Häupl besteht weiter auf Vermögenssteuer: "Beide Parteien müssen sich bewegen."
Fast macht es den Eindruck, als würde Wiens Bürgermeister Michael Häupl die Situation genießen. Noch nie seit Bestehen hat die rot-grüne Koalition eine solche Zerreißprobe erlebt. Die grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou war in Sachen Wahlrecht vorgeprescht, hatte nicht ganz gemäß der Koalitionsregeln ultimativ den grünen Vorschlag präsentiert.
"Nicht erpressbar". Während die zweite rote Rathaus-Reihe bereits aufgeregt von Neuwahl spricht, gibt sich Häupl im ÖSTER-REICH-Gespräch demonstrativ gelassen. "Ich bin nicht erpressbar", sagt er - und nimmt die Vorgangsweise "in vorweihnachtlicher Milde zur Kenntnis".
"Kein Gegen-Ultimatum". Am Montag tagt der Wiener Koalitionsausschuss. Häupl tippt auf Weihnachtsfrieden, ein rotes Gegenultimatum -Motto: Ihr akzeptiert unseren Vorschlag oder die Koalition ist aus - werde es nicht geben.
Wahrscheinlichster Wahl- Termin ist der 14. Juni
Dennoch hat Rot-Grün offensichtlich ein Ablaufdatum. Bis zum gesetzlich festgelegten Wahltermin wird es nicht dauern. Die Grünen setzen auf Ende Mai, in der Umgebung des Bürgermeisters geht man von einem Wahltermin 14. Juni aus.
Bundespolitisch legt sich Häupl klar auf Vermögenssteuern zur Gegenfinanzierung der Steuerentlastung fest, ist aber gegen eine rückwirkende Erbschaftssteuer.
In der Asylfrage gibt's dann doch ein Ultimatum: Entweder es gibt eine Lösung mit den anderen Ländern bis Ende Jänner - oder Innenministerin Mikl-Leitner muss durchgreifen.
Häupl: "Ich fürchte mich nicht vor Neuwahlen ..."
ÖSTERREICH: Drohen Wien tatsächlich wegen des Wahlrechts Neuwahlen?
Häupl: Sicher nicht. Wahlen gibt es gemäß Recht und Gesetz am ersten Sonntag im Oktober -außer es kommt was dazwischen.
ÖSTERREICH: Und bis dahin gibt's ein neues Wahlrecht?
Häupl: Ich bemühe mich heftig, sage aber auch: Die Wahlrechts-Änderung steht nicht an allererster Stelle meiner Herzenswünsche.
ÖSTERREICH: Haben Sie sich die Koalition mit den Grünen so lästig vorgestellt?
Häupl: Ich empfinde sie nicht als lästig. Man entwickelt nur eine gewisse Routine. Sagen wir es wienerisch: die Matschkerei über den Partner ist in allen Koalitionen gleich. Ungefähr ein dreiviertel Jahr vor der Wahl beginnen Matschkerei und Verfolgungswahn, also ein gewisser Entfremdungsprozess. Das war mit der ÖVP dasselbe.
ÖSTERREICH: Zum Bund: Fürchten Sie nach den Differenzen bei der Steuerreform nicht auch Neuwahlen?
Häupl: Ich fürchte mich vor gar nichts. Und das Gerede von der Neuwahl hat nicht die SPÖ begonnen, sondern Vizekanzler Mitterlehner. Und ich habe ihm recht gegeben, dass das ein Thema ist, wenn sich die Regierung nicht auf eine Steuerreform einigt ...
ÖSTERREICH: Genau danach schaut's nicht aus.
Häupl: Wir haben ja noch gar nicht zu reden begonnen. Die Steuerreform findet statt. Punkt. Oder besser: Rufzeichen. Es bewegt sich doch schon was. Wenn ich nicht unter politischer Amnesie leide, hat die ÖVP noch vor Kurzem gemeint, es sei kein Geld für Entlastung da. Jetzt offenbar doch.
ÖSTERREICH: Aber bei der Gegenfinanzierung spießt sichs. Oder werden Sie von Vermögenssteuern abgehen?
Häupl: Nein, bei der Vermögenssteuer wird sich die ÖVP bewegen müssen. Wir haben die geringsten Vermögenssteuern in ganz Europa und eine der höchsten Besteuerungen des Faktors Arbeit. Das ist verquer, darüber witzelt sogar schon der deutsche Finanzminister ...
ÖSTERREICH: Sind Sie auch für die rückwirkende Erbschaftssteuer, wie sie Staatssekretärin Steßl vorschlägt?
Häupl: Nein, rückwirkende Steuern lehne ich ab. Aber nicht nur ich. Ich empfehle ein kurzes Gespräch mit dem Leiter des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt.
ÖSTERREICH: Wo muss sich die SPÖ bewegen?
Häupl: Das sag ich der SPÖ. Ich sitz ja in der Verhandlungskommission und da muss ich ein paar Leute tief ins Auge blicken, weil sie glauben, alles über die Medien mitteilen zu müssen. Und weil ich mir nicht selbst tief ins Auge blicken kann, sage ich Ihnen nicht, wo sich die SPÖ bewegen soll.
ÖSTERREICH: Thema Asyl. Sie haben beklagt, gemeinsam mit NÖ die Deppen der Nation zu sein ...
Häupl: Also vorläufig sind wir es noch. Das war damals ein Hinweis auf Kollegen in den Bundesländern. Aber die bemühen sich jetzt. Deshalb gehe ich davon aus, dass wir das Problem auch bei steigenden Flüchtlingszahlen gemeinsam bis Ende Jänner bewältigen werden.
ÖSTERREICH: Wenn nicht...
Häupl: Ausnahmsweise sage ich jetzt nicht: Über diese Brücke müssen wir erst gehen. Sondern ich verweise jetzt schon darauf, dass es ein vertraglich abgesichertes Durchgriffsrecht der Innenministerin gibt. Da gibt's keine Ausreden mehr. Dann muss sie durchgreifen. Sie muss schauen, welche leer stehenden Bundeseinrichtungen es außerhalb Wiens gibt. Punkt, aus. Wenn das bis Ende Jänner nicht gelöst ist, werde ich ziemlich ultimativ sein.