Bekannt wurde die Richterin durch ihren Vorsitz im BAWAG-Prozess. Jetzt wechselt sie ins Justizministerium.
Richterin Claudia Bandion-Ortner wird neue Justizministerin. Bekannt wurde sie als Richterin des BAWAG-Prozesses. Anwälte und Berufskollegen beschreiben die 40-Jährige als "faire Verhandlungsleiterin mit Schmäh". Die ursprünglich aus Tamsweg stammende Tochter eines Richters - ihr Vater war viele Jahre am dortigen Bezirksgericht im Einsatz - gilt als "fixe Größe" im Wiener Straflandesgericht, wo sie seit 14 Jahren tätig ist.
Parteifreie Ministerin
Richterin Claudia Bandion-Ortner wird
laut ÖVP-Obmann Josef Pröll als unabhängige Justizministerin fungieren, also
nicht als ÖVP-Mitglied. Sie selbst kündigte eine "korrekte"
Übergabe ihres Richteramtes an. Das habe man im Präsidium des
Straflandesgerichtes bereits besprochen. Die schriftliche Ausfertigung des
Urteils im von ihr geleiteten BAWAG-Prozess werde sie vor ihrer Angelobung
noch selbst fertigstellen, betonte Bandion-Ortner. "Ich habe daher
diese Woche noch harte Arbeit vor mir."
Dass der oberste Gerichtshof ihren anschließenden Wechsel in die Regierung als Grund zur Aufhebung des Urteils heranziehen könnte, befürchtet Bandion-Ortner nicht, weil eine Justizministerin ja nicht in die unabhängige Justiz eingreifen könne. Zu ihrer Motivation, in die Regierung zu wechseln, sagte die Richterin, ihr gehe es um eine funktionierende, unabhängige Justiz: "Da muss man etwas dafür tun." Pröll lobte Bandion-Ortner als eine Richterin, die auch unter größtem Druck ihre Unabhängigkeit bewahrt habe.
Das sind ihre besten Sager: Claudia Bandion-Ortner über ihre Vorbildfunktion: "Ich persönlich habe überhaupt kein Problem, nach dem Gesetz zu leben. Ich stehle nie am Sonntag die Zeitung und ich habe noch nie einen Strafzettel bekommen." Über ihren Beruf als Richterin: „Ich liebe meinen Beruf und möchte für kein Geld der Welt einen anderen haben. Wie man sieht, macht ein hohes Verdienst auch nicht glücklich.“ Über ihren Brillen-Tick: „Mein einziger Luxus sind mittlerweile 14 Brillen.“ Über das Bawag-Urteil: „Hätte wir irgendwelche Zweifel am Bawag-Urteil gehabt, hätte wir für die Angeklagten in dubio pro reo entscheiden müssen.“ Über den Bawag-Prozess: „Wir haben wirklich versucht, die Politik aus dem Prozess fernzuhalten. Ich glaube, das ist uns auch gut gelungen. Auch haben wir jedwede Sympathie und Antipathie rausgelassen.“ Über das Bankensystem: „Die Leiter der großen Banken haben eine überaus große Verantwortung, da sich die Folgen ihrer Entscheidungen auf die gesamte Volkswirtschaft auswirken.“ Über den Schock der Angeklagten im Bawag-Prozess: "Ich weiß, dass das Urteil ein Schicksalsschlag für alle Angeklagten sowie deren Angehörigen ist. Ein Urteil ist freilich etwas Ernstes. Es geht schließlich um menschliche Schicksale.“ |
Expertin für Wirtschaftskriminalität
Bandion-Ortner
war der Spezialabteilung für Wirtschaftsstrafsachen zugeteilt. In Folge
dessen hat Bandion-Ortner Erfahrung mit komplexen Fällen von
Wirtschaftskriminalität. Mit Umsicht hat die mit einem Polizisten
verheiratete Mutter eines kleinen Buben den Prozess um die Konsum-Pleite
bewältigt, der 1999 mit der Verurteilung des langjährigen
Konsum-Generaldirektors Hermann Gerharter wegen fahrlässiger Krida zu Ende
gegangen ist. Zwei Jahre später sprach sie Gerharter auch noch wegen
betrügerischer Krida schuldig.
Während des Konsum-Prozesses hat Bandion-Ortner in ihrer beruflichen Funktion auch Helmut Elsner kennen gelernt - exakt am 21. April 1999 hat sie den ehemaligen BAWAG-Generaldirektor im Verfahren gegen Gerharter zeugenschaftlich einvernommen, weil Elsner in jenes Bankenkonsortium eingebunden war, das der angeschlagenen Lebensmittel-Kette im Jänner 1995 einen weiteren Kredit in der Höhe von 145 Mio. Euro zugesagt hatte.
Auch abseits des Verhandlungssaals macht Bandion-Ortner gute Figur. Jahrelang hat sie sich gewerkschaftlich als Betriebsausschuss-Vorsitzende des Straflandesgerichts engagiert und für die Anliegen der Richterschaft stark gemacht. Als solche hat sie auch das Graue Haus für die Kultur und schönen Künste geöffnet: Unter ihrer Federführung sind im Großen Schwurgerichtssaal Theaterabende, Lesungen, Ausstellungen und klassische sowie Pop-Konzerte über die Bühne gegangen.
Gast der Seitenblicke-Gesellschaft
Bandion-Ortner ist gern, wenn
auch zuletzt selten gesehener Gast in der Seitenblicke-Gesellschaft. Dass
ihr ein Society-Reporter vor einigen Jahren das Attribut "Blitzauge"
verliehen hat, ist nach wie vor ein Running Gag im Straflandesgericht.
Ungewöhnlicherweise fand sogar die Hochzeit der Strafrichterin medialen
Niederschlag: Um ihre Verbundenheit mit ihrem Beruf und ihrem Arbeitsplatz
auszudrücken, ließ sie sich vor knapp fünf Jahren im Großen
Schwurgerichtssaal standesamtlich trauen. Auf den Einladungen war deutlich
ihr Humor abzulesen: Die Gäste wurden darauf zur "Urteilsverkündung"
gebeten.