Nationalrat
Mindestsicherung fix -mit FPÖ-Stimmen
07.07.2010
Das Gesetz wurde im Nationalrat nach emotionaler Debatte beschlossen. Heftige Kritik kommt von FPÖ und BZÖ. Hitzige Gemüter gab es auch bei den Debatten über den Budget-Fahrplan. Der FPÖ unterlief ein peinlicher Fauxpas.
Der Nationalrat hat am Mittwochnachmittag die Bund/Länder-Vereinbarung zur Mindestsicherung genehmigt. Unterstützt wurde die Vorlage von Koalition und Grünen und - versehentlich - von den Freiheitlichen. Die FPÖ stimmte nämlich trotz massiver Kritik davor den gesetzlichen Änderungen für den Bund zu, lehnte dann aber die Bund/Länder-Vereinbarung ab. Häme der anderen Fraktionen war die Folge.
Mindestsicherung kann im September in Kraft treten
Mit dem
Beschluss kann die Mindestsicherung mit September in Kraft treten, sofern
die jeweiligen Landtage bis dahin entsprechende Beschlüsse vollziehen.
Ebenfalls angenommen - diesmal von Koalition und Freiheitlichen - wurde ein
Entschließungsantrag, der Basis für die Etablierung einer
Transparenzdatenbank sein soll.
Die Mindestsicherung ersetzt die Sozialhilfe, deren Höhe bisher von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich war. Die Höhe ist an jene der Mindestpension gekoppelt und beträgt 744 Euro monatlich, für Paare 1.116. Im gleichen Haushalt lebende Kinder erhalten mindestens 134 Euro, ab dem vierten Kind wird der Satz auf 112 Euro gesenkt. Integriert ist ein 25-prozentiger Wohnkosten-Anteil, der wegfällt, wenn der Bezieher über eine eigene Wohnung verfügt bzw. etwa bei Verwandten kostenlos lebt.
Erfordernisse für Mindestsicherung
Anspruch auf die
Mindestsicherung haben auch EU-Bürger, EWR-Bürger, wenn sie in Österreich
als Arbeitnehmer tätig sind und Drittstaatsangehörige, wenn sie mehr als
fünf Jahre in Österreich gelebt und gearbeitet haben. Voraussetzung für den
Bezug ist die Bereitschaft zur Aufnahme von Arbeit. Ausgenommen sind nur
Personen mit Betreuungsverpflichtungen für Pflegefälle oder Kleinkinder bis
zum dritten Lebensjahr. Eigenes Vermögen muss bis zu einem Freibetrag von
3.720 Euro (das Fünffache der Mindestsicherung) aufgebraucht werden. Ein
wesentlicher Vorteil der Mindestsicherung ist, dass die Bezieher
krankenversichert sind und eine E-Card erhalten.
Transparenzdatenbank auf dem Weg
Bei der Transparenzdatenbank
wurde festgelegt, dass Finanz- und Sozialminister bis Anfang September einen
Begutachtungsentwurf vorlegen. Die Beschlussfassung im Nationalrat soll noch
vor Weihnachten sein, um das Gesetz mit 1. Jänner 2011 in Kraft treten zu
lassen. Zudem soll die Regierung mit den Ländern eine 15a-Vereinbarung
ausarbeiten, die bis Mitte 2011 fertig sein soll. Weigern sich einzelne
Länder, sollen sie über ein Verfassungsgesetz zur Teilnahme gezwungen
werden. Bis Anfang 2012 soll die Datenbank dann mit allen von den
unterschiedlichen Gebietskörperschaften gewährten Förderungen gefüllt sein.
In das Transparenzkonto inkludiert werden Transferzahlungen (wie Pflegegeld, Familienbeihilfe), Förderungen (z.B. Forschungsförderungen, KMU-Zuschüsse), Steuerersparnisse (etwa Gruppenbesteuerung, begünstigte Besteuerung von Zulagen), Geldleistungen der Sozialversicherung (Pensionen, Arbeitslosengeld) und Sachleistungen, z.B. Gratis-Kindergarten, Schule.
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16:50 Uhr:
Damit beenden wir unsere Live-Berichterstattung aus
dem Parlament. Auf Wiedersehen!
16:46 Uhr:
Die FPÖ hat für einen ordentlichen Fauxpas gesorgt:
Trotz heftiger Kritik stimmten die freiheitlichen Mandatare den gesetzlichen
Änderungen für den Bund zu, lehnten dann aber die Bund/Länder-Vereinbarung
ab. Ob die Partei "versehentlich" zustimmte, war zunächst unklar.
Spott und Häme der anderen Fraktionen waren der FPÖ jedoch sicher.
16:36 Uhr:
Das Gesetz zur Mindestsicherung ist im Parlament
durch Mehrheit angenommen worden. Somit ist ab 1. September dieses Jahres
eine Mindestsicherung von 744 Euro monatlich in Wien, Salzburg und
Niederösterreich vorgesehen. In den anderen Bundesländern wird der 1. Jänner
2011 als Einführungsdatum gehandelt.
16:28 Uhr:
Nach einem Marathontag im Parlament wird endlich
abgestimmt. Erwartet wird, dass das Gesetz zur Mindestsicherung mit Mehrheit
angenommen wird. Entgegen früherer Beteuerungen ist die mit 1. September
2010 geplante Einführung der Sozialmaßnahme aber nur in Wien, Salzburg und
Niederösterreich wirklich fix. In den anderen Bundesländern wird der 1.
Jänner 2011 als Einführungsdatum favorisiert bzw. gibt es rückwirkende
Beschlüsse.
16:14 Uhr:
Der Sozialminister stellt noch einmal klar: Die
Menschen müssen sich hinsichtlich der Mindestsicherung nicht davor fürchten, "dass
wir überrollt werden". Ein gewaltiger Zuzug sei keine Gefahr.
Hundstorfer. Es gebe bei der Mindestsicherung sehr viele
Mindesterfordenisse, die erst erfüllt werden müssen.
15:58 Uhr:
Bucher plädiert dafür, über den Sommer etwa alle zehn
Tage Sondersitzungen einzuberufen. Strache lässt sich "alles offen"
und ist für "vernünftige" Sondersitzungen. Und auch
Glawischnig kann sich Sondersitzungen vorstellen. Klar ist jedoch: Rein
rechtlich gesehen sind die Stimmen der Opposition für die Festlegung eines
neuen Budget-Zeitplans nicht notwendig.
15:46 Uhr:
Die Oppositionsparteien wollen am Freitag über
eventuelle Maßnahmen wegen der Verschiebung des Budget-Fahrplans beraten.
Man lasse sich alle Maßnahmen offen, hieß es von Grünen, FPÖ und BZÖ. Die
Einberufung von Sondersitzungen wird nach wie vor als Möglichkeit gesehen.
15:29 Uhr:
Laura Rudas (S) spricht von einem "sozialpolitischen
Meilenstein": Die Menschen sollten sich auf den Staat verlassen können,
wenn es ihnen einmal nicht gut so geht. Natürlich müsse kontrolliert werden,
ob jemand den Sozialstaat missbraucht. Aber jene, die unverschuldet ohne Job
geblieben sind, pauschal als Sozialschmarotzer zu verunglimpfen, sei sicher
nicht fair.
15:16 Uhr:
Gesundheitsminister Alois Stöger (S) betont: Mit dem
neuen Gesetz zur Mindestsicherung werden ab 1. September erstmals alle
Personengruppen in Österreich krankenversichert sein.
14:54 Uhr:
ÖVP-Staatssekretär Reinhold Lopatka wehrt sich gegen
die Kritik von FPÖ und BZÖ. Natürlich biete die Mindestsicherung Anreize,
wieder arbeiten zu gehen. Und wer sich zurückzulehnen will und keine Arbeit
annimmt, der werde auch keine Mindestsicherung erhalten.
14:39 Uhr:
Sehr emotionaler Auftritt von Gerald Grosz, der seine
84-jährige Großmutter als Grundbeispiel einer ihr ganzes Leben lang hart
arbeitenden Frau darstellte und die heute eine Pension von nicht ganz 800
Euro erhält. "Sozialer Wahnsinn", nennt Grosz die
Mindestsicherung. Leistung zähle in Österreich nichts mehr.
14:30 Uhr:
Die Grünen sprechen sich klar für die
Mindestsicherung aus. Karl Öllinger fordert sogar weitere Maßnahmen zur
Bekämpfung der Armut, denn mit einem Mindestlohn von 1.000 Euro brutto
monatlich könne ein Mensch nur schwer überleben.
14:15 Uhr:
Sozialminister Rudolf Hundstorfer (S) unterstellt der
Opposition Unwissenheit. Natürlich könne man nicht von einem arbeitslosen
Grundeinkommen oder einer "Hängematte" sprechen. "Verzeihen
sie mir meine Worte, Herr Bucher, aber: Sie haben keine Ahnung."
14:03 Uhr:
Das BZÖ lehnt die Mindestsicherung vehement ab. Den
Menschen ein "bedingungsloses Grundeinkommen" zu versprechen sei
ein "fatales Zeichen", erzürnt sich Josef Bucher. Künftig könnte
jeder 744 Euro "fürs Nichtstun" bekommen. Dies sei "Hängematten-Sozialismus
pur". Zudem werde die Schwarzarbeit massiv gefördert.
13:50 Uhr:
Einen "Meilenstein" und wichtigen Schritt
bei der Bekämpfung der Armut sieht SPÖ-Sozialsprecherin Renate Csörgits beim
neuen Gesetz zur Mindestsicherung. Vergleichbar sei dies mit der Einführung
des Pflegeldes in den 1990er Jahren. Kogler kündigt an, dass seine Grünen
der Transparenzdatenbank nicht zustimmen werden.
13:31 Uhr:
Strache reitet weiter Attacken: Bei der
Mindestsicherung habe die Regierug ein "Pfuschwerk" gebastelt, das
sozial nicht gerecht sei und zu Missbrauch einlade. Das neue Modell bringe
keine Anreize, sondern lade dazu ein, die Mindestsicherung zu kassieren und
schwarz arbeiten zu gehen.
13:21 Uhr:
Schön lansgam füllt sich das Plenum wieder.
13:00 Uhr:
Pause. In etwa 15 Minuten soll es weitergehen. Da
gehts dann um die Mindestsicherung, die heute beschlossen werden soll.
12:42 Uhr:
Nach teils sehr emotionalen Reden und heftigen
Wortwechseln lichtet sich der Plenarsaal schön langsam. Viele Abgeordnete
scheinen sich eine Mittagspause zu gönnen.
12:23 Uhr:
Die Opposition sei "immer obergscheit" und
wolle politisches Kleingeld wechseln, schlägt ÖVP-Finanzsprecher Günter
Stummvoll zurück. Ob eine Budgetrede vier Wochen früher oder später gehalten
wird, sei nicht wichtig und interessiere die Menschen gar nicht. Herbert
Scheibner (BZÖ) platzt kurz der Kragen, als während seiner Rede gerade
Stummvoll nicht zuhören mag und hinter dem Rednerpult mit Pröll ein Gespräch
führt.
12:06 Uhr:
Die Opposition reitet weiter aggressive Attacken gege
die Regierung. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl spricht von einem "dreisten
Stück der Unverfrorenheit" der Regierung, die nach den
Landtagswahlen "über die Bevölkerung drüberfahren wird".
Auch Glawischnig bekräftigt: Glatter Verfassungsbruch der Regierung, die ein "brutales
Sparpaket" plane.
11:47 Uhr:
Der eigentlich besonnene BZÖ-Obmann Josef Bucher wird
ungewohnt emotional. "Wir werden von der Regierung aufgefordert, die
eigenen Gesetze und die Verfassung zu brechen". Den Grund für die
Budget-Verschiebung sieht auch Bucher bei den Landtagswahlen. Sollte die
Regierung so weiter machen, drohe ein "Griechenland-Szenario". Die
Verzögerungstaktik werde der Mittelstand kräftig zu spüren bekommen.
11:36 Uhr:
ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf kritisiert Strache: Die
Wortwahl "Verfassungsbrecher" und "Strizzis" sage viel
über einen Menschen aus. Für den Budget-Fahrplan seien jedenfalls nicht
wahltaktische, sondern reine Vernunftgründe entscheidend.
(c) APA
11:27 Uhr:
Der Grüne Werner Kogler nimmt Strache in Schutz: Mit
der "Maßregelung" durch Neugebauer werde nur versucht, vom
tatsächlichen "Verfassungsbruch" abzulenken. Die Regierung
halte sich nicht an die Regeln. Grund: Angst vor den Landtagswahlen in der
Steiermark und Wien.
11:18 Uhr:
SPÖ-Klubobmann Josef Cap: Natürlich muss gespart
werden. Jene, die an der Krise Schuld sind, "werden sich sicher nicht
davonschleichen" können. Die Reichen müssten zur Kasse gebeten werden.
11:08 Uhr:
Die Wortwahl bringt Strache einen Ordnungsruf ein:
Der Ausdruck "Strizzi" hat im Parlament nichts zu suchen, stellt
der Zweite Nationalratspräsident Fritz Neugebauer (V) klar. "Der
Mensch wird Mensch erst durch die Sprache." Dieses Zitat gab Neugebauer
Strache "zum Nachdenken" mit auf den Weg.
(c) APA
11:06 Uhr:
Frontalangriff von Heinz-Christian Strache (F): Er
wirft der Regierung beim Budget-Fahrplan "Verfassungsbruch mit
Strizzi-Methoden" vor. Die Regierung habe vor den Landtagswahlen in der
Steiermark und Wien "große Panik". Die Menschen müssten
jedenfalls mit gewaltigen Steuererhöhungen rechnen.
(c) APA
10:54 Uhr:
Vizekanzler Pröll verspricht: Das Budget wird am 1.
Jänner 2011 in Kraft sein - unabhängig davon, wie der Budget-Fahrplan
aussehen wird. Er kündigt das größte Sanierungspaket für Österreich an. "Noch
nie zuvor hat eine Regierung eine solche Aufgabe gehabt." Dabei müssten
immer drei Säulen bedacht werden: Budget, Verwaltungsreform und das größte
Spar- und einnahmenseitige Paket der Zweiten Republik mit einer Perspektive
von vier Jahren.
10:45 Uhr:
Für Faymann sind zwei Dinge wichtig: Die Lasten
müssen fair verteilt und beim Sparen müssen Doppelgleisigkeiten beseitigt
werden. Lang anhaltender Applaus der SPÖ-Mandatare. Erste laute Zwischenrufe
aus Reihen der BZÖ und FPÖ.
(c) APA
10:38 Uhr:
Kanzler Fayman lobt zu Beginn seiner Rede die "geringste
Arbeitslosigkeit in Europa". "Auch in schwierigen Zeiten gehören
wir hier zu den Besten in Europa." Die Wachstums-Prognosen für
Österreich sind gut. Ob aer die große Wirtschaftskrise vorbei ist, könne
noch niemand sagen - dafür gibt es noch zu viele nicht vorhersehbare
Faktoren. Daher werde man die Prognosen der Wirtschaftsforscher im September
noch abwarten, ehe man das Budget festsetzt.
10:30 Uhr:
Nach einer eher faden "Aktuellen Stunde"
geht´s jetzt los: Mit Spannung werden die Erklärungen von Kanzler Faymann
und Vize-Kanzler Pröll zum Budget-Fahrplan erwartet. Schön langsam füllt
sich auch die Regierungsbank.
10:26 Uhr:
Nach zwölf Frauen schreitet der erste Mann zum
Rednerpult. Und der fraktionslose Kärntner Josef Jury (früher BZÖ) will
gleich "das Bild der Familie zurechtrücken": "Wir wollen
nicht, dass Lesben und Schwule Retortenkinder großziehen". Seine
Wortmeldungen führen zu einer Diskussion innerhalb des dritten Lagers.
10:20 Uhr:
Die Mandatare gehen weiter großteils anderen
Beschäftigungen nach, als sich an der Debatte über die Familienpolitik zu
beteiligen. Die Regierungsbank ist noch immer leer. Lediglich
Familienstaatssekretärin Christine Marek ist anwesend. Naturgemäß stößt dies
bei der Opposition auf Kritik.
10:13 Uhr:
Auch Ursula Haubner (BZÖ) und die FPÖ befürchten,
dass der Gratis-Kindergarten und die 13. Familienbeihilfe einem Sparbudget
zum Opfer fallen könnten.
09:55 Uhr:
Die Grüne Parteichefin Eva Glawischnig befürchtet ein
rigoroses Sparbuget und damit Auswirkungen auf die Familienpolitik, etwa die
Abschaffung von Gratis-Kindergarten. Und sie warnt: "Kinderarmut ist in
Österreich stärker geworden".
09:42 Uhr:
"Aufwärmphase" im Hohen Haus. Die
meisten Abgeordneten haben sich bereits im Plenarsaal eingefunden, die
Regierungsbank ist noch leer. Alle warten auf die Debatte über den
Budget-Fahrplan. Viele Mandatare surfen im Internet, lesen Zeitungen,
telefonieren oder tratschen.
09:25 Uhr:
Staatssekretärin Christine Marek (V) spricht von "entscheidenden
Erfolgen" in der Familienpolitik in den vergangenen Jahren. "Aber
wir sind noch nicht dort, wo wir sein wollen."
09:10 Uhr:
Der Plenartag hat mit einer "Aktuellen Stunde"
der ÖVP über die Familienpolitik begonnen. Der Höhepunkt ist aber sicherlich
die Debatte über den Budget-Fahrplan. Die Debatte darüber soll um etwa 10:30
beginnen.
8:50 Uhr: Zu Beginn der Sitzung thematisiert die ÖVP in einer "Aktuellen Stunde" (ab 9 Uhr) die Familienpolitik. Gleich danach geben Kanzler Werner Faymann (S) und Vizekanzler Josef Pröll (V) Erklärungen zum Budget-Fahrplan ab, was wohl eine kontroversielle Debatte nach sich ziehen wird. Da dieser Punkt kurzfristig auf die Tagesordnung genommen wurde, wird der Beschluss der elektronischen Fußfessel auf den Freitag verschoben.
8:48 Uhr: Heute steht im Parlament ein wahres Mammutprogramm auf dem Plan. Die Mindestsicherung nimmt eine große Hürde. Gleichzeitig verabschiedet wird ein Entschließungsantrag, mit dem die so genannte Transparenzdatenbank auf den Weg gebracht wird.