Klagsdrohungen, Anschuldigungen, Verdächtigungen: Die Veröffentlichung intimer Details aus der Akte „Natascha Kampusch“ hat einen wilden Polit-Streit im Parlament entfacht. Zentrale Frage: Wer ist der „Maulwurf“, der die Einzelheiten an ein Gratisblatt weitergegeben hat? Der Akt könnte theoretisch von drei Stellen weitergegeben worden sein: Exekutive, Justiz und Parlament.
ÖVP droht mit Klagen
Aussagen von Peter Pilz (Grüne) und
von FPÖ-Mandatar Peter Fichtenbauer sorgen jetzt für Proteste und
Klagsdrohungen vonseiten der ÖVP. Beide hatten darauf hingewiesen, dass
politisch nur die ÖVP von den durchgesickerten Informationen profitieren
würde. Fichtenbauer in ÖSTERREICH: „Ich würde nicht ausschließen, dass die
ÖVP ein Motiv dafür hatte.“ Und Pilz sagte: „Das nützt ausschließlich der
ÖVP“. Der ÖVP-Fraktionschef im U-Ausschuss, Helmut Kukacka, fordert eine
Entschuldigung: „Sollte das bis Montagmittag nicht geschehen sein, werden
wir eine zivilrechtliche Klage wegen Kredit- und Rufschädigung einbringen.“
Bewachter Aktenraum
Nur exakt drei Wochen hat es gedauert, bis
der Akt nach der Übergabe an die Politik nun in den Medien aufgetaucht ist.
Die Akten zum Fall Kampusch werden im Parlament in einem von zwei
Sicherheitsleuten bewachten Aktenraum aufbewahrt. In dem Raum dürfen
Personalakte eingesehen, aber auch abgeschrieben werden. Aus dem SP-Klub
hört man, dass die ÖVP dies bei Akten aus dem Justiz- und
Verteidigungsressort eifrig getan hätte. Als „Arbeitserleichterung“ für die
Mitglieder des Untersuchungsausschusses wurden gewisse Teile aber auch auf
DVD gebrannt und an die Klubs verteilt. Das empört Kampusch-Anwalt Gerald
Ganzger: „Dass Akten auf DVD gebrannt wurden, ist jenseitig.
Arbeitserleichterung, das ist absurd.“
Ob die brisante Notiz zu Kampuschs Gefangenschaft ebenfalls dabei war, will oder kann derzeit sowohl Fichtenbauer als auch SP-Fraktionsführer Rudolf Parnigoni nicht bestätigen. Klar ist: Zum Aktenraum und zur DVD haben rund hundert Politiker und ihre Mitarbeiter Zugang. Die SPÖ versichert, man habe die DVD in einem „Stahlschrank im Büro des Klubsekretärs“. Es gebe dafür nur zwei Schlüssel. Wer vereidigt ist und Informationen braucht, müsse sich dafür beim Klubsekretär melden „oder in einer Sitzung um Infos aus der DVD bitten“.
Kampusch-Anwalt empört
Für Anwalt Ganzger ist es völlig
unerheblich, ob die Akten als vertraulich oder geheim gelten: „Es bedarf
keines Stempels, um zu wissen, dass diese Akten jedenfalls streng geheim
sind.“ Ganzger fordert eine sofortige Evaluierung der
Sicherheitsvorkehrungen im Parlament durch Ex-Rechnungshofpräsidenten Franz
Fiedler. Außerdem bringt er für seine Mandantin eine Anzeige gegen Unbekannt
wegen Bruchs der Amtsverschwiegenheit ein.