Die große oe24-Wahlanalyse
Lieber einen Kanzler mit Kanten als blaue Softies
30.09.2019
258.000 Wähler hat die FPÖ an die ÖVP verloren, weitere 235.000 Ex-HC-Fans pfiffen auf die Wahl: Spesen-Wahnsinn und der Anbiederungs-Kurs Norbert Hofers zerbröselten die FPÖ und verhalfen Sebastian Kurz zum Rekordsieg. Hier die ganze oe24-Wahlanalyse:
Die SORA-Wählerstromanalyse in Kombination mit vielen Telefonaten mit den Parteimanagern liefern gute Gründe, warum die Nationalratswahl doch etwas überraschend ausging: Unerwartet positiv vor allem für Sebastian Kurz, für den eigentlich nur ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner ein Ergebnis von 38 % prophezeit hat.
Was machte die ÖVP so stark? Erstens die Schwäche der FPÖ. "Aber das war gar nicht so diese ganze Ibiza-Kiste, unsere Freunde hat das ziemlich unbeeindruckt gelassen - vor allem das Gerede um einen Zeitungs-Kauf und die Parteispenden. Beides hat kaum aufgeregt, wir blieben im Sommer in den Umfragen stabil auf 20 % ", schildert ein Parteimanager der FPÖ die Entwicklung. Erst der "Spesen-Wahnsinn" um Ex-FPÖ-Chef Strache und Norbert Hofers Partei-Gartenzaun hätten die Umfragewerte schlagartig um vier Prozentpunkte gedrückt.
Beerbt Kickl Strache und Hofer?
Die ÖVP hätte aber noch zusätzlich von der FPÖ profitiert: Der Anbiederungs-Schmuse-Kurs Norbert Hofers an den Ex-Koalitionspartner hätte viele FPÖ-Sympathisanten genervt: "Speziell unsere Leut' wollen eine starke Partei, nicht einen Kuschel-Softie-Verein, der um Liebe buhlt", erwartet ein Wiener Parteifunktionär auch schon die Ablöse Hofers von der Parteispitze, Herbert Kickl wäre "durchaus bereit" zu übernehmen. Die Ironie dieses Sommers: Jene, die den fallweise bissigen "Schäferhund" Strache abschossen, machten damit einen Wolf zum FPÖ-Chef.
Warum die SPÖ derart katastrophal abschnitt, zeigen ebenfalls die Wählerstromanalyse und eindeutige Statements aus der Löwelstraße: Anstatt mit klaren harten Aussagen beim hippen Klima-Thema zu punkten, rann die Partei Richtung Grüne aus. 193.000 Österreicher wählten diesmal die Grünen und nicht mehr die Sozialdemokratie. "Zu schwammig, zu weich", wären laut einem SPÖ-Insider die Formulierungen von Pamela Rendi-Wagner gewesen. Zitat: "Mit Liebsein allein lässt sich keine Wahl gewinnen." Ebenfalls schmerzhaft für die Sozialdemokraten: An den von Rendi-Wagner besonders häufig attackierten Sebastian Kurz gingen 74.000 frühere SPÖ-Stimmen. Für eine erfolgreiche Erneuerung der Partei wird's nicht reichen, allein den vifen Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda zu verabschieden.
Grüne surfen am Greta-Effekt
Weshalb die Grünen derart feiern konnten? Es waren vermutlich weniger die Hemden ihres Spitzenkandidaten Werner Kogler - die Grünen konnten einfach perfekt den Greta-Hype nutzen. Sie wanderten brav bei den Fridays-for-Future-Demos mit und formulierten deutlich knalliger als die Sozialdemokraten, die im selben Teich fischten.
Dazu kam, dass die Grünen blitzartig ihren Ex-Parteifreund Christoph Chorherr fallen ließen, als ÖSTERREICH und andere Medien über dessen teure Hütten jenseits von Afrika schrieben. Der Korruptionskrimi um Flächenwidmungen, Immobilienhaie und Spendenmillionen schadete wenig bis gar nicht, was bei der kommenden Wien-Wahl im Herbst 2020 anders sein könnte.
Fleißig allein reicht nicht
Für die NEOS spulte die tapfer kämpfende Beate Meinl-Reisinger brav und fleißig einen fehlerfreien Wahlkampf ab. Immerhin 83.000 ÖVP-Sympathisanten konnte Meinl-Reisinger laut SORA-Institut zu ihrer Partei umleiten, allerdings flüchteten auch 91.000 Ex-NEOS-Fans zu den Grünen. Vielleicht nahm man den NEOS auch nicht wirklich ab, absolut "supersauber" zu sein, wenn ein reicher Bauunternehmer die Partei sponsert.
Und Peter Pilz wird jetzt Journalist - sein größtes Problem dabei: Für weitere Vorwürfe gegen politische Mitbewerber fehlt ihm in Kürze die parlamentarische Immunität. Und das könnte für ihn teuer werden.
Richard Schmitt