Das sagt ÖSTERREICH
Jetzt kommt es zum Kanzler-Duell
09.06.2024Das sagt ÖSTERREICH – ein Kommentar von Chefredakteur Niki Fellner.
Die FPÖ hat bei der EU-Wahl den prognostizierten Platz 1 eingefahren und ist der Wahl-Sieger. Das blaue Ergebnis ist historisch – noch nie war die FPÖ bei einer bundesweiten Wahl auf Platz 1. Der ganz große blaue Erdrutsch war es im Endeffekt dann aber auch nicht – die erträumten 30 % sind sich (noch) nicht ausgegangen.
Herbert Kickl wird dennoch mit einem ordentlichen Turbo in den Nationalratswahlkampf gehen. Die Wahlmotive bei der EU-Wahl haben gezeigt, dass die FPÖ genau jene Themen besetzt, die den Menschen am meisten unter den Fingernägeln brennen: Unzufriedenheit mit der Regierung und Migration. Dennoch: Eine „gmahde Wiesn“ ist die Nationalratswahl für die FPÖ noch lange nicht.
Nehammer muss jetzt alles auf Duell setzen
Die ÖVP hat gestern zwar brutal verloren – rund 10 Prozent Minus sind nicht schönzureden. Der türkis-schwarze Super-GAU ist aber (vorerst) ausgeblieben. Die ÖVP hat den (zumindest psychologisch wichtigen) Platz 2 vor der SPÖ verteidigt und liegt in Schlagdistanz zur FPÖ.
Karl Nehammer wird jetzt alles daransetzen, ins Zweier-Kanzler-Duell gegen Kickl zu gehen. Der knappe Abstand bei der EU-Wahl gibt ihm da tendenziell leichten Rückenwind, wenn auch mit vertauschten Rollen: Nehammer als Herausforderer und Kickl als klarer Favorit. Die Frage, die über Nehammers Schicksal im Herbst entscheidet, wird sein: Ist die Wut der Österreicher auf die Regierung oder die Angst vor einem Volkskanzler Kickl größer?
SP droht, zwischen FP& VP zerrieben zu werden
Die SPÖ ist der eigentliche Verlierer der EU-Wahl. Die roten Verluste sind zwar deutlich geringer als jene der ÖVP – Platz 3 ist aber eine mittlere Katastrophe. Dass sogar der völlig farblose Reinhold Lopatka am Ende vor der SPÖ liegt, ist alles andere als ein gutes Omen für den roten Wahlkampf. Andreas Babler wird es in den kommenden Wochen schwer haben, diese Negativ-Stimmung wieder zu drehen. Wenn er Pech hat, bleibt er auch im Wahlkampf als Dritter außen vor und geht im Zweikampf zwischen Kickl und Nehammer unter.
Bei den Grünen ist das ganz große Desaster zwar ausgeblieben. Lena Schilling hat angesichts der Vorwurfs-Lawine einen Achtungserfolg eingefahren. Die Debatte über ihre Parteispitze wird den Grünen aber nicht erspart bleiben. Mit Kogler und Maurer droht ihnen im Herbst ein schlechteres Ergebnis als bei der EU-Wahl.
Die NEOS bleiben weiter nur Umfrage-Sieger. Das EU-Wahl-Resultat ist deutlich schwächer als erhofft. Viele pinke Sympathisanten dürften dann doch zur ÖVP zurückgewechselt sein. Mit dem Drohszenario eines blauen Volkskanzlers könnte sich das bei der Nationalratswahl wiederholen. Damit wäre das Duell Kickl gegen Nehammer wieder offen ...