Sommertalk

Mitterlehner: "Task-Force gegen Flüchtlings-Chaos“

23.08.2015

Reinhold Mitterlehner bleibt im Sommergespräch Optimist.

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© TZ ÖSTERREICH
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Reinhold Mitterlehner ist gut drauf. Zwar war es für ihn der arbeitsintensivste Sommer seit Jahren – fast ohne Urlaub –, aber den ­Optimismus hat „Django“ nicht verloren. Ganz im ­Gegenteil.

Zwischen einem Besuch im Flüchtlingslager Trais­kirchen („Erschüttert bin ich nicht, die Organisation finde ich besser als er­wartet. Chaos herrscht dort ­keines, aber das Schicksal der Flüchtlinge macht schon ­betroffen!“) und einem ­langen Termin beim Kanzler, bei dem er eine Flücht­lings-Taskforce vereinbart, nimmt er sich zwei Stunden Zeit für das ÖSTERREICH-Gespräch.

Der Spitzname »Django« gefällt ihm mittlerweile
Wenn man ihm Versagen beim Asyl-Management vorwirft, wird Mitterlehner heftig – zaubern, meint er, kann keine Regierung der Welt.

Die Flüchtlingskrise und die drohenden Wähler-­Watschen in Wien und Oberösterreich haben den ÖVP-Chef und seinen SPÖ-Zwilling zusammengeschweißt:

Kein böses Wort über ­Faymann („Derzeit arbeiten wir gut zusammen“), kein Flirt mit der FPÖ, sondern eine klare Absage an einen fliegenden Koalitionswechsel mit Strache.

Sauer ist Mitterlehner deshalb nur über das ­ÖSTER­REICH-Plakat, das ihn ironisch mit einem schwarz-blauen Auge zeigt: „Ganz ehrlich, soll das witzig sein?“

Extrem optimistisch sieht Mitterlehner die nahe Zukunft. „Wir gehen einem guten Jahr entgegen“, prognostiziert er und zeigt sich überzeugt: „Die Regierung ist besser als ihr Ruf – Sie werden sehen: 2016 geht’s nach oben.“

Mitterlehner: »Die Flüchtlings-Krise erlebe ich wie ein Sisyphos-Drama«

ÖSTERREICH: Herr Vizekanzler, geht Ihnen das Thema Flüchtlinge schon auf die ­Nerven?
Reinhold MITTERLEHNER: Das Flüchtlingsthema ist schwierig und komplex. Ganz Europa und viele Staaten der Welt stehen vor dieser Herausforderung. Insgesamt sind weltweit 50 Millionen Menschen auf der Flucht. Im vergangenen Jahr kamen 28.000 Flüchtlinge zu uns, für heuer werden bis zu 80.000 erwartet. Eine Bundesregierung kann nicht Probleme wegzaubern, sie kann sie nur gemeinsam mit Ländern und Gemeinden ­lösen. Die Länder haben sich zu Quoten verpflichtet, bemühen sich zwar, aber schaffen sie nicht.

ÖSTERREICH: Aber die Watschen kriegen Sie …
MITTERLEHNER: Politik ist oft ungerecht. Aber bei einem Streit um die Flüchtlings­frage werden alle nur ver­lieren – gewinnen werden nur die, die solidarisch sind.

ÖSTERREICH: Trotzdem hat diese Regierung beim Management der Flüchtlings-Krise versagt. Ist die Innenministerin überfordert?
MITTERLEHNER: Ich finde es nicht fair, wenn sich alle an der Ministerin abputzen. Das ist eine schwierige Problematik, für die auf Basis einer Verfassungsregelung die Länder zuständig sind und die wir nur gemeinsam lösen können. Beim Asylgipfel ­haben die Länder bis zum 20. Juli 6.500 Quartiere versprochen, geschafft haben sie 3.400. Ist das der Innenministerin vorzuwerfen? Diese Flüchtlingskrise ist wie ein Sisyphos-Drama. Sobald Sie einen Stein auf den Berg gerollt haben, rollt schon der nächste herunter. Sehen Sie sich Deutschland, Ungarn, Italien an – Sie haben überall dieselben Probleme. Wir müssen daher der Bevölkerung vermitteln, dass Menschenrechte unteilbar sind und wer wirklich in Not ist, auch Hilfe bekommen muss.

ÖSTERREICH: Aber Ihr Management der Asyl-Krise als Regierung war ein Desaster.
MITTERLEHNER: Es ist eine Aufgabe aller, von Bund, Ländern und Gemeinden. Aber wir werden jetzt das Tempo und die Durchsetzung beim Flüchtlings-Management als Regierung deutlich erhöhen. Deshalb das Gesetz mit dem Durchgriffsrecht auf Bundesimmobilien in den Gemeinden von Bundesländern, die die Quote nicht erfüllen. Wir können das Problem lösen, wenn jede Gemeinde nur 1,5 % aufnimmt – also 30 Flüchtlinge auf 2.000 Einwohner. Das ist zumutbar.

ÖSTERREICH: Und Sie haben keine Fehler im Asyl-Management gemacht? Null Fehler?
MITTERLEHNER: Keiner macht null Fehler. Wir starten am kommenden Dienstag in der Bundes­regierung eine Task-Force, in der sich der Kanzler, ich persönlich und die zuständigen ­Minister Mikl-Leitner, Klug, Ostermayer und Kurz künftig einmal pro Woche nach dem Ministerrat des Themas annehmen und es auf „Chefebene“ betreuen werden. Die Quartiere, die Betreuung, die dafür nötigen Gesetze – bis Anfang Oktober wird es gelingen, die Flüchtlings-Problematik deutlich zu entschärfen.

ÖSTERREICH: Sind Sie dafür, dass wir die Grenzen wieder verstärkt kontrollieren – etwa mit dem Bundesheer?
MITTERLEHNER: Erstens ist es laut EU-Vertrag gar nicht erlaubt, zweitens würde sich die Zahl der Flüchtlinge sogar noch erhöhen, wenn das Bundesheer gleich hinter der Grenze alle aufsammelt – wir müssten die ja dann erst recht aufnehmen. Ich halte es für sinnvoller, gemeinsam mit Ungarn etwa die EU-Außengrenze nach Serbien und Mazedonien stärker zu überwachen.

ÖSTERREICH: Wie lange wird das Asyl-Chaos noch unsere Polit-Diskussion bestimmen?
MITTERLEHNER: Das kann keine Regierung in ein paar Tagen lösen. Wir brauchen heuer 35.000 neue Quartiere für Flüchtlinge – das wird ­eine Kraftanstrengung, die wir solidarisch schaffen müssen. Aber ich hoffe, dass wir das bis Oktober im Griff haben.

ÖSTERREICH: Bis dahin werden Sie in den Umfragen kräftig abgestraft.
MITTERLEHNER: Natürlich gewinnt im Moment die Partei, die Ängste schürt. Aber ich glaube, dass die Bürger langsam zum Nachdenken kommen und nicht mehr jede Angst-Parole ernst nehmen. Ich erwarte, dass wir einen positiven Herbst und ein recht erfolgreiches nächstes Jahr erleben werden, wo die Steuerreform greifen wird, ein Aufschwung kommt, die Wirtschaft anspringt – wenn wir alle die Ärmel endlich aufkrempeln und nicht ständig nur jammern. Die Daten sagen uns, dass wir 2016 einen positiven Schritt nach vorne machen.

ÖSTERREICH: Es ist immer gut, Ihren Optimismus erleben zu dürfen – aber droht Ihnen vorher nicht noch bei den Herbst-Wahlen ein politisches Erd­beben?
MITTERLEHNER: Was ist ein Erd­beben in Ihren Augen?

ÖSTERREICH: Wenn Strache etwa die Wien-Wahl gewinnt und Häupl als Bürgermeister ablöst. Stürzt dann auch Ihr Regierungs-Zwilling Faymann?
MITTERLEHNER: Das müssen Sie die SPÖ fragen, ich spekuliere nicht. Derzeit arbeiten wir gut zusammen.

ÖSTERREICH: Ist Faymann als SPÖ-Chef unter Druck?
MITTERLEHNER: Das muss jeder Leser selbst beurteilen. Es ist nicht meine Aufgabe, dazu eine Einschätzung zu geben.

ÖSTERREICH: Würden Sie Strache zum Bürgermeister wählen, wenn er in Wien siegt und das mit VP-Stimmen geht?
MITTERLEHNER: Nicht alles, was theoretisch denkbar ist, ist auch wünschenswert – und heißt auch nicht, dass es dann so eintreten wird. Warten wir doch einmal die Wiener Wahlen ab!

ÖSTERREICH: Wenn ja: Würden Sie sich dann von Strache mit schwarz-blauer Mehrheit zum Kanzler machen lassen?
MITTERLEHNER: Also das kann ich Ihnen garantieren: Wir haben nicht das geringste Interesse an einem fliegenden Koalitionswechsel. Den wird es nicht geben. Das wäre abstrus.

ÖSTERREICH: Welchen Sinn hat es dann, dass Sie wie Manchester United dauernd neue Abgeordnete einkaufen?
MITTERLEHNER: Weil sie – um in Ihrer Fußballsprache zu bleiben – ablösefrei zu haben waren. Ich will festhalten, dass wir hier nicht eingekauft haben, weder etwas bezahlt noch etwas versprochen haben – sondern wir bieten nur ein professionelles Umfeld für gutes Arbeiten.

ÖSTERREICH: Wollen Sie wirklich mit der SPÖ bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag weiter regieren?
MITTERLEHNER: Zuerst einmal: Wir ­gehen einem guten Jahr entgegen. Der so wichtige Aufschwung kommt, wir werden mit viel Investitionen dazu beitragen. Etwa im Wohnbausektor. Aber wir ­haben dringenden Verbesserungsbedarf bei Pensionen und Verwaltung. Da müssen sofort Reformen angegangen werden. Wir müssen dringend darüber reden, das Pensionsantrittsalter der Frauen dem der Männer anzupassen. Nicht erst 2024, sondern in Etappen, damit sich die Leute auch darauf einstellen können. Wir müssen generell das Pensionsalter anheben – die Schweden gehen 5 Jahre später in Pension. Das sollte unser Vorbild sein. Wir haben uns den Februar 2016 als Startpunkt für die Pensionsreformen gesetzt. Wenn die SPÖ Bereitschaft zu schnelleren Reformen zeigt, wenn wir in der Schulreform weiterkommen und in der Verwaltung sparen, dann kann eine gute Partnerschaft möglich sein. Die Regierung ist besser als ihr Ruf. Sie werden sehen: 2016 geht’s nach oben. Und die nächste Wahl wird anders aussehen als die ­Umfragen.

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