Der Angeklagte des Terror-Prozesses, Mohamed M., rastete verbal aus. Die Verhandlung wurde unterbrochen. Es wurde schwer belastet.
Anhand der gesammelten Beweise bei der Online-Überwachung steht fest, dass Mohamed M. Bezug zu terroristischen Aktivitäten hatte. Auf entsprechende Aussagen von zwei Beamten beim Wiener Terror-Prozess am Mittwoch hin verlor der Angeklagte im Großen Schwurgerichtssaal die Nerven, beschimpfte die Ermittler und sorgte für eine Verhandlungsunterbrechung.
"Das Video hat etwas bewirkt!"
Der Beamte vom
Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) gab an, es
sei praktisch erwiesen, dass Mohamed M. nach Auftauchen des "Droh-Videos"
folgenden Text verfasst habe: "Man fürchtet sich vor der Front!
(Gemeint war die 'Globale Islamische Medienfront', Anm.) bei Gott, das Video
hat etwas bewirkt!"
"Ich kann beweisen, dass das auf Ihrem Computer geschrieben worden ist", meinte der Beamte direkt zum Angeklagten.
Anschlagspläne zur Fußball-EM
Noch deutlicher wurde
der Ermittler von der "Sondereinheit Observation", der angab,
Mohamed M. habe in einem islamistischen Forum einen Text gepostet, der
konkrete Anschlagspläne auf die Fußball-Europameisterschaft zum Thema hatte.
Das sei aus der Kombination von Screenshots und aufgezeichneten
Tastaturanschlägen belegbar. "Er hat es zu 100 Prozent geschrieben",
bemerkte der Polizist.
Text angeblich nicht verfasst
Daraufhin wurde es turbulent.
Mohamed M. beschuldigte das BVT, man wolle ihm "etwas unterschieben".
Er habe die gegenständlichen Passagen nicht verfasst bzw. nicht öffentlich
gemacht. In einem Fall habe es sich um eine "private Nachricht"
gehandelt, die niemals publik geworden sei: "Das ist etwas Anderes als
E-Mail oder Chat!"
"Marionetten der Amerikaner"
Das BVT habe "nicht
das Geringste überprüft", wetterte Mohamed M.: "Ich
unterstelle dem BVT, dass sie Marionetten der Amerikaner sind, die mich ins
Gefängnis bringen wollen!" Das BVT arbeite "auf Zuruf der CIA".
Richter Norbert Gerstberger ordnete daraufhin eine Verhandlungspause an.
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Daten im Umfang von 98 Gigabyte hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) am Computer von Mohamed M. im Rahmen eines genehmigten "Großen Lauschangriffs" aufgezeichnet. Ein zu diesem Thema geladener BVT-Beamter versicherte am Mittwoch im Wiener Terror-Prozess im Zeugenstand, die Internet-Überwachung hätte "völlig einer herkömmlichen Telekommunikationsüberwachung entsprochen". Eine rechtliche bedenkliche Online-Durchsuchung hab es nicht gegebenen, pflichtete ein weiterer Polizist bei.
Provider wurde kontaktiert
Den Angaben des BVT-Beamten zufolge
habe man zur Überprüfung des unter Terror-Verdacht geratenen Mannes seinen
Provider kontaktiert. Die dort gespeicherten Daten des Users wurden kopiert,
ehe sie ins Netz gestellt wurden, ans Überwachungsgerät weitergeleitet und
abgespeichert. Danach machten sich Experten an die Auswertung.
Verschlüsselter Datenverkehr
Dabei wurde festgestellt, dass
Mohamed M. 35 Prozent des Datenverkehrs unter Zwischenschaltung eines
Proxy-Servers in Malaysia laufen und somit anonymisieren hatte lassen. Da
die Entschlüsselung dieser Daten nicht möglich war, zog das BVT die "Sondereinheit
Observation" heran, die nun - wie in der Verhandlung betont wurde -
ebenfalls vom "Großen Lauschangriff" gedeckte Maßnahmen
setzte.
Wanzen installiert
Im Zimmer von Mohamed M., der zum
Tatzeitpunkt noch bei seinem Eltern wohnte, wurden Wanzen installiert, womit
eine durchaus Sinn machende Audioüberwachung seiner Online-Aktivitäten -
Stichwort Internet-Telefonie - möglich war. Zusätzlich wurden zwei Kameras
installiert - allerdings nicht in den Räumlichkeiten selbst, sondern im
Hauseingangsbereich und auf der vor seinem Zimmer gelegenen Straße.
Videoüberwachung
"Die Videoüberwachung innen war
angeordnet, aber nicht möglich", stellte dazu ein Vertreter der "Sondereinheit
Observation" fest. Also habe man sich entschlossen, sich sogenannte
Screenshots zu besorgen, um feststellen zu können, wozu der 22-Jährige
seinen PC allgemein nutzte.
Software am PC installiert
In diesem Stadium der Ermittlungen
wurde - naturgemäß ohne sein Wissen - ein Software-Programm auf dem Computer
von Mohamed M. installiert, "um den Bildschirminhalt und die Tastatur
auswerten zu können", wie der Beamte von der Sonderkommission
darlegte. Alle 60 Sekunden lichtete die Software den Bildschirm ab und
lieferte der Polizei Hinweise auf das aktuelle Geschehen. Was dazwischen
passierte, habe sich aus den Tastaturanschlägen ermitteln lassen, erklärte
der Beamte.
"Das ist keine Online-Durchsuchung, sondern eine Online-Überwachung", wies der Zeuge Aussagen von Verteidiger Lennart Binder zurück. Man habe keinen Trojaner installiert, wäre nicht heimlich in den Computer eingedrungen und hätte die Festplatte "ausspioniert".
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Ziel der GIMF, in der sich Mohamed M. laut Anklage federführend betätigt haben soll, sei es gewesen, "die Flamme des Dschihad am Leben zu erhalten. Und alles, was dazu führt, benutzt man." Das sagte ein Experte vom deutschen Bundeskriminalamt (BKA), der am Mittwoch im Terror-Prozess am Wiener Landesgericht nach Wiederzulassung der Öffentlichkeit eingehend befragt wurde.
Was ist "Dschihad"?
Als das Gericht erfragen wollte,
was genau unter Dschihad zu verstehen sei, antwortete der Polizist mit
arabischen Wurzeln zunächst ausweichend: "Sie können jeden fragen
und werden 100 verschiedene Antworten erhalten." Ursprünglich meine
Dschihad ein "Sich-Annähern auf dem Weg zu Gott". Im Lauf der
Geschichte habe der Begriff einen kämpferischen Zug angenommen, wie etwa das
Wort Panzer, das sich vom Ausdruck für eine Ritterrüstung zur Bezeichnung
für ein Kettenfahrzeug entwickelt habe, sagte der Fachmann. In seiner
strengsten Ausformulierung nehme es der Dschihad als "Kollateralschaden"
hin, wenn in Verfolgung seiner Ziele bei Anschlägen gegen Ungläubige
Unschuldige zu Tode kämen.
Propaganda für Terror-Netzwerke
Das alles hatte insofern
mit dem gegenständlichen Verfahren zu tun, als Mohamed M. bei der GIMF
Propaganda für Terror-Netzwerke wie al-Qaida betrieben und an einem "Droh-Video"
gegen die deutsche und österreichische Bundesregierung mitgewirkt haben
soll, indem sinngemäß Anschläge angekündigt wurden, sollten nicht Soldaten
aus Afghanistan abgezogen werden.
War Mohamed M. wirklich auf dem Video?
"Die GIMF hat seit
2003 Propaganda für islamistisches Gedankengut betrieben",
berichtete der deutsche BKA-Beamte, der im Vorfeld auch das Video
gutachterlich analysiert hatte. Zum im Raum stehenden Verdacht, der
Vermummte, der darauf Drohvokabular von sich gibt, könnte Mohamed M. sein,
meinte der Zeuge, das lasse sich aufgrund qualitativer Mängel des Videos
nicht feststellen: Es gebe "keinen eindeutigen Hinweis Person und
Identität" des Mannes.
Da die Zweitbeschuldigte Mona S. ihren Gesichtsschleier nicht abnehmen wollte, blieb sie weiter von der Verhandlung ausgeschlossen.