Nach Gewalt-Demos

Morddrohungen gegen Nehammer und Raab

01.07.2020

Nach den Gewalt-Demos in Favoriten mussten die beiden Minister unter Polizeischutz gestellt werden.

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© APA/HERBERT NEUBAUER
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Neue Eskalation nach den Ausschreitungen in der letzten Woche in Wien-Favoriten. In den sozialen Medien wurden gegen Innenminister Karl Nehammer und Integrationsministerin Susanne Raab wüste Morddrohungen ausgesprochen. Die beiden Minister sind deshalb seit heute Nacht unter Polizeischutz und werden rund um die Uhr von Cobra-Beamte bewacht. Eine Sprecherin von Nehammer bestätigte die Drohungen sowie den Polizeischutz gegenüber oe24. Hintergrund sei das harte Auftreten der beiden Minister gegenüber türkischen Nationalisten. 

Kurz: Attacke auf Türkei nach Demo-Krawallen

VP-Kanzler Sebastian Kurz hatte zuletzt am Dienstag die Türkei scharf angegriffen. Das Land würde „Unfrieden säen“ und in Österreich für die eigenen Interessen „Stimmung machen“. Dies sei ein „Missbrauch der Menschen mit türkischen Wurzeln, die in Europa leben“. Kurz weiter: „Es muss ein Ende haben, dass die Türkei versucht, auf die Menschen hier in Österreich Einfluss zu nehmen.“

"Konflikte aus der Türkei importiert"

Kurz glaubt, dass die Konflikte „aus der Türkei im­portiert“ würden und „Menschen, die in Favoriten leben, ihrer Heimat beraubt“ würden. „Wer ein Bedürfnis nach Straßenauseinandersetzungen hat, der soll das in der Türkei tun“, so Kurz.
 

Stränge zur Türkei und zu türkischen Vereinen?

Eskalation. Demonstrationen von Kurden waren vergangene Woche von türkischen Ultranationalisten angegriffen worden. Es gab insgesamt elf Festnahmen, darunter einen „Rädelsführer“ sowie zwei Personen mit türkischer Staatsbürgerschaft. Es gelte, herauszufinden, „welche Stränge es zur Türkei und zu türkischen Vereinen in Österreich gibt“, sagt Kurz. Diese Verbindungen müssten gekappt werden (siehe unten).
 
 
Die Delikte reichen von Körperverletzung bis zu Widerstand gegen die Staats­gewalt. Zudem gibt es Bildaufnahmen von Personen, die den nationalistischen Wolfsgruß machen. Nach dem neuen Symbole-Gesetz steht darauf eine Geldstrafe von 4.000 bis 10.000 Euro.

Türkei-Botschafter wehrt sich im ÖSTERREICH-Talk

Konter. Für den türkischen Botschafter Ozan Ceyhun, der am Montag zum Außenminister einbestellt wurde, waren die Ausschreitungen „kein Türken-Kurden-Streit, das war ein Zusammenstoß zwischen Jugendgruppen“, wie er gegenüber ÖSTERREICH betont. Er glaubt, dass dahinter Versuche stecken, „die Gruppen aufeinander­zuhetzen“. Die türkische Seite würde „alles tun, um Zusammenstöße zu verhindern“.
 

Türkei-Botschafter: "Es war gezielte Provokation"

Ozan Cayhun im oe24.TV-Interview über die Gewaltdemos.

ÖSTERREICH: Herr Botschafter, weshalb gab es diese ­Zusammenstöße zwischen Kurden und Türken in Wien-Favoriten?
 
Ozan Ceyhun: Das Ganze ist eine traurige Entwicklung. Aber der Protest, der die Zwischenfälle ausgelöst hat, war die Demonstration eines kurdischen Kampfverbandes, das ist eine Abordnung der Terrorgruppe PKK. Ziel dieser Demo war es wohl, den Beziehungen zwischen Österreich und der Türkei zu schaden. Leider hat sie ihr Ziel erreicht.
 
ÖSTERREICH: Die türkische Seite spricht von gezielter Provokation bei der Demo?
 
Ceyhun: Die Demonstra­tion wurde zwar über legale Wege angemeldet, es mischten sich aber Extremisten darunter, die türkische Jugendliche provoziert haben. Das war kein Türken-Kurden-Streit, das war ein Zusammenstoß zwischen Jugendgruppen. Am Ende haben die Provokateure die Oberhand gewonnen.
 
ÖSTERREICH: Und jetzt?

Ceyhun: Es wird bestimmt Versuche geben, die Gruppen wieder aufeinanderzuhetzen. Die PKK und ähnliche Terrororganisationen haben entdeckt, dass einige Jugendliche leicht provoziert werden können. Ich fürchte, sie werden das wieder missbrauchen. Wir von türkischer Seite tun alles, um Zusammenstöße zu vermeiden.(wek)
 

Raab: Türkische Vereine im Visier

 
Ministerin ließ „Weihnachts­sager“ des türkischen Botschaf­ters analysieren. Der türkische Botschafter Ozan Ceyhun sorgte bereits Anfang Mai für Wirbel, als er bei einer Ramadanveranstaltung Weihnachten als ein „egoistisches“ Fest bezeichnete. ÖVP-Integrationsministerin Susanne Raab ließ die Aussage vom Islam­experten Mouhanad Khorchide untersuchen. Das Ergebnis liegt nun vor: Die Aussage verstoße zwar nicht ­gegen das Islamgesetz, doch sie sei „gesellschaftspolitisch spaltend“. Sie hätte „integrationspolitisch eine negative Wirkung“.
 
© APA/HELMUT FOHRINGER
 
Zudem weist der Bericht darauf hin, dass es sich bei den Organisatoren der Veranstaltung um „Vereine, die augenscheinlich aus dem Wirkungsbereich des politischen Islam stammen und von diesem finanziert werden“, handelt.
 
Koalition. Nach diesem Bericht und nach den Ausschreitungen von türkischen Ex­tremisten auf kurdischen Demonstrationen drängt Raab nun auf die Einrichtung der Dokumentationsstelle für politischen Islam. Auf diese haben sich ÖVP und Grüne im Zuge der Regierungsverhandlungen geeinigt. Die Dokumentationsstelle soll im Sommer starten. Raab sagt: „Diese Stelle wird Vereinskon­struktionen an der Schwelle zum politischen Islam wissenschaftlich durchleuchten. Dieser Fall und die Ereignisse der letzten Tage zeigen, wie weit die Hände des politischen Islam nach Österreich reichen.“
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