EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola hat Standfestigkeit in der Unterstützung der Ukraine durch die Europäische Union eingemahnt.
"Der Einmarsch Russlands in die Ukraine stellt eine existenzielle Bedrohung für unsere Union und unsere Lebensweise dar", sagte Metsola am Donnerstag zum Auftakt ihres Besuchs in Wien in ihrer Rede im Nationalrat. Nur gemeinsam könne die EU die aktuellen Herausforderungen bewältigen, darunter auch Teuerung, Klimawandel und Migration.
"Diese brutale Invasion ist unsere Linie im Sand", sagte Metsola in Hinblick auf Russlands Angriffskrieg. "Unsere Freiheiten, unsere Werte, unsere Sicherheit sind die kurzfristigen schwierigen Entscheidungen wert, die wir treffen müssen. Was in der Ukraine passiert, wird die globalen Beziehungen in den kommenden Jahren prägen."
Metsola: "Wir leben in einer Zeit der vielen Krisen"
Die aus Malta stammende konservative Politikerin erinnerte daran, was Europa seit Generationen versprochen habe: "Dass wir für Gerechtigkeit, für Freiheit, für Rechtsstaatlichkeit stehen. Auch wenn es schwerfällt. Besonders dann." Wenn Europa diese Werte nicht verteidige, "riskiert alles, was wir geerbt haben, zu bröckeln", warnte die EU-Parlamentschefin unter dem Applaus der Abgeordneten. Dies bedeute auch ein Umdenken in der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie bezüglich strategischer Autonomie und dem digitalen und grünen Wandel.
Europa müsse zukunftsorientiert bleiben, Nostalgie könne die Politik nicht voranbringen, sagte Metsola. "Wir leben in einer Zeit der vielen Krisen." Entscheidend seien aber nicht die Herausforderungen, sondern die gemeinsame Antwort darauf. "Und ich bin stolz darauf, wie Europa sich behauptet hat und weiter behauptet."
Meinl-Reisinger: "Unser Lebensmodell steht am Spiel"
Der Großteil der österreichischen Abgeordneten schloss sich dieser Position an. Für den stellvertretenden Klubchef der SPÖ Jörg Leichtfried ist bewiesen worden, dass ein geeintes Europa etwas bewegen könne: "In Europa gibt es das Prinzip: nicht das Recht des Stärkeren sondern die Stärke des Rechts." NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger meinte, es werde im Ukraine-Krieg einen langen Atem brauchen: "Unser Lebensmodell steht am Spiel." Europa müsse dieses gegen Autokratismus und Faschismus bekämpfen - "as long as it takes".
Wie üblich machte die FPÖ gegen die europäische Russland-Politik mobil. Ihre Abgeordnete Susanne Fürst warf der Union vor, "die Bastion des Friedens" niedergerissen zu haben. Die EU habe ihr Gewicht nicht genutzt, die Situation zu entschärfen, sondern etwa mit dem Beitrittsstatus an der Eskalationsschraube gedreht. Grünen-Vizeklubobfrau Meri Disoski hatte mit Fürsts Rede einen Beitrag von "Radio Moskau" gehört und blickte schon besorgt in Richtung Europa-Wahl im kommenden Jahr. Dort werde man es mit den verschiedensten Formen des Populismus zu tun bekommen, darunter auch mit einem russlandfreundlichen.
"Stärkeres Schengen bedeutet ein sichereres Europa"
Metsola forderte indes auch in Migrationsfragen "einen umfassenden pan-europäischen Ansatz". Das Europäische Parlament habe einen schwierigen Weg bei der europäischen Asylreform aufgezeigt, der Grenzen schütze und zugleich Bedürftigen Schutz biete und mit aller Härte gegen Schlepper vorgehe. Ohne auf Österreichs Veto bei der Schengen-Erweiterung direkt einzugehen, forderte Metsola: "Wir können dieses Problem angehen und unseren Schengen-Raum schützen und stärken. Ein stärkeres Schengen bedeutet ein sichereres Europa. Ein engeres Europa bedeutet ein besseres Europa."
Während sich der außenpolitische Sprecher der ÖVP Reinhold Lopatka in Sachen Ukraine ganz hinter die Linie der Union gestellt hatte, übte er in der Migrationsfrage indirekt Kritik. Österreich sei in der EU ein verlässlicher Partner, werde sich aber bei Fehlentwicklungen wie beim Migrationsthema zu Wort melden. Die Belastungen für Österreich seien hier besorgniserregend, es brauche einen robusten Außengrenzenschutz.
Metsola: "Wir dürfen keine Angst haben"
Metsola meinte, als EU-Parlamentspräsidentin trete sie dafür ein, dass der Wert Europas besser erklärt werde. "Und wir dürfen keine Angst haben." In Hinblick auf die nächsten Europawahlen vom 6. bis 9. Juni 2024 sei es wichtig, weiterhin zuzuhören, zu überzeugen und zu erklären - "vor allem für junge Österreicher, die mit 16 Jahren erstmals abstimmen dürfen".
"Das Europäische Parlament gehört den Österreichern genauso wie allen anderen auch", sagte die Parlamentschefin. "Ohne Euch werden in Europa keine Entscheidungen getroffen. Wegen Euch werden viele getroffen."
Diskussion mit Jugendlichen in der Wiener Urania
"Nächstes Jahr besteht das Risiko, dass nicht nur die extremen Kräfte zulegen, sondern dass auch die Wahlbeteiligung niedriger sein wird", sagte Metsola am Donnerstagabend in einer Diskussion mit Jugendlichen in der Wiener Urania. Dies Trend beobachte sie in nationalen Wahlen. Anstatt aber die Extreme zu fürchten, sollte man besser "mit Stolz" aus einer Position der Mitte heraus kämpfen, sagte die EU-Parlamentspräsidentin. Auf den Einwand des Vorsitzenden der Bundesjugendvertretung, Sabir Ansari, der die Diskussion moderierte, dass sich 75 Prozent der Jugendlichen von der Politik in ihren Sorgen bezüglich des Klimawandels nicht ausreichend berücksichtigt fühlten, entgegnete Metsola, diese sollten zur Europawahl gehen und so die Position des EU-Parlaments in Klimafragen stärken.
Am Freitag will Metsola Gespräche mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen und mit Vertretern der Regierung führen. Die EU-Parlamentschefin wird außerdem die interaktive Dauerausstellung des Europaparlaments "Erlebnis Europa" im Zentrum Wiens eröffnen.
Metsola folgte mit ihrer Rede im Nationalrat einer Einladung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP). Nach dem damaligen UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon 2016 und der Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, Liliane Maury Pasquier, 2019 ist Metsola der dritte Gast, der sich direkt an die Abgeordneten wenden wird.