Merkel blieb hart. Aber Hollande setzte Wachstumspakt durch.
Am EU-Gipfel wurde bis in die späten Abendstunden gestritten. Eine Einigung gab es hinsichtlich eines Wachstumspakts über 120 Milliarden Euro.
Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel gegen den Rest der EU: Das ist Brutalität. Am Krisengipfel zur Euro-Rettung lieferte sich die eiserne Merkel harte Duelle mit ihren männlichen Amtskollegen.
Vor allem Italiens Mario Monti ritt wilde Attacken gegen den Sparkurs der Deutschen. Man könne „den Euro gleich zur Hölle fahren lassen“, wetterte Monti, sollte es keine Euro-Bonds geben. Europa müsse zusammenwachsen. Damit biss er bei Merkel aber auf Granit: „So lange ich lebe, wird es keine Euro-Anleihen geben.“
Faymann hofft auf neuen Tilgungsfonds der EU
Wirklich zur Sache ging es dann beim gemeinsamen Abendessen, als die EU-Größen über den Plan für eine neue EU berieten: Der gemeinsamen Kontrolle der einzelnen Staatsbudgets stimmte Deutschland erwartungsgemäß zu. Aber von gemeinsamer Haftung für Schulden wollte Merkel partout nichts wissen: Ja zum Zusammenwachsen Europas, aber keine Vergemeinschaftung der Schulden.
Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann übte dezente Kritik: „Das war ziemlich heftig. Wir müssen aber die Politik für die nächsten zehn Jahre bestimmen.“ Faymann sieht einen Ausweg: ein Tilgungsfonds für die Altschulden. Dabei sollen alle Staatsschulden, die über 60 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen, in den Fonds eingebracht werden. „Das haben die deutschen Wirtschaftsweisen erarbeitet, damit das für Deutschland verfassungskonform ist“, so Faymann zu ÖSTERREICH.
„Außerdem wäre das kein permanenter Freibrief zum Schuldenmachen, sondern eine einmalige Aktion.“ Faymann will zudem eine Banklizenz für den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM.
Schließlich wurden als Zuckerl für die Merkel-Gegner die Fiskalunion und ein Wachstumspakt über 120 Milliarden Euro angenommen, der Jobs schaffen soll.
Erfolg für Österreich: Beim Wachstumspakt, der als Zusatz zum Fiskalpakt angenommen wurde, wird auf das viel gelobte österreichische Modell der Lehrlingsausbildung verwiesen.
Heute stehen Reformen in Griechenland zur Debatte
Heute beraten die EU-Spitzen über Griechenland, Spanien und Zypern. Auch hier ist Faymann anderer Meinung als Merkel. Er plädiert für einen Reformaufschub.
© AP
© AP
© AP
© AP
Bundeskanzler herzt die deutsche Kanzlerin vor dem EU-Gipfel.
© HBF / Andy Wenzel
Bundeskanzler und Ratspräsident Herman Van Rompuy vor dem Gipfel.
© HBF / Andy Wenzel
Österreichischer und irischer Regierungschef unterhalten sich vor dem EU-Gipfel.
© APA/EPA
Spaniens Premierminister Mariano Rajoy.
© APA/EPA
Griechenlands Ex-Finanzminister Evangelos Venizelos, PASOK-Chef.
© APA/EPA
Belgiens Premierminister Elio Di Rupo.
© APA/EPA
EZB-Chef Mario Draghi.
Nächste Seite: Der LIVE-Ticker zum Nachlesen
23.15 Uhr: EU-Kommissonspräsident Jose Manuel Barroso sprach von einer wichtigen ersten Runde. Die größte Sorge der Bürger sei, wie Wachstum und Beschäftigung zurückkommen können.
In den Nachtstunden wird der EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs die Diskussion über die Aspekte der Finanzstabilität auch mit der Wachstumsagenda zusammenhängend erörtern.
22.49 Uhr: EU beschließt Wachtumspakt
Die Staats- und Regierungschefs der EU einigten sich auf einen Wachstumspakt über 120 Milliarden Euro. EU-Ratsvorsitzender Herman Van Rompuy erklärte, die 120 Milliarden setzen sich aus knapp fünf Milliarden für projektbezogene Anleihen, aus 10 Milliarden Kapitalaufstockung für die EIB (Europäische Investitionsbank) sowie aus 55 Milliarden aus nicht genützten Strukturfonds zusammen. Die 10 Milliarden für die EIB würden zu einer Vergabekapazität von 60 Milliarden führen.
21.33 Uhr: Keine Fußballpause
Die Beratungen gehen auf Anordnung von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy trotz des Halbfinalspiels zwischen Deutschland und Italien bei der Europameisterschaft weiter, wie ein EU-Diplomat am Rande des Treffens sagte. "Wir müssen ernsthaft arbeiten, und das wäre nicht ernsthaft."
20.59 Uhr: Experten beraten über abgesicherte Bondkäufe
Die Finanzstaatssekretäre der Euro-Staaten beraten am Rande des Gipfels über Finnlands Vorschlag zu einem Anleiheprogramm für krisengeschüttelte Euro-Länder mit Pfandbriefen. Die Idee Finnlands ist, dass die unter hohen Zinsen leidenden Staaten mit Vermögenswerten abgesicherte Pfandbriefe begeben könnten. Um die Zinsen zu drücken, könnte die Möglichkeit des Euro-Rettungsfonds EFSF genutzt werden, diese Anleihen abzusichern.
20.30 Uhr: EZB-Direktor für direkte Bankenhilfe durch ESM
Das französische Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), Benoit Coeure, hat sich für direkte Bankenhilfen aus dem ESM ausgesprochen. Der dauerhafte Euro-Krisenfonds könnte angeschlagenen Instituten ohne Umwege Kapital einschießen, sagte der Top-Notenbanker. Coeure unterstützt damit eine Forderung von IWF-Chefin Christine Lagarde, die vor allem in Berlin auf wenig Gegenliebe trifft.
19.21 Uhr: Samaras fordert "einige Änderungen"
Griechenland hat seinen Partnern zum EU-Gipfel versichert, seine Verpflichtungen gegenüber den Geldgebern zu erfüllen. Einige Änderungen seien jedoch notwendig, um die "beispiellose Arbeitslosigkeit und die katastrophale Rezession zu bekämpfen", schrieb der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras.
18.52 Uhr: Swoboda für Streckung der Griechen-Kredite
Der Chef der europäischen Sozialdemokraten, Hannes Swoboda, sieht ebenso keine Alternative zu einer Streckung der Schulden für Griechenland: "Das kostet natürlich mehr. Aber wenn man das nicht tut, dann hat man halt eine Pleite. Das kostet noch mehr", so Swoboda zu ÖSTERREICH. "Griechenland muss seine Schulden strecken können. Alles andere ist nicht realistisch."
18.06 Uhr: Schulz fordert Lösungen "noch heute"
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz fordert in einer ersten Diskussion mit den Staats- und Regierungschefs eine rasche Lösung der Krise: "Die Zeit ist vorbei für feierliche Erklärungen, was man tun sollte und könnte." In der Schuldenkreise seien Lösungen "noch heute und morgen" - also während des EU-Gipfels - erforderlich.
17.40 Uhr: IWF - Bedingungen für Griechen-Kredite könnten geändert werden
Neuigkeiten kommen am Rande des Gipfels vom Internationalen Währungsfonds. Der IWF wird Verhandlungen über mögliche Anpassungen starten, sagte ein IWF-Sprecher. Die Verhandlungen sollen nach dem nächstwöchigen Besuch der Troika in Griechenland starten - einen genauen Zeitpunkt nannte der Sprecher nicht.
16.55 Uhr: Schulz kritisiert Krisenpolitik
Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, hat den EU-Staats- und Regierungschefs vorgeworfen, in der Schuldenkrise "immer mehr Entscheidungen in parlamentsfreien Zonen" zu treffen. "Die Politik in Europa wurde in den letzten Monaten zu oft vom vermeintlichen Diktat der Märkte getrieben", sagte Schulz zu Beginn des EU-Gipfels am Donnerstag in Brüssel. Darauf habe schnell und "unter enormem Druck und Zwang" reagiert werden müssen.
16:27 Uhr: Juncker bleibt
Der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker soll Chef der Eurogruppe bleiben. Darüber hätten sich die Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder am Rande des EU-Gipfels verständigt, sagten zwei mit dem Vorgang Vertraute. Zugleich stehe fest, dass der bisherige Chef des provisorischen Rettungsschirms EFSF, Klaus Regling, auch den Nachfolgefonds ESM leiten werde.
15:15 Uhr: Treffen mit Papoulias beendet
Das Treffen Faymanns mit Papoulias ist zu Ende. Die Staats- und Regierungschefs treffen sich jetzt mit dem Präsidenten des EU-Parlaments. Um 16 Uhr wird ein Familienfoto gemacht, für 16.15 Uhr ist die eigentliche Arbeitssitzung des EU-Rats angesetzt.
14:40 Uhr: Kanzler trifft Papoulias
Das Treffen von Bundeskanzler Werner Faymann und dem griechischen Staatspräsidenten Karolos Papoulias hat begonnen. "Ich bin sehr gespannt, was mir der Herr Staatspräsident zu sagen hat", so Faymann.
14:17 Uhr: Faymann trifft Griechischen Staatspräsidenten
Faymann trifft sich mit dem österreichischen Botschafter zu einem Arbeitsessen in Brüssel. Der Gesandte informiert den Kanzler über die jüngsten Entwicklungen in Brüssel. Um 14.30 Uhr ist das Teffen mit Griechenlands Staatspräsident Karolus Papoulias im Ratsgebäude angesetzt. Der Grieche hatte um das Treffen gebeten. Fayman: "Österreich ist einerseits solidarisch mit Griechenland, hat aber auch immer auf die Einhaltung der Auflagen beharrt. Jetzt geht es darum, dass die Griechen die Rückzahlung auf längere Sicht strecken wollen. Ich unterstütze das. Man muss sagen, dass wir bisher die Zinsen immer pünktlich bezahlt bekommen haben."
14:10 Uhr: Treffen der Sozialdemokraten zu Ende
Das Treffen der sozialdemokratischen Regierungs- und Vize-Regierungschefs ist vor einigen Minuten zu Ende gegangen. Bundeskanzler Werner Faymann traf dort EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, Dänemarks Helle Thorning-Schmidt, Belgiens Regierungschef Elio di Rupo sowie Finnlands Finanzministerin Jutta Urpilainen. Auch Hannes Swoboda war als Vorsitzender der europäischen Sozialdemokraten zugegen. Frankreichs Francois Hollande kam nicht, weil er als Präsident eigentlich unparteiisch sein sollte. Dass hatte seinen Vorgänger Nicolas Sarkozy während seiner Amtszeit allerdings nicht daran gehindert, an den Teffen der Europäischen Konservativen teil zu nehmen.
14:08 Uhr: Krisenland Spanien
Die Lage für Spanische Zinsen auf 10-Jahres-Anleihen hat sich vor dem EU-Gipfel am Donnerstag weiter verschärft. Die Zinsen für 10-Jahres-Staatsanleihen knapp nach Mittag für Spanien auf 6,983 Prozent gestiegen und befinden sich trotz zugesagter EU-Bankenhilfe von bis zu 100 Milliarden Euro auf dem Sprung über die 7-Prozent-Marke.
12:59 Uhr: Merkel pfeift Monti zurück
Merkel warnt vor übertriebenen Erwartungen im Hinblick auf Berichte über den Weg hin zu einer Bankenunion oder Fiskalunion. In deutschen Regierungskreisen wurde am Vormittag auch vor übertriebener Panikmache wie aus Rom gewarnt, wenn es zu keinen konkreten detaillierten Entscheidungen kommt, sondern lediglich zu Arbeitsaufträgen.
11:45 Uhr: Die Kanzler-Maschine mit Werner Faymann ist soeben gelandet. Jetzt geht es ersteinmal zu dem Treffen der europäischen Sozialdemokraten. Weiters ist ein Treffen mit dem griechischen Staatspräsidenten geplant. Faymann wird Athen bei der Bitte nach späterer Rückzahlung unterstützen. "Griechenland braucht Luft zum Atmen", so der Kanzler.
Alle Hintergrund-Infos:
Gestern Abend rangen sie und Frankreichs Präsident François Hollande um eine gemeinsame Linie vor Beginn des EU-Regierungscheftreffens. Neben Hilfe für die Krisenländer Griechenland, Spanien, Portugal, Zypern und auch Italien soll es auch um kurzfristige Maßnahmen zur Absicherung des Euros gehen.
Italiens Mario Monti rief Werner Faymann an
SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann wird sich vor dem Gipfel heute mit
sozialdemokratischen Regierungschefs über eine gemeinsame Linie beraten. Im ÖSTERREICH-Interview lässt er keinen Zweifel daran, dass „ein umfassendes Wachstumspaket beschlossen“ werden müsse. Zudem „erwarte ich mir einen Einstieg in die Diskussion über die Weiterentwicklung der EU“. Faymann bekennt sich zwar zum Sparkurs, sagt aber bezüglich der
Krisenländer auch: „Man muss einem Land auch Luft zum Atmen geben.“
Das wird wohl Italiens Premier Mario Monti freuen, der gestern Faymann angerufen hatte, um mit ihm über gemeinsame Vorstellungen von der Zukunft der Eurozone vorab zu sprechen.
Heute Abend werden die Emotionen zwischen Italien und Deutschland aber wohl ohnehin etwas hochgehen. Zeitgleich mit dem Gipfel in Brüssel findet das EURO-Halbfinale zwischen Italien und Deutschland statt. Bundeskanzler Faymann wünschte Mario Monti in seinem gestrigen Telefonat übrigens „alles Gute für Italiens Mannschaft“ …
ÖSTERREICH: Was erwarten Sie vom heutigen EU-Gipfel in Brüssel?
Werner Faymann: Es wird darum gehen, ein umfassendes Wachstumspaket zu beschließen. Dazu zählen die Projektbonds und die bessere Ausnutzung von europäischen Strukturfonds. Das alles soll Wirtschaftswachstum und Beschäftigung ankurbeln. Und ich erwarte mir einen Einstieg in die Diskussion zu einer Weiterentwicklung der Europäischen Union.
ÖSTERREICH: Die deutsche Kanzlerin Merkel lehnt das Papier der EU-Spitze ab.
Faymann: Das Positionspapier ist ein Vorschlag, um die notwendige Diskussion in Gang zu bringen, wie wir die Eurozone weiterentwickeln. Dass wir Handlungsbedarf haben, hat die Wirtschaftskrise gezeigt. Wir brauchen Instrumente, um Krisen vorzubeugen.
ÖSTERREICH: Ist Griechenland überhaupt noch zu retten?
Faymann: Griechenland hat nun wieder eine Regierung. Sie muss Strukturreformen im eigenen Land durchführen und die Rechtsstaatlichkeit verbessern. Aber man muss einem Land auch Luft zum Atmen geben.