Kindergeld-Streit
Marek ortet bewusste Eskalation der SPÖ
02.07.2009
Vermutet absichtliche Blockade des Kindergelds. Hosek sieht kein Problem.
ÖVP-Familienstaatssekretärin Christine Marek verteidigt die Linie der ÖVP bei der Verlängerung des Kindergeld-Bezuges für Alleinerzieherinnen. Mit der Forderung der SPÖ, Alleinerzieherinnen generell einen längeren Kindergeld-Bezug zu ermöglichen, wäre das Ziel der Regierung gefährdet, die Väterbeteiligung bei der Karenz zu erhöhen, so Marek. Außerdem würde diese Maßnahme eine "Diskriminierung von Paaren" bedeuten und Missbrauch Tür und Tor öffnen.
Echte Härtefälle könnten aus ihrer Sicht auch anders abgefangen werden - etwa über die geplante Mindestsicherung.
Gefahr von Missbrauch
Sollten Alleinerzieherinnen die
Möglichkeit erhalten, generell ohne Beteiligung des anderen Elternteils
länger in Karenz zu gehen, dann würde das "Missbrauch Tür und
Tor öffnen", befürchtet Marek. Ein längerer Kindergeld-Bezug für
alle Eltern, deren Partner nicht im gemeinsamen Haushalt wohnt, wäre "ein
massiver Anreiz, das tatsächlich so hinzubauen", betont Marek: "Warum
soll dann überhaupt noch jemand miteinander offiziell im gemeinsamen
Haushalt leben und sich dazu bekennen, Kinder gemeinsam großzuziehen, wenn
es so viel lukrativer ist, das so zu handlen?"
Väterbeteiligung wäre weg
Marek möchte den längeren
Kindergeld-Bezug daher auf Härtefälle beschränken, wo der Partner etwa
verstorben ist, nach Gewaltanwendung polizeilich weggewiesen wurde oder im
Gefängnis sitzt. "In dem Moment, wo man das für alle aufmacht, ist
die Väterbeteiligung an der Karenz weg", meint Marek. Für darüber
hinaus gehende soziale Härtefälle müsse es daher andere Lösungen geben: "Für
die müssen andere Instrumente der sozialen Sicherung greifen",
verweist Marek auf die geplante Mindestsicherung. Diese sei "genau für
diese Fälle gemacht."
"SPÖ hat absichtlich eskaliert"
Der SPÖ wirft
Marek vor, den Konflikt bewusst herbeigeführt zu haben. Sie kritisiert, dass
SPÖ-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek bereits eine Pressekonferenz zu
dem Thema angesetzt hat: "Das bestätigt schon sehr den Verdacht, dass
das von langer Hand geplant war, dass die Eskalation ganz bewusst
herbeigeführt wurde und dass es einen Auftrag dazu gegeben hat."
Heinisch-Hosek sieht kein Problem
Die rote Frauenministerin geht
davon aus, dass das einkommensabhängige Kindergeld trotz der Reibereien mit
1. Jänner 2010 in Kraft treten kann. Sie befürchtet, dass die
Kindergeldreform eine "doppelte Diskriminierung" für
Alleinerzieherinnen bringen könnte - und zwar erstens, weil diese Frauen
nicht die gesamte Kindergeld-Dauer ausschöpfen können (zumindest zwei Monate
sind für den Partner reserviert) und zweitens wegen des wegfallenden
Kindergeldzuschusses für Niedrigverdiener.
Mindestsicherung keine Lösung
Die geplante Mindestsicherung
sieht Heinisch-Hosek nicht als adäquaten Ersatz für den Zuschuss, weil diese
Sozialleistungen an die Bereitschaft der Bezieher geknüpft wird, einen Job
anzunehmen: "Ich will nicht, dass sich eine Frau das Kind auf den
Rücken binden muss, weil sie arbeitsfähig sein muss."
Kindergeld-Zuschuss geringer
Die Frauenministerin will daher
diesen Frauen die Möglichkeit geben, in allen vier Kindergeld-Varianten zwei
Monate länger in Karenz zu bleiben. Die Mehrkosten dafür beziffert sie mit
zehn bis 20 Mio. Euro jährlich. Finanziert werden könnte das unter anderem
durch eine Neuregelung des Kindergeld-Zuschusses: Der soll laut
Heinisch-Hosek sozial treffsicherer (und damit für den Staat billiger)
werden, dafür aber kein rückzahlbares Darlehen mehr sein, sondern eine echte
Sozialleistung.
Sicher kein Missbrauch
Das Argument der ÖVP, ein verlängertes
Kindergeld für Alleinerzieherinnen würde zu Missbrauch anregen, weist
Heinisch-Hosek zurück. "Das macht mich fast ein bisschen
fassungslos", verwehrt sie sich gegen den Vorwurf, die Eltern würden
sich in diesem Fall gezielt als Alleinerzieherinnen darstellen, auch wenn
sie es nicht sind. Schließlich gebe es Möglichkeiten für die Behörden, das
zu überprüfen - etwa den Unterhaltsbescheid, mit dem der andere Partner zu
Unterhaltszahlungen verpflichtet wird.
Neuregelung im Detail
Auch wenn das Kindergeld in reformierter
Form vorerst auf Eis liegt, die Eckpunkte hat die Koalition bereits geklärt.
Demnach soll es für Eltern künftig die Möglichkeit geben, kürzer als bisher
(nämlich maximal 14 Monate) in Karenz zu gehen, dafür aber mit deutlich
höheren Bezügen zwischen 1.000 und - abhängig vom vorherigen Einkommen -
maximal 2.000 Euro. Auch die Zuverdienstgrenze wird einkommensabhängig neu
geregelt. Ein Überblick:
VARIANTEN: Bisher können Eltern zwischen drei verschiedenen Formen des Kindergelds wählen. Dabei gelten zwei Grundsätze: Je länger das Kindergeld bezogen wird, desto geringer ist die monatliche Unterstützung. Und die volle Bezugsdauer kann nur ausgeschöpft werden, wenn sowohl die Mutter als auch der Vater in Karenz gehen. Die maximale Bezugsdauer liegt bei 36 Monaten, wobei der zweite Elternteil mindestens sechs Monate davon in Karenz gehen muss. Die staatliche Unterstützung beträgt in dieser Variante 436 Euro monatlich. Seit Anfang 2008 stehen den Eltern zwei weitere Varianten zur Verfügung: Nämlich 624 Euro monatlich für maximal zwei Jahre (20 plus 4 Monate) sowie 800 Euro für 18 Monate (15 plus 3). 2010 soll nun eine weitere Bezugsvariante dazukommen: Wer nur 14 Monate (12 plus 2) in Karenz geht, erhält mindestens 1.000 Euro oder, wenn das im Einzelfall günstiger ist, 80 Prozent des letzten Nettoeinkommens. Die maximale Unterstützung soll 2.000 Euro monatlich betragen. ZUVERDIENSTGRENZE: Bisher durften Kindergeld-Bezieher nicht mehr als 16.200 Euro jährlich dazu verdienen, andernfalls drohte eine Rückzahlung. Ab 2010 wird diese starre Grenze flexibilisiert und kann, wenn das im Einzelfall günstiger ist, auch 60 Prozent des letzten Nettoeinkommens betragen. Ausnahme: Wer das einkommensabhängige Kindergeld in Anspruch nimmt und mehr als 1.000 Euro bekommt, der darf nur bis zur Geringfügigkeitsgrenze (357,74 Euro) dazuverdienen, weil die monatliche Unterstützung in diesem Fall als Einkommensersatz gedacht ist. MEHRLINGSZUSCHLAG: Eltern von Mehrlingen sollen künftig das eineinhalbfache Kindergeld bekommen. Bisher wird diese Unterstützung nur in der untersten Kindergeld-Variante ausgezahlt (die Eltern erhalten damit statt 436 Euro monatlich 654 Euro). Künftig gilt der Zuschlag auch für die meisten anderen Varianten (also 936 statt 624, 1.200 statt 800 und 1.500 statt 1.000 Euro). Ausnahme: Wer im einkommensabhängigen Kindergeld mehr als 1.000 Euro erhält, muss auch weiterhin ohne den Mehrlingszuschlag auskommen. KINDERGELDZUSCHUSS: Der Kindergeldzuschuss für Geringverdiener (rund 180 Euro monatlich) wird mit einem Ablaufdatum versehen: Sobald die Mindestsicherung in Kraft tritt, die künftig dafür sorgen soll, dass niemand mehr mit weniger als 733 Euro Monatsnetto auskommen muss, wird der Kindergeldzuschuss gestrichen. ALLEINERZIEHERINNEN: Zwischen SPÖ und ÖVP noch umstritten ist die Frage, wie lange Alleinerzieherinnen das Kindergeld beziehen können. Sie stehen ja schon derzeit vor dem Problem, dass die volle Bezugsdauer nur ausgeschöpft werden kann, wenn auch der Partner oder die Partnerin in Karenz geht. Die SPÖ möchte Alleinerzieherinnen daher grundsätzlich zwei zusätzliche Karenzmonate ermöglichen. Die ÖVP wittert hier allerdings Missbrauchs- und Umgehungsmöglichkeiten und will die zwei zusätzlichen Monate nur Alleinerzieherinnen in Härtesituationen gewähren (etwa wenn der Partner verstirbt, im Gefängnis ist oder der Partner wegen Gewalt polizeilich weggewiesen wurde). |