Reform kommt in drei Etappen
Lögers 4,5-Milliarden-Steuerplan
12.01.2019Bis 2022 sollen Steuern und Abgaben um weitere 4,5 Milliarden Euro sinken. Der Plan.
Ist es nicht doch etwas weniger geworden als erhofft? Tatsache ist, dass die türkis-blaue Regierung nach dem 1,5 Mrd. Euro schweren Familienbonus 2019 Steuern und Sozialversicherungsbeiträge ab 2020 weiter um insgesamt 4,5 Mrd. Euro absenken will. Hier der Plan von Finanzminister Hartwig Löger – und was Sie davon haben könnten. Könnten deshalb, weil einiges offen ist.
■ 2020: Kleine. Konkret sollen die Krankenversicherungsbeiträge für Einkommen unter 1.900 Euro gesenkt werden – das kostet 700 Mio. Davon profitieren zwei bis drei Mio. Geringverdiener und -rentner mit bis zu 350 Euro
Jahr. Zudem wird die Werbungskostenpauschale angehoben, dazu winken Steuerzuckerl für umweltfreundliche Autos z. B. bei der NoVA.
■ 2021: Lohn- und Einkommensteuer gesenkt. Volumen bis zu 2 Mrd. Euro (noch nicht sicher). Im Schnitt wären das 500 € pro Kopf und Jahr. Steuerexperte Christoph Schmidl (Grant Thornton IBD Austria) rechnete für ÖSTERREICH schon mal die Maximalvariante aus (siehe Tabelle unten).
■ 2022: Unternehmer. 1,5 Mrd. Entlastung durch die Senkung der Körperschaftsteuer in Richtung 20 % – oder Steuerfreiheit nicht entnommener Gewinne.
2022 – das stellt Löger klar – wird die kalte Progression abgeschafft. Ab 2023 können dann Lohnerhöhungen in vollem Ausmaß auch netto spürbar werden. G. Schröder
Löger: "Jeder wird die Entlastung spüren"
ÖSTERREICH: 4,5 Milliarden – drei Stufen. Warum ist die Entlastung nicht größer geworden?
HARTWIG LÖGER: Wenn man den Familienbonus Plus dazunimmt, sind es mehr als 6 Milliarden Entlastung – und das ohne neue Steuern und Schulden. Das ist ein völlig neuer Weg, der für alle spürbar wird – und der auch nachhaltig ist.
ÖSTERREICH: 2020 werden Sozialversicherungsbeiträge für Kleinverdiener gesenkt. Was kann der Einzelne erwarten?
LÖGER: Wir setzen bewusst bei den Geringverdienern an. Rund 3 Millionen Bürger mit niedrigen Einkommen werden eine deutliche Entlastung spüren und tatsächlich mehr Geld in der Tasche haben. Denn im Bereich der Sozialversicherung sind das schon einige Hundert Euro im Jahr.
ÖSTERREICH: 2021, da sinkt der Lohnsteuertarif. Wie stark? Es geht da um bis zu 2 Milliarden.
LÖGER: Wir haben das Volumen noch nicht endgültig fixiert, aber klar ist: Hier wird es für kleine und mittlere Tarifstufen eine deutliche Entlastung geben. Gleichzeitig wird es durch Pauschalierungen zu wesentlichen Vereinfachungen kommen: Es wird dadurch verständlicher, wie man vom Brutto zum Netto kommt.
ÖSTERREICH: Dritter Schritt ist eine Entlastung der Wirtschaft 2022. Wird die Körperschaftssteuer auf 20 % gesenkt?
LÖGER: Es gilt, den Standort Österreich zu stärken, Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen. An der Konkretisierung der Maßnahmen wird noch gefeilt, aber natürlich ist die Senkung der KöSt eine der logischen Komponenten.
ÖSTERREICH: Und was ist mit der kalten Progression, die Ihnen automatisch einige Milliarden pro Jahr in die Kassen spült? Wann schaffen Sie die ab?
LÖGER: Wir werden die kalte Progression in dieser Legislaturperiode abschaffen. Bis dahin setzen wir auf anderen Wegen klare Schritte zur Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen.
ÖSTERREICH: Sie sind etwas vorsichtiger geworden: Hat das damit zu tun, dass Sie ab heuer Überschüsse machen wollen?
LÖGER: Ja, wir wollen die Entlastung nicht durch neue Schulden erkaufen.
ÖSTERREICH: Eine neue Steuer führen Sie sehr wohl ein: die Digitalsteuer. Mit 200 Millionen erwarten sie da auch relativ viel an Einnahmen. Wie geht das?
LÖGER: Mit diesen Maßnahmen fordern wir die großen internationalen Konzerne dazu auf, einen fairen Beitrag zur Steuergerechtigkeit zu leisten. Dabei orientieren wir uns am EU-Modell und führen eine 3-prozentige digitale Konzernsteuer auf Online-Werbung ein. Wir schließen auch eine Steuerlücke im Online-Versand und nehmen als 3. Schritt Online-Vermittlungsplattformen stärker in die Pflicht. (gü)
Wiens Finanzstadtrat Peter Hanke hält von den türkis-blauen Steierplänen nicht viel.
Hanke: "Am Ende bleibt zu wenig Netto vom Brutto"
ÖSTERREICH: Die Bundesregierung plant bis 2022 eine Entlastung von 4,5 Milliarden. Was sagen Sie dazu?
Peter Hanke: Ich hätte mehr erwartet. Wir reden über Aktivitäten, die erst im Jahr 2021 spürbar werden und wir haben jetzt erst Jänner 2019. Da hätte ich mir für die Wienerinnen und Wiener erwartet, dass man eine steuerliche Entlastung früher schafft.
ÖSTERREICH: Es ist aber vorgesehen, dass die Sozialversicherungsbeiträge schon 2020 für Geringverdiener sinken.
Hanke: Das ist mir aber zu unkonkret. Ich würde erwarten, dass es eine Konkretisierung und Klarstellung gibt, sodass man wirklich errechnen kann, was das für den Einzelnen wirklich bedeutet.
ÖSTERREICH: Sind Ihnen 4,5 Milliarden Volumen zu wenig?
Hanke: Das kann sehr viel sein, es geht ja darum, welche Bevölkerungsgruppe das Geld bekommt. Wir brauchen eine echte Steuerstrukturreform, die kleinere und mittlere Einkommen stärker berücksichtigt. Die sehe ich nicht.
ÖSTERREICH: Die kalte Progression wird 2022 abgeschafft, das wirkt dann ab 2023 …
Hanke: … das reicht mir nicht. Was helfen uns hohe Abschlüsse bei den Kollektivverträgen, wenn am Ende netto für die einzelnen Betroffenen nicht mehr übrig bleibt? (gü)