TV-Duell

Die Analyse von Wolfgang Fellner

19.05.2016

Ein TV-Duell zum Einschlafen - aber eine Stichwahl, die zum Thriller wird.

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Das TV-Duell der beiden Hofburg-Kandidaten geriet gestern zur medialen Schlaftablette. Offenbar noch schwer geschockt vom negativen Echo, das ihre Schlammschlacht bei ATV hervorgerufen hatte, wirkten beide Duellanten diesmal so, als hätten sie vor der ORF-Diskussion eine ganze Packung Valium geschluckt.

Sowohl Hofer als Van der Bellen sind von ihren Beratern entweder durch ganze Waschgänge von Weichspüler geschickt worden - oder es ist ihnen drei Tage vor dem Wahltag die Kraft aus- und die Energie verlorengegangen. Da war kein Feuer mehr - sondern nur noch 90 Minuten höchste Fadesse.

Damit endet ein Wahlkampf, der zeitweise eher politischem Wrestling geglichen hat, extrem zahm, übertrieben seriös, fast amikal.

Die Wähler bleiben verblüfft zurück: Sind die beiden wirklich sooooo lieb?

Die Wähler, die sich auf ein dramatisches und brutales Finish dieser Richtungs-Wahl eingestellt haben, bleiben verblüfft zurück: Sind die beiden wirklich so lieb? Oder haben sie die "braven Bubis" nur gespielt?

Das Wahl-Duell am Sonntag wird jedenfalls deutlich dramatischer als das Fernseh-Duell - denn die Dynamik und auch die letzten Umfragen der letzten Woche lassen vermuten, dass Van der Bellen seinem Gegner Hofer diesmal deutlich knapper auf den Fersen sein wird als beim 1. Wahlgang.

Norbert Hofer ist seit seinem überlegenen Sieg im April der erklärte Favorit für die Stichwahl. Die letzten Umfragen zeigen: Bei der Gesamtbevölkerung liegt Hofer deutlich in Führung - mit bis zu 55 : 45 Prozent.

Die selben Umfragen zeigen aber auch: Bei jenen Österreichern, die wirklich zur Wahl gehen und fix entschlossen sind, wen sie wählen werden (und das sind nur 70 %), führt völlig überraschend Van der Bellen.

Hofers Wähler sind offenbar zu einem großen Teil jene Protest- und Wut-Bürger, die eher nicht zur Wahl gehen wollen - und die Hofer mit aller Kraft mobilisieren muss, um zu siegen. Ob ihm das mit diesem Einschlaf-Duell gestern gelungen ist, darf bezweifelt werden.

Hat der Faymann-Rücktritt dem Hofer- Wahlkampf die Dynamik gekostet ?

Der Faymann-Rücktritt hat Hofer Protest-Wahlkampf zusätzlich Dynamik gekostet. Viele Wut-Wähler fragen sich plötzlich, ob nach dem Regierungswechsel zu Kern und der neuen Aufbruchstimmung in der Regierung ein so brutales Protest-Signal wie ein FPÖ-Präsident überhaupt noch nötig ist.

Van der Bellen könnte also vom Faymann-Rücktritt und der neuen Kern-Euphorie durchaus profitieren - als der weniger risikoreiche, weniger brutale, weniger wütende Kandidat in der Hofburg.

Das TV-Duell hat bei der Mobilisierung für die Wahl am Sonntag eher geschadet als genützt - denn begeistert hat es niemand. Damit könnte Hofer, obwohl er das Duell meiner Meinung nach in Punkten knapp gewonnen hat, der Verlierer dieses letzten TV-Auftritts sein. Weil er seine Wähler eingeschläfert hat.

Vielleicht hat der Valium-Auftritt Hofer aber auch die entscheidenden Stimmen aus der unentschlossenen Wähler-Mitte gebracht, weil die Griss- und Khol-Fans endlich gesehen haben, dass man sich vor Hofer nicht fürchten muss.

Diese Stichwahl wird so knapp, so schwer vorauszusagen, so unetnschieden, dass alles möglich ist: Ein Hofer-Erdrutsch (vor allem am Land), wenn viele wählen gehen - oder ein Van der Bellen-Sensationssieg.
Wir erleben einen Thriller - obwohl wir gestern fast alle eingeschlafen sind. Aber der Sonntag wird spannender.

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