Entgegenkommen
Maastricht-Grenze für Pröll kein biblisches Gebot
31.10.2008
Der ÖVP-Chef kommt der SPÖ angesichts der Wirtschaftskrise entgegen. Er will einen "großen konzentrierten Wurf" bei der Steuerreform.
Nach dem gereizten Klima der letzten Runde bei den Koalitionsverhandlungen kommen jetzt versöhnliche Töne aus der ÖVP: Parteichef Josef Pröll kann sich im ÖSTERREICH-Interview ein höheres Defizit als die Maastricht-Grenze von 3,5 Prozent vorstellen – das sind derzeit rund zehn Milliarden Euro. Und: Pröll stemmt sich jetzt nicht mehr gegen eine Steuerreform, die schon 2009 in Kraft tritt.
Beide Punkte sind für die SPÖ wichtig. In der großen Verhandlungsrunde am Donnerstag war gestritten worden, ob man mit Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit – Konjunkturpaket und Steuerreform – die Maastricht-Grenze überschreiten soll: Die SPÖ sagt ja, doch die ÖVP pochte noch auf deren Einhaltung.
Es steht Spitz auf Knopf
Was aber die Vorgangsweise bei den
Verhandlungen betrifft, bleibt Pröll dabei: Bis kommende Woche müsse ein
Budgetrahmen vereinbart werden, an dem sich die Verhandler der acht
Arbeitsgruppen orientieren müssen. Pröll: „Ja, wir werden wohl oder übel
auch neue Schulden in Kauf nehmen müssen. Aber mit Maß und Ziel.“ Also geht
es für die neue Große Koalition diese Woche um alles. Die ÖVP hat mit dieser
Dramatisierung der Verhandlungen die Initiative ergriffen – was die SPÖ
zunehmend irritiert.
SPÖ misstrauisch
Denn genau der von Pröll geforderte
Budgetrahmen macht die SPÖ misstrauisch: Werner Faymann befürchtet, dass
dieses Limit eine von ihm geführte Regierung im Kampf gegen die
Arbeitslosigkeit einengen würde – und dass ein wesentlich höheres Defizit
als die drei bis dreieinhalb Prozent nötig sein werde. Faymann würde lieber
Einigungen über Steuerreform und Investitionen in Bildung, Standort und
Infrastruktur vereinbaren – und erst danach über das Defizit reden.
Pröll Finanzminister, Beyrer Staatssekretär?
In der ÖVP
setzt sich zudem die Überzeigung durch, dass Pröll den Finanzminister selbst
machen und Wilhelm Molterer ablösen soll. Doch auch das birgt Sprengstoff:
Pröll würde sich gern Industrie-Generalsekretär Markus Beyrer als starken
Finanzstaatssekretär zur Entlastung holen: Doch damit hätte die SPÖ keine
Vertrauensperson mehr im Finanzministerium – aus SPÖ-Kreisen kommt zu dem
Plan deshalb schon ein Nein.
ÖSTERREICH: Die ÖVP spricht jetzt von einer Woche der
Entscheidung. Warum? |