Der Ex-Parteichef kritisierte die Delegierten, seinen Neuwahlkurs nicht mitgetragen zu haben und daher am schlechten Ergebnis mitschuld zu sein.
Am ÖVP-Parteitag in Wels hat sich der abtretende ÖVP-Obmann Wilhelm Molterer in seiner Abschiedsrede nicht nur auf Dankes- oder Erinnerungsfloskeln beschränkt, er hat die eigenen Parteifreunde angegriffen. Er findet, dass sie für das schlechte Abschneiden der ÖVP bei den Nationalratswahlen am 28. September mitverantwortlich sind.
"Trage Verantwortung allein?"
Molterer verteidigte sich und
seine Neuwahlentscheidung. Der Schritt sei "gut überlegt und wohl begründet"
gewesen, für das schlechte Wahlergebnis übernehme er die Verantwortung.
Allerdings: "Ich übernehme die Verantwortung, frage mich aber oft in diesen
Tagen, ob ich sie alleine trage", so die Rüge.
"Hat jeder alles gegeben?"
Die Delegierten sollten sich
fragen, "ob wirklich jeder alles gegeben hat, was für den Erfolg notwendig
ist. Oder war es nicht so, dass die eine oder andere Interessenslage den
gemeinsamen Willen zum Erfolg überlagert hat?", so Molterer. Jedenfalls
sollten die Zuhörer die "richtigen Lehren" aus dem Wahlergebnis, einem
"bitteren Tag", ziehen.
Viele in der eigenen Partei hatten keine Lust auf plötzlich losgetretene Neuwahlen. Sie fürchteten ein mageres Wahlergebnis. Der berühmte "Es reicht"-Sager des Vizekanzlers hatte sie zusätzlich am falschen Fuß erwischt.
Den Koalitionsbruch rechtfertigte Molterer einmal mehr mit bekannten Argumenten: In zentralen Fragen, wie der EU, habe es keinen Konsens mit dem Regierungspartner gegeben, und SPÖ-Ex-Parteichef Alfred Gusenbauer innerparteilich "abgeschossen" worden.
"Voll loyal zu Pröll"
Seinem Nachfolger Josef
Pröll sagte Molterer seine "volle Loyalität" zu. Gleichzeitig rief er die
Partei zu seiner Unterstützung auf, nicht nur bei der Wahl zum Parteichef,
sondern "auch in schwierigen Zeiten".