Vertuschungsskandal
Natascha-Ausschuss kommt
20.09.2008
Die Grünen wollen den Parlamentsausschuss zur Polizei neu starten. Im Mittelpunkt stehen die Pannen bei den Kampusch-Ermittlungen.
Noch ist völlig offen, wer im nächsten Nationalrat sitzen wird - die erste politische Bombe nach der Wahl tickt aber bereits: Gleich zum Start der nächsten Legislaturperiode wird der Grün-Abgeordnete Peter Pilz den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses einbringen. Dabei soll die Arbeit des durch die Neuwahl abgebrochenen Innenministeriums-Ausschusses fortgesetzt werden. Im Zentrum wird aber ein Thema stehen: die polizeilichen Ermittlungsfehler und Vertuschungen im Fall Natascha Kampusch.
Was wurde vertuscht?
Vor allem drei wesentliche Fragen sollen
dabei unter die Lupe genommen werden:
- Wurden die schlampigen Ermittlungen von der ÖVP gezielt vertuscht? Und hätte Opfer Natascha Kampusch um ihre Schadenersatzansprüche gegenüber der Republik geprellt werden sollen?
- Hätte Kampusch schon viel früher befreit werden können, wenn Hinweise der Bevölkerung nicht verschlampt worden wären?
- Und die brisanteste: Hatte Entführer Wolfgang Priklopil Mittäter – die heute noch frei herumlaufen?
Laut Pilz gibt es neue Hinweise, die der von der Polizei aufgestellten Einzeltäter-Theorie widersprechen.
ÖSTERREICH-Interview mit Peter Pilz:
ÖSTERREICH: Hat der U-Ausschuss zum Innenministerium seine Arbeit
nicht schon beendet?
Wollen Sie auch untersuchen, ob es einen Mittäter gegeben hat?
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Geheimer Akt
Der U-Ausschuss könne, so Pilz, die
kriminalpolizeilichen Ermittlungen nicht ersetzen, aber sehr wohl
untersuchen, warum eine Reihe von in einem Geheimakt aufgelisteten
Ungereimtheiten nie ernsthaft aufgeklärt wurde:
- Es gibt ein Video, das eine Geburtstagsfeier für Natascha Kampusch während ihrer Gefangenschaft zeigt. Polizisten, die es gesehen haben, behaupten, an dem Video mussten mehrere Personen beteiligt gewesen sein. Das Band wurde voreilig an Kampusch ausgehändigt.
- Der Aussage eines Mädchens, das die Entführung beobachtet und dabei zwei Täter gesehen haben will, wurde nie nachgegangen.
- Die Rufdaten-Rückerfassung der Telefonate Priklopils wurde nie ausgewertet.
- Einem Hinweis aus Deutschland, im Internet wären Kampusch-Videos angeboten worden, wurde nicht nachgegangen.
Zeuge H.
Ein wertvoller Zeuge für diesen U-Ausschuss wäre wohl
jener Mann, der in der vergangenen Woche mit Prügelszenen auf sich
aufmerksam gemacht hatte (siehe oben): Ernst H., bester Freund Priklopils
und jener, der ihn zuletzt lebend gesehen hat. Der sich immer noch
regelmäßig mit Natascha Kampusch trifft und der nach Priklopils Tod mit
einer Vollmacht der Mutter Gegenstände aus Priklopils Haus entfernt hat.
Sollte der grüne Antrag für diesen Ausschuss durchgehen, ist für einen spannenden Parlamentsherbst gesorgt. Ex-Verfassungsrichter Ludwig Adamovich, der die Evaluierungskommission zum Fall Kampusch geleitet hat, ist jedenfalls dafür: "Das würde den nötigen Druck auf die Behörden erhöhen.“