Missbrauch in Kirche
80.000 Menschen könnten heuer austreten
21.06.2010
Die dreitägige Bischofskonferenz in Mariazell steht im Schatten der Missbrauchs-Skandale und einer riesigen Welle von Kirchenaustritten.
Selten war die Stimmung bei einer Sommerversammlung der österreichischen Bischöfe angespannter als dieses Jahr. Seit Montag beraten Österreichs Bischöfe in Mariazell die Zukunft der katholischen Kirche. Doch angesichts der zahlreichen Missbrauchs-Skandale, die seit Mitte März das ganze Land erschüttern, und der daraus resultierenden riesigen Welle an Kirchenaustritten ist das Routine-Treffen der Bischöfe eher eine Krisenkonferenz.
Kirche entgehen durch die Austritte 8,3 Millionen Euro
Denn die
Lage der katholischen Kirche ist sehr ernst: Der Wirbel um den sexuellen
Missbrauch durch Priester und Pater geht den Menschen emotional und
persönlich sehr nahe. Und diese negative Stimmung gegenüber der Kirche
schlägt sich auch in Zahlen nieder. Wie Josef Weiss, Leiter der
Kirchenbeitragsstelle der Erzdiözese Wien bestätigt, drohen der Kirche heuer
bis zu 80.000 Kirchenaustritte – ÖSTERREICH berichtete bereits im März 2010
darüber.
Das sorgt nicht nur für einen enormen Imageschaden, der schwer korrigierbar ist. Vor allem verliert die Kirche mit den Austritten sehr viel Geld. Rechnet man mit einem durchschnittlichen Kirchenbeitrag von 104 Euro/Jahr, entgehen der Kirche rund 8,3 Millionen Euro Cash.
Fakt ist: Es besteht Handlungsbedarf. Der bekannte Theologe Paul Zulehner fordert im ÖSTERREICH-Interview (siehe Story rechts): „Es muss etwas passieren in der katholischen Kirche. Ich erwarte mir jetzt klare Neuerungen.“
Mit neuen Maßnahmen will Kirche aus Krise steuern
Die
Offiziellen hüllten sich am Montag in einen Mantel des Schweigens. Die
Bischofsvertreter wollten zu den geplanten Reformen noch nichts sagen.
Hinter den Kulissen sickerte jedoch durch, dass ein Reformpapier existiert, das Kardinal Christoph Schönborn am Mittwoch öffentlich präsentieren will. Denn seit Wochen bastelten Theologen unter der Führung des Wiener Generalvikars Schuster an einem neuen Maßnahmenkatalog, der die Kirche aus der Krise führen sollte.
Opfer: Scharfe Kritik an der Klasnic-Kommission
Konkret sollen
die Richtlinien für neu eintretende Priester verschärft werden – etwa durch
die Einbeziehung von Psychologen, die die neuen Priester auf ihre Eignung
prüfen. Zudem soll eine Anzeigepflicht für Kirchenmitarbeiter bei Verdacht
des Missbrauchs beschlossen werden.
Neben den Bischöfen ist die offizielle Opferschutzbeauftragte Waltraud Klasnic in Mariazell anwesend. Sie präsentierte einen Zwischenbericht. Ihre Arbeit wird zumindest aus der Sicht der Opfer scharf kritisiert. Opfer-Anwalt Werner Schostal sagt: „Wir fordern, dass die Klasnic-Kommission den Titel unabhängig zurücklegt.“
Theologe Paul Zulehner fordert: |