5,5 Jahre für Politiker
Martinz: Schock nach Haft-Urteil
02.10.2012
Experten streiten über Haftstrafe - Martinz: „Albtraum wurde wahr“.
Ossiach, die Heimatgemeinde von Josef Martinz, am Tag nach dem 5,5-Jahre-Urteil: Die Stimmung im Ort ist geteilt. „Wenn Martinz 5,5 Jahre bekommt, dann muss der Elsner 100 Jahre ins Gefängnis“, sagt Hans H., Pensionist. „Er hat das Geld ja nicht für sich genommen, sondern für die Partei.“
Martinz sieht es genauso. Nach dem Urteil hat er sich zu seiner Familie zurück gezogen. Gemeinsam mit seiner Frau betreibt er den größten Campingplatz am Ossiacher See. „Mit dem Urteil ist ein Albtraum wahr geworden“, beschreibt Martinz seine ganze Verzweiflung: „Das Verfahren war ein Schauprozess. Ich bin ein Opfer der Polit-Justiz.“
Ins Gefängnis muss Martinz auf jeden Fall
Martinz hat das Urteil schwer getroffen. Seine Lippen wurden schmal, die Adern an seinen Schläfen pulsierten. Sein Kopf war hochrot, seine Miene versteinert.
In diesem Moment wurde ihm wohl bewusst, was 5,5 Jahre bedeuten. Selbst wenn bei der Berufung das Strafmaß reduziert werden sollte – ins Gefängnis muss Kärntens Ex-VP-Chef auf jeden Fall.
Sechs Haftanstalten
ÖSTERREICH fragte bei Peter Prechtl nach, dem stellvertretenden Leiter der Vollzugsdirektion: „Sechs Haftanstalten kommen für Martinz in Frage. Darunter die drei großen Strafanstalten Stein in Krems, Graz Karlau und Garsten (OÖ) und drei kleinere. Aber da Herr Martinz aus Klagenfurt kommt, wäre Graz-Karlau die nächstgelegene Anstalt.“
Doch bis zu seinem tatsächlichen Haftantritt wird es noch viele Monate, wenn nicht Jahre dauern. Sofort nach Urteilsverkündung meldete Martinz’ Anwalt Alexander Todor-Kostic Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Erst nachdem das schriftliche Urteil fertig ist, kann die Nichtigkeitsbeschwerde eingebracht werden.
Kritik an Urteil
Die Härte des Urteils gegen Martinz und die beiden Vorstände der Kärntner Landesholding (sie fassten 2 und 3 Jahre unbedingt aus) löste eine heftige Expertendiskussion aus. Der Innsbrucker Strafrechtler Klaus Schweighofer meint: Vier Jahre wäre das höchste gewesen, was ich als angemessen für einen unbescholtenen Mann beurteilen würde.“ Ganz anders sieht es der Linzer Strafrechtler Alois Birkelbauer: „Fünf Jahre sind angemessen – wegen des hohen Schadens.“
Fußfessel für Birnbacher ?
Dietrich Birnbacher hat vor Gericht gestanden. Deshalb kam er mit einem milden, teilbedingten Urteil davon. Dennoch erbat er sich Bedenkzeit: „Am Donnerstag werden wir entscheiden“, sagt sein Anwalt Richard Soyer zu ÖSTERREICH, „ob wir das Urteil annehmen.“
- Fußfessel-Kandidat: Der Linzer Strafrechtler Alois Birkelbauer hält Birnbacher für einen klassischen Fußfessel-Kandidaten: „Nachdem das Gericht in erster Instanz kein Fußfesselverbot ausgesprochen hat, wäre es denkbar, diese Freiheitsstrafe im elektronisch überwachten Hausarrest zu vollziehen.“
- Erdbeben ausgelöst: Seit seinem Geständnis bleibt in Kärnten kein Stein auf dem anderen: „Ein solches politischen Erdbeben habe ich nicht erwartet“, sagte er nach dem Urteil.
»Katastrophe für gesamtes Politik-Image«
ÖSTERREICH: Welche Auswirkungen hat das Urteil auf die Politik?
Peter Filzmaier: Derzeit gibt es ein Pauschalurteil gegen die Politik, die in den Augen der Österreicher unseriös wirtschaftet und teilweise korrupt ist. Deswegen muss man sagen, ist die momentane Stimmung eine demokratiepolitische Grundkatastrophe.
ÖSTERREICH: Und auf Kärnten bezogen?
Filzmaier: Die ÖVP hat sich von Martinz getrennt und versucht, Schadensbegrenzung zu betreiben – wenn auch auf niedrigem Niveau. Das schlechte Image kann nicht mehr größer werden. Die FPK hingegen hat sich für die Strategie Durchtauchen entschieden. Wenn weitere Anklagen oder Urteile bei Dörfler, Scheuch oder Dobernig nachkommen, dann fällt sie noch tiefer.
ÖSTERREICH: Nächste Woche ist der 4. Todestag von Haider. Ist er vom posthumen Helden nun zum Buhmann geworden?
Filzmaier: Ja, obwohl man hier noch immer zwischen südlich und nördlich des Packsattels unterscheiden muss. Haiders Image außerhalb von Kärnten war schon immer beschädigt, in Kärnten hat es nun Risse bekommen. Denn wäre er noch am Leben, würde er sich derzeit im Gerichtssaal befinden.
ÖSTERREICH: Welche Auswirkung wird das Birnbacher-Urteil auf Wahlen haben?
Filzmaier: Dass neue Parteien die Chancen haben, zweistellig zu werden. Das wäre vor zehn Jahren unmöglich gewesen.