Nach Rückzug

Moser rechnet mit dem U-Ausschuss ab

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Das Tauziehen um den U-Ausschuss war an Dramatik nicht zu überbieten. Mittendrin 
Gabriela Moser. Ihre Bilanz.

Sie war die Galionsfigur des Anti-Korruptions-U-Ausschusses. Am Dienstag opferte sich die grüne Vorsitzende Gabriela Moser (58). Mit ihrem Rücktritt wollte sie die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP zwingen, weiter den Korruptionssumpf aufzuarbeiten. Doch der Plan der Aufdeckerin ging nicht ganz auf.

Die Ex-Deutschlehrerin verspekulierte sich. Sie hatte die Chuzpe der Regierungsparteien unterschätzt. 24 Stunden später wollten SPÖ und ÖVP den U-Ausschuss ganz schamlos abdrehen. Ein fauler Kompromiss in letzter Sekunde rettete den Anti-Korruptions-Ausschuss. „Das war eine reine Erpressung. Jetzt müssen wir den U-Ausschuss im Schweinsgalopp durchziehen“, so Moser.

Dutzende Mails
Auch wenn der U-Ausschuss nur mehr achtmal tagt (nun unter dem Vorsitz von FPÖ-Fraktionsführer Walter Rosenkranz), am 16. Oktober beendet sein sollte und Bundeskanzler Werner Faymann nicht geladen wird, gilt Gabriela Moser als Siegerin.

Stolz zeigt sie die zahlreichen Glückwunsch-Mails auf ihrem iPhone. Egal, welcher Couleur, die Menschen gratulieren ihr zu ihrem Schritt und ihrer menschlichen Größe, keine Sesselkleberin zu sein. „Ich komme dem Beantworten der Mails gar nicht nach“, erzählt sie.

„War eine Unverschämtheit“
Trotzdem: Die grüne Aufdeckerin (sie machte sich als Grasser-Jägerin einen Namen) kann die Enttäuschung nicht ganz verbergen. Wie sie in den letzten Wochen zum Sündenbock stilisiert wurde, bezeichnet sie als „Unverschämtheit“. Denn das ganze Theater diente nur zur Augenauswischerei.

Doch in Depressionen wird Moser deswegen nicht verfallen: Sie hat schon mehrere Lebenszäsuren (vor Jahren wurde ein Gehirntumor diagnostiziert) gemeistert. Ihr neues Ziel: Alle beschlossenen Infrastruktur-Milliarden, die nicht finanziert werden können, zu entlarven. Sprich: Gabriela Moser bastelt bereits an einem neuen U-Ausschuss.

"Menschen sagen mir: 'Die verarschen uns'"

ÖSTERREICH: Frau Moser, der Anti-Korruptions-U-Ausschuss ist für Sie Geschichte. Welche Note würden Sie dem Ausschuss geben?
Gabriela Moser: In Summe gebe ich dem U-Ausschuss die Note Gut bis Befriedigend. Es gibt sogar viele Passagen, die ausgezeichnet waren. Allerdings rechne ich die Auseinandersetzung um meine Vorsitzführung nicht dazu, und vor allem nicht den Zirkus der Regierungsparteien im Parlament am Mittwoch. Das war ein klares Nicht Genügend.

ÖSTERREICH: Weil es eine Erpressung war?
Moser: Wir wurden von den Regierungsparteien vor die Alternative gestellt, entweder peitscht ihr jetzt im Schweinsgalopp – zu Lasten jeder Seriosität – den U-Ausschuss bis Mitte Oktober durch oder wir drehen ihn ganz ab. Das war eine reine Erpressung. Damit hat die Regierung die parlamentarische Kontrollpflicht nicht mit Füßen, sondern gleich mit Militärstiefeln getreten.

ÖSTERREICH: War Ihr Rücktritt am Dienstag vergeblich? Wirklich retten konnten Sie damit den U-Ausschuss nicht ...
Moser: Meine engsten Mitarbeiter haben seit Anfang September zu mir gesagt, dass man den Ausschuss abdrehen will. Man wollte mich laufend zum Sündenbock machen. Aber das lasse ich mir nicht gefallen. Das hat jeder durchschaut. Dem bin ich mit meinem Rücktritt wenigstens zuvor gekommen. Und die Resonanz war enorm: Jede Stunde bekomme ich mindestens 15 Mails, die mir zu diesem Schritt gratulieren. Das Eigenartige in der Jagd auf mich war die Allianz zwischen SPÖ, ÖVP und BZÖ. Taktisch habe ich nicht begriffen, warum sich das BZÖ für so etwas hergibt. Das war extrem unfair und deprimierend. Aber ich bin zum Glück kein depressiver Typ.

ÖSTERREICH: Haben Sie die Aussprache gesucht?
Moser: Natürlich. Diese Allianz hatte teilweise inhaltliche Gründe, weil die Parteien bei den einzelnen Themen noch etwas zu verbergen haben. Aber im Prinzip war es Gekränktheit, dass dieser sogenannte Vierparteien-Antrag auf Zeitplan von meiner Seite nicht zugelassen wurde. Im Prinzip haben sich die Fraktionsführer in ihrer Macht persönlich gekränkt gefühlt ...

ÖSTERREICH: Welches Image bleibt nun nach dem faulen Kompromiss im Parlament?
Moser: Es ist nicht nur verheerend, sondern es ist zutiefst bedrückend, wie die Regierungsparteien das Ansehen der Politik geradezu vernichten. Es ist eine Sabotage an der parlamentarischen Kontrolldemokratie. Das alles passiert in der Hoffnung, dass dieses Verhalten am Wahltag vergessen ist.

ÖSTERREICH: Warum wehrt sich die SPÖ so vehement, Bundeskanzler Faymann vor den U-Ausschuss zu laden?
Moser: Die Notwendigkeit, vor dem U-Ausschuss die Wahrheit sagen zu müssen oder sich bei heiklen Fragen in der Inseratenaffäre zu entschlagen, damit er sich nicht selbst belastet – bringt den Bundeskanzler offenbar in die Bredouille. Meiner Meinung nach wurde er schlecht beraten. Soviel ich gehört habe, wollte Faymann vor dem U-Ausschuss erscheinen. Wenn das wahr ist, dann haben ihm die eigenen Leute abgeraten. Es gibt den Spruch: „Der Parteifreund ist mein größter Feind.“ In diesem Fall wäre der Spruch angemessen.

ÖSTERREICH: Die ÖVP hätte mit einer Vorladung von Werner Faymann die Chance gehabt, die Rolle des Schwarzen Peter im U-Ausschuss abzugeben. Warum haben sie die Chance nicht genützt?
Moser: Die ÖVP war von Koalitionstreue geknechtet. Aber es gibt Vermutungen, dass es bei der Staatsbürgerschaftsthematik auch in der ÖVP Malversationen – Stichwort: Niederösterreich und Landeshauptmann Erwin Pröll – geben soll. Aber hier kenne ich die Vorwürfe nicht im Detail. Das Gleichgewicht des Schreckens steht in der Koalition auf ganz schweren Beinen.

ÖSTERREICH: Sie waren ein Jahr die Vorsitzende des Ausschusses. Wie hoch war der Druck?
Moser: Die Belastung war enorm. Ein Jahr lang wurde ich von vier Parteien mit Argusaugen beobachtet, ob ich einen Fehler mache. Glücklicherweise bin ich sehr robust. Ich habe weder weiße Haare bekommen, noch musste ich mich scheiden lassen. Und irgendwie habe ich es geschafft, alle möglichen Abwehrkräfte zu mobilisieren. Ich hatte nicht einmal eine Verkühlung. Aber es gab viele Abende, wo ich nach zehn Stunden U-Ausschuss todmüde ins Bett gefallen bin.

ÖSTERREICH: Wie sehr belastet so ein Job die Ehe?
Moser: Mein Mann ist sehr rücksichtsvoll. Und er merkt genau, wenn ich belastet bin. Dann nimmt er mir vieles automatisch ab. Aber natürlich braucht man auch jemanden zum Aussprechen. Da ist er nicht immer die beste Klagemauer (lacht). Wenn die gemeinsame Zeit ohnehin schon sehr knapp ist, dann sind die zahlreichen Anrufe der Journalisten am Wochenende für den Ehepartner natürlich nervend. Da ist mein Mann fast immer den Baum hochgekraxlt.

ÖSTERREICH: Hätten Sie rückblickend gesehen lieber neben Peter Pilz im U-Ausschuss Platz genommen und nicht als Vorsitzende?
Moser: Ich habe die Vorsitzführung sehr gerne wahrgenommen. Und bis 11. Juli hat der U-Ausschuss funktioniert und viel geleistet. Auch wenn es teilweise extrem hart war. Es war der bisherige Höhepunkt meiner Abgeordneten-Laufbahn. Es war das Interessanteste und Vielfältigste, was ich bisher erlebt habe. Das überwiegt die 
Negativ-Erfahrungen in jeder Weise.

ÖSTERREICH: Wie denken die Österreicher über die Politiker angesichts des Neuwahl-Boykotts in Kärnten und der Erpressung im Parlament?
Moser: Ich zitiere, was mir in der U-Bahn und im Zug gesagt wird: „Die verarschen uns.“ Das höre ich täglich, sogar wenn ich bei Rot vor der Ampel stehe.

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