Wien-Wahl
Meinungsforscher: Platz 1 für FPÖ möglich
26.07.2015
Hajek & Hofer: SPÖ muss Duell mit der FPÖ in Wien annehmen.
"Blaue Sonntage" dürften die Herbst-Wahlen bringen: Meinungsforscher schließen es nicht aus, dass die FPÖ der SPÖ in Wien den ersten Platz abnimmt, der zweite in Oberösterreich ist ihr so gut wie sicher. Als Gründe nennen sie die Flüchtlingsdebatte und die "Schockstarre" der Koalition im Bund.
Im Oktober des vorigen Jahres war der erste Platz Heinz-Christian Straches und der FPÖ bei der Wien-Wahl am 11. Oktober "noch sehr sehr unwahrscheinlich". Jetzt ist das "nicht mehr auszuschließen", sagte Peter Hajek (Public Opinion Strategies). Für Thomas Hofer (H & P Public Affairs) ist das zwar "die unwahrscheinlichere Variante", aber auch "nicht auszuschließen".
Themen wie gemacht für FPÖ
Denn, so Hajek, "die Themenlage ist wie gemacht für die FPÖ". "Themenkonjunktur" für die FPÖ nennt das Hofer - mit Blick auf die zähe Debatte über die Flüchtlingsunterbringung und die Griechenland-Hilfe. Auch die Arbeitslosigkeit sei ein wichtiges Thema - was den Regierungsparteien helfen könnte, weil ihnen hier mehr Lösungskapazität zugestanden wird. Aber "die FPÖ versteht es, auch das geschickt mit der Zuwanderung zu verknüpfen".
In der Flüchtlingsfrage sieht Hofer bei Rot-Schwarz im Bund einen "Zug zum Eigentor". Dass die Unterbringung kurz vorher groß thematisiert wurde, habe der FPÖ bei den Wahlen im Burgenland und der Steiermark die überraschend großen Zuwächsen beschert. Da die Diskussion weitergeht, "braucht Strache nicht viel zu tun, für die FPÖ läuft es auch ohne große Eigenleistung sehr gut".
Zumal SPÖ und ÖVP es nicht nur verabsäumt hätten, ihre Steuerreform gut zu verkaufen - und zumindest teilweise sofort spürbar zu machen. Die Koalition liege derzeit überhaupt in "Schockstarre" und schaffe es nicht, Themen vorzugeben, "in denen die FPÖ nicht so klar positioniert ist wie bei der Zuwanderung". Das wäre eine Möglichkeit für die SPÖ in Wien, um die drohende Wahlschlappe zu verhindern.
Duell um Wien
Hajek hat ein anderes Rezept: "Diesmal muss Häupl das Duell mit der FPÖ annehmen" - und unter klarem Aufzeigen der Unterschiede blauer und roter Politik die Frage stellen: "Wollt ihr mich oder wollt ihr Strache?" Mit Arbeitsplätzen, Wohnbau oder der gut verwalteten Stadt könne Bürgermeister Michael Häupl die Wahl heuer nicht mehr gewinnen.
Das Duell - früher von FP-Chef Heinz-Christian Strache "fiktiv" vorgegeben - sei heuer erstmals "wirklich darstellbar", konstatiert Hofer. Auch das bringen den Blauen "Dynamik": Damit könnten sie erstmals Politikverdrossene aus dem Nichtwählerlager mobilisieren.
Aber auch der SPÖ könnte die Zuspitzung auf das Duell um Platz 1 Zugang von außen bringen: ÖVP-, Grün- und NEOS-Sympathisanten könnten sich dazu entscheiden, die SPÖ zu wählen, um ein "blaues Wien" zu verhindern. Ein solcher Effekt war, so Hofer, schon 2010 messbar und hat die großen Verluste der SPÖ an die FPÖ in den Flächenbezirken etwas aufgewogen.
Die ÖVP muss sich in Wien nach der Ansicht beider Experten auf den vierten Platz einstellen. Die Grünen dürften - obwohl Rot-Blau im Burgenland für sie ein "Elfmeter" war - nicht auf "dramatische Zuwächse" hoffen, für sie sei die Sache mit der Zuspitzung auf SPÖ gegen FPÖ schwieriger geworden, meint Hofer. Auch der Einzug der NEOS in den Wiener Gemeinderat sei noch nicht ganz sicher.
Oberösterreich als Modell für Wien?
Für sie sei das Abschneiden zwei Wochen vorher in Oberösterreich sehr sehr wichtig: Scheitern sie dort, werde das in Wien sehr schaden, so Hofer.
Auch für die SPÖ könne die OÖ-Wahl am 26. September "die Entwicklungen in Wien zuspitzen". Schneidet die SPÖ in dem Industrieland tatsächlich so schlecht ab, wie die Umfragen erwarten lassen - mit Platz 4 und unter 20 Prozent - wäre das nicht nur landesintern ein "GAU". Das könnte, so Hofer, ein "sehr negatives Zeichen" für Wien sein. Möglicherweise würde es aber auch helfen, mehr Wähler gegen ein "blaues Wien" zu mobilisieren.
Allzu große Umwälzungen erwarten beide Experten in Oberösterreich nicht - zumal dort, anders als im Burgenland und der Steiermark, die Regierung weiter nach dem Proporzsystem gebildet wird. Die ÖVP werde jedenfalls Erste bleiben - allerdings mit einigen Verlusten. Wie hoch diese ausfallen und ob sie die Mehrheit in der Regierung halten kann, sei für LH Josef Pühringer die große Frage. "Die generelle Unzufriedenheit" werde der oberösterreichischen ÖVP schaden, meint Hajek. Hofer ist überzeugt, dass die schon jetzt in Umfragen absehbaren VP-Verluste "zum Großteil vom Bund verursacht" seien.