stürmer und dem
Unterrichtsministerium innerhalb von drei Tagen Unterlassungserklärungen.
Sollten diese bis Montag nicht einlangen, werde er eine Unterlassungsklage
einbringen und gleichzeitig versuchen, per einstweiliger Verfügung die
Ansprüche der Erben durchzusetzen. Diesen und dem Sessler-Verlag gehe es
dabei nicht um Geld, betonte Zanger, "sondern darum, dass das Werk
unangetastet bleibt".
Zustimmung der Erben
Zwar habe Dichterin von Preradovic der
Republik sämtliche Rechte vermacht, welche dafür bei jeder Aufführung
abseits von staatstragenden Anlässen, selbst bei einem Feuerwehrfest,
Tantiemen bezieht. "Das hat aber nichts mit den künstlerischen
Persönlichkeitsrechten zu tun", betont Zanger.
"In Hundertwasser hineinmalen"
Die Regierung habe
nicht das Recht, ohne Zustimmung der Erben das Werk zu verändern. Stürmer
unterstellte er "anmaßendes Vorgehen", man könne nicht über
den Kopf eines Künstlers hinweggehen und dessen Werk, das in einer
bestimmten Intention geschaffen wurde, verändern: "Ich würde ja
auch nicht in einen Miro oder einen Hundertwasser einfach etwas hineinmalen."
"Notwendige Anpassung"
Bei der Rechtsanwaltskanzlei
Lansky, Ganzger und Partner, die die für die Kampagne zuständige
Werbeagentur Lowe GGK vertritt, zeigt man sich über die Aufregung
verwundert. Von Preradovic habe den Text als Auftragswerk geschaffen und
alle Rechte an die Republik übertragen, so Gerald Ganzger. Selbst wenn die
Republik nicht der ausschließliche Rechteinhaber wäre, sieht Ganzger kein
Problem mit dem veränderten Text. Bei dem Zusatz "und Töchter"
handle es sich nämlich nicht um eine Bearbeitung, sondern eine bloße
Anpassung, die durch die Sensibilisierung im Umgang mit Sprache notwendig
geworden sei.
Qualität unverändert
Bei einem identitätsstiftenden
Werk wie der Bundeshymne sei es "rechtlich klar", dass der
Auftraggeber im Bedarfsfall Anpassungen vornehmen dürfe. Immerhin schließe
der Originaltext 50 Prozent der Bevölkerung aus, so Ganzger. Außerdem seien
durch den Zusatz "und Töchter" weder Sinn noch Qualität des
Textes verändert worden.
Bei der musikalischen Interpretation stelle sich die Frage, welche Version Stürmer "bearbeitet" haben solle, so Ganzger. Die aus dem 18. Jahrhundert stammende Freimaurerkantate sei schließlich urheberrechtsfrei.
Kampagne läuft weiter
Das Unterrichtsministerium sieht
trotz der angekündigten Unterlassungsklage keinen Anlass, die Pop-Version
der Bundeshymne zu stoppen. Das Ministerium werde die Unterlassungserklärung
nicht abgeben, die jener Verlag verlangt hat, der die Rechte der
Textdichterin Paula von Preradovic vertritt. "Wir stehen etwaigen
rechtlichen Schritten vollkommen gelassen gegenüber", so ein
Sprecher von Ministerin Schmied.
Auch Christina Stürmer dürfte vorerst keine Unterlassungserklärung unterschreiben. "Es besteht noch überhaupt kein Anlass zu handeln", so ihr PR-Berater Bernd Rengelshausen. Das Ministerium fürchte keine rechtlichen Schritte, "also wieso soll Christl Stürmer sich Sorgen machen?"