Das sagt ÖSTERREICH

Kann Babler Kanzler werden? Manches spricht dafür ...

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Das sagt ÖSTERREICH – ein Kommentar von Herausgeber Wolfgang Fellner.

Der neue rote Interview-Wasserfall Andi Babler ist derzeit in allen Medien im Overdrive. Selten hat die Politik so einen Tom Turbo erlebt, selten aber auch so ein Rätsel mit offenem Ausgang.

Zwei Gretchen-Fragen gilt es zu beantworten: Kann Andi Babler die SPÖ wieder einen? Und vor allem: Kann er die nächste Wahl gewinnen, kann die SPÖ wieder Kanzler-Partei werden?

Frage eins kann man mit ziemlicher Sicherheit mit "VORERST NEIN" beantworten. Dieser rote Intrigantenstadl ist so zerstritten, versinkt so im Chaos, dass eine Einigung wohl nur oberflächlich und als Lippenbekenntnis erfolgen kann. Schon am Tag nach Bablers Wahl hat der rote Frosch-Chor so durcheinander gequakt (Tirols Dornauer für eine ÖVP-Koalition, die Gewerkschaft gegen den Mindestlohn, Doskozil und Kaiser für eine schärfere Asylpolitik), dass selbst David Copperfield an einer Einigung scheitern würde. Das ist auch nicht wirklich nötig - eine Partei hält verschiedene Positionen locker aus, vorausgesetzt alle haben ein Ziel: die SPÖ wieder ins Kanzleramt zu bringen. Und diesen neuen Kampfgeist spürt man erstmals seit langer Zeit wieder bei den Roten.

Denn auf Frage zwei ("Kann Babler die nächste Wahl gewinnen?") würde ich in einem Anfall von journalistischem Wahnsinn und gegen alle Wetten der Kollegen mit einem klaren "JA" antworten.

Und dafür habe ich gute Gründe:

  • Erstens: Eine Wahl gewinnt seit Bill Clinton immer jener Kandidat, der den Menschen deutlich mehr Euros in ihrem Geldbörsel verspricht. Die Inflation und Teuerung sind derzeit so dramatisch, dass die Themen "mehr Einkommen", "mehr soziale Gerechtigkeit", "Teuerungs-Bremse bei Sprit, Gas, Strom und Wohnen" alle anderen Themen meilenweit schlagen. Wer den Menschen mehr Geld und damit ein besseres Leben in den nächsten Jahren - glaubhaft - versprechen kann, wird die nächste Wahl gewinnen. Hier ist der regierende Kanzler Nehammer komplett im "Out", wir werden ein Duell Kickl gegen Babler erleben. Und Babler hat hier als Sozialdemokrat klare Vorteile.
     
  • Zweitens: Hoffnung schlägt Hass. Die Hoffnung auf mehr Einkommen, Gerechtigkeit, besseres Leben wird im nächsten Wahlkampf das Hass-Thema "Stoppt die Ausländer" vermutlich verdrängen. Damit könnte für Kickl ein wichtiges Wahlkampf-Thema schwächeln, Babler könnte als Kandidat der Hoffnung und gegen den Hass punkten (wenn er sich zu einer vernünftigen Asyl- und Zuwanderungs-Bremse durchringen kann, weil seine "Alle dürfen rein"-Fantasien können für ihn gefährlich werden - die Wähler wollen sicher nicht, dass Österreich in der Ausländerfrage Traiskirchen wird).
     
  • Drittens: In Österreich gewinnt seit Kreisky meist jener die Wahl, der die meisten Hände schüttelt - und zwar bis ins letzte Tiroler Gebirgs-Tal. Babler plant einen Wahlkampf-Turbo, wie es ihn in Österreich noch nie gegeben hat, er will jeden Bezirk besuchen, jeden Tag auf einem halben Dutzend Hauptplätzen reden, alle SPÖ-Sektionen treffen und mobilisieren, in die Betriebe gehen. Ich bin gespannt, ob der eher steif wirkende Nehammer und der vom Typ her eher menschenscheue Kickl da mithalten können. Babler ist ein "Menschenfänger" wie ich ihn in der Politik noch selten erlebt habe. Und das kann in einem Wahlkampf entscheidend sein.
     
  • Viertens: Wahlkampf braucht Euphorie. Babler hat in den letzten Wochen in der SPÖ - nicht zuletzt auch mit seiner Rede am Parteitag - gezeigt, welche Euphorie er auslösen kann. Babler schafft es, ein "Wir-Gefühl" und eine Positiv-Dynamik auszulösen, die in einem Wahlkampf entscheidend sein kann.
     
  • Und schließlich fünftens: Der nächste Wahlkampf wird schon wie der letzte durch eine irrwitzige Zahl an TV-Duellen entschieden werden. Wer am meisten im Fernsehen punktet, wird die Wahl letztlich gewinnen.

Die TV-Duelle des nächsten Wahlkampfs (Kickl gegen Babler, Nehammer gegen Babler usw) werden legendär und absolute Publikums-Magneten werde. Wenn Babler diese Wahlkampf-Duelle so souverän gewinnt wie seine letzten Interview-Duelle gegen nahezu alle Moderatoren, spricht viel für ihn.

Nicht zuletzt ist er derzeit auch der Beste (und Fleißigste) bei Social Media. Auf Twitter, Instagram und Facebook liegt Babler sogar gegen den hyper-aktiven Kickl klar in Führung.

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Ich bin ganz sicher kein kritikloser Babler-Fan. Mir fehlen bei seinem Interview-Blabla die konkreten Lösungen, er wirkt fehleranfällig (siehe EU-Video), ist noch weit entfernt von einem Polit-Profi. Aber möglicherweise ist er diszipliniert genug, hier rasch zu lernen.

Zudem ist Babler natürlich ein linksextremer Träumer (Gegner sagen "Spinner"). Seine Positionen vom "menschlichen Asyl-Zuzug" bis zur "Cannabis-Freigabe" sind derzeit sicher nicht mehrheitsfähig.

Aber weit links waren am Beginn ihrer Karriere Willy Brandt und Bruno Kreisky auch (und das war gut, weil es der Sozialdemokratie Identität gegeben hat). Fast alle linken SPÖ-Politiker (inklusive meinem Freund Josef Cap) sind aber dann sehr rasch in die politische Mitte gewandert, wenn sie in der Realität erlebt haben, wie die Österreicher wirklich ticken und was die Wähler wirklich wollen.

Genau so wird es wohl oder übel mit Andreas Babler auch kommen. Ich wette darauf, dass es nur wenige Monate brauchen wird, bis aus dem Linksaußen Andi ein Linke-Mitte-Politiker Babler werden wird.

Und genau diese Position der linken Mitte ist es, mit der man in Österreich vermutlich die nächsten Wahlen gewinnen kann. Wenn man mehr Einkommen, mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Menschenliebe, mehr Zukunfts-Chancen (etwa bei Bildung und Digitalisierung) und mehr Hoffnung statt Hass zum Wahlkampf-Schwerpunkt macht, dann entspricht das der Stimmung im Land.

Und deshalb halte ich es für nicht nur möglich sondern sogar wahrscheinlich, dass Andreas Babler die nächsten Wahlen gewinnt und nächster Kanzler wird. Vorausgesetzt, er macht nicht weiter Fehler in Serie (wie seine EU- und Cannabis-Aussagen), entpuppt sich nicht wirklich als linker Spinner und kann das brutalste Polit-Duell der zweiten Republik gewinnen - und das heißt: Babler gegen Kickl.

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