Kirchenskandal
Missbrauchsopfer wollen bis zu 17 Mio.
22.06.2010
130 Betroffene wollen für ihr Leid entschädigt werden. Ihre Vertreter werfen der Kirche Unterlassung vor.
Die Rechtsvertretung Betroffener von sexuellem Missbrauch in der Kirche hat nun Aufforderungsschreiben an die Diözesen verschickt. Darin werden für die 131 Kläger Entschädigungszahlungen in Höhe von bis zu 130.000 Euro pro Person verlangt. Den jeweiligen Diözesen sowie Erzdiözesen wird Unterlassung zur Last gelegt. Weiters wirft Rechtsanwalt Werner Schostal der Kirche vor, als Erfüllungsgehilfe bei den verschiedenen Fällen von Missbrauch mitgewirkt und Geistliche bewusst weiter eingesetzt zu haben.
"Nichts unternommen"
"Da der Diözese bekannt war, dass
es in Ihrer Diözese zu sexuellen Übergriffen auf Schutzbefohlene gekommen
ist, und sie nichts dagegen unternommen hat, setzte sie ein objektiv
pflichtwidriges und daher schuldhaftes Verhalten", heißt es in dem
Aufforderungsschreiben. Schostal, der die Opfer - sie sind in der Plattform
"Betroffene kirchlicher Gewalt" organisiert - vertritt, hat in einem ersten
Schritt an sechs Diözesen ein Schreiben gerichtet, das jeweils einen
exemplarischen Fall behandelt. Innerhalb von zehn Tagen muss eine Antwort
erfolgen.
Verjährung uninteressant
Die sexuellen Übergriffe lassen das
Verhalten der Diözesen "in einem noch strengeren Licht erscheinen", ist der
Anwalt der Meinung. Die Opfer hätten sich "voll und ganz der Institution
Kirche" anvertraut. "Auch an Aufklärung war in dieser Zeit noch nicht zu
denken, sodass das Opfer sich niemanden anvertrauen konnte und mit der
Tatsache des sexuellen Übergriffes alleingelassen wurde." Eine Verjährung in
manchen Fällen will der Anwalt nicht anerkennen.
Kirche als Erfüllungsgehilfe
Neben dem Tatbestand des
Missbrauchs erfülle die Kirche noch jenen eines Unterlassungsdelikts, ist
Schostal der Ansicht. "Die Erzdiözese nahm es billigend in Kauf, dass
sexuelle Übergriffe auf Schutzbefohlene geschehen, da sie keine erkennbaren
Gegenmaßnahmen setzte bzw. sich nicht vergewisserte in weit in ihrer Diözese
solche Vorfälle passieren", so die Begründung. "Entsprechende vom Gesetz
geforderte Handlungen, um solche Taten zu verhindern, wurden ohnedies nicht
gesetzt." Die Diözese hafte somit für Handlungen des unmittelbaren
Schädigers als Erfüllungsgehilfe wie für eigenes Verschulden.
Kirche haftet für den Schaden
Weitere Schuld sieht der
Rechtsanwalt insbesondere in jenen Fällen, in denen die Kirche den
"unmittelbaren Schädiger" weiter in Bereichen einsetzte, "in denen sich
seine gefährliche Neigung realisieren konnte" und spricht von
Besorgungsgehilfenhaftung: "Wer sich wissentlich einer gefährlichen Person
zur Besorgung seiner Angelegenheiten bedient, haftet für den Schaden, den
sie in dieser Eigenschaft einem Dritten zufügt."
Schostal geht davon aus, dass sich die Summen der Entschädigungszahlungen in der Bandbreite von 15.000 Euro für leichte Gewalt und 130.000 Euro für schwere Gewalt bewegen müssen. Bis zur genauen Klärung der Ansprüche sind die Diözesen aufgefordert, "ohne weiteres Zuwarten" ein Akonto in der Höhe von 15.000 Euro zu erbringen. Zusätzlich verlangt die Plattform "Betroffene kirchlicher Gewalt" auch Therapiekosten erstattet, lediglich jeder fünfte Betroffene benötige das allerdings, so ein Sprecher der Plattform.
Ausdrücklicher Wunsch der Betroffenen ist es auch, dass die an die Diözesen übermittelten Daten nicht an die von Kardinal Christoph Schönborn eingesetzte Opferanwaltschaft unter Waltraud Klasnic weitergeleitet werden.