Analyse

"Er oder ich": Das Fern-Duell Nehammer und Kickl

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Zwei Politiker, zwei 80er-Hits: Während FPÖ-Chef Kickl mit „The Final Countdown“ in Graz auf Sieg setzte, wählte Kanzler Nehammer „Eye of the Tiger“ als kämpferische Hymne für seinen Wahlkampfauftakt. 

Sie setzten beide auf populäre Songs aus den 1980er Jahren. FPÖ–Chef Herbert Kickl zog am Samstag in Graz zu Europes „The Final Countdown“ ein, das bereits Jörg Haiders sämtliche Events in den 1990er Jahren begleitet hatte.

Nehammers Will to Survive

Karl Nehammer ließ sein Lieblingslied – Survivor: "Eye of the Tiger" aus Rocky 4 – abspielen. Ein durchaus passender Songtext: „Just a man and his will to survive“ – nur ein Mann und sein Wille zu überleben – beschreibt tatsächlich in wenigen Worten den samstäglichen Wahlkampfauftakt des ÖVP–Kanzlers. „Er oder ich“ – also Nehammer oder Kickl – zog sich denn auch wie ein roter Faden durch die ÖVP–Veranstaltung. Auch das eine kleine Parallele zu Kickls Show in Graz. Das war es aber bereits mit den Gemeinsamkeiten

Kickls Final Countdown

Während die Türkisen auf den Vormittag, eine biedere Location und Wien setzten, feierten die Blauen am späten Nachmittag, outdoor und in der Steiermark als hätten sie schon gewonnen. Das sollte freilich das quasi zur blauen Hymne umfunktionierte „Final Countdown“ auch wenig subtil zeigen. Die Blauen glauben, dass sie erstmals in der Geschichte der Republik knapp dran sind erstmals das Kanzleramt zu erobern.

Kickl selbst – er beobachtete damals hautnah wie sich Jörg Haider „am längsten darauf vorbereitet hatte nicht Kanzler zu werden“ – Copyright: Franz Vranitzky – schien unsicherer. Auch wenn er Sätze fallen ließ wie „Etwas Neues wäre, wenn Nehammer gesagt hätte: Ich akzeptiere das Ergebnis auch, wenn ich verliere“, versuchte er seine Anhänger und vor allem eigene Funktionäre zu motivieren bis zur allerletzten Sekunde um jede Stimme zu kämpfen.

ÖVP setzt auf Angst vor Kickl

In den letzten drei Wahlkampfwochen will die ÖVP – sehr viel anderes bleibt ihr auch nicht mehr über – vor allem auf die Angst vor Kickl setzen. Das – so zumindest die Hoffnung der ÖVP–Strategen – soll möglichst viele zwischen ÖVP und Neos schwankende Wähler doch bei der ÖVP halten.

Laut den internen Umfragen der ÖVP liegt die Kanzlerpartei drei Wochen vor dem 29. September rund 1,5 Prozent hinter Herbert Kickls FPÖ. Klingt nach wenig, ist aber in so kurzer Zeit nur noch schwer aufzuholen.

ÖVP hat Koalitionswunsch

Aber: Sollte der Abstand zwischen ÖVP und FPÖ rund zwei Prozent betragen, würde die ÖVP versuchen eine Koalition gegen die FPÖ zu schmieden. Hier wäre die wahrscheinlichste Variante eine ÖVP–SPÖ–Neos–Koalition.

Das weiß freilich auch Kickl, der deswegen auch polterte, dass „ein Freiheitlicher in jedes Mausloch“ schauen müsse um Wähler für ihn zu finden. Bei einem großen Abstand – so Kickls Gedankenspiel – würde es für Bundespräsident Alexander Van der Bellen schwer ihm nicht den Regierungsbildungsauftrag zu geben. Die Blauen denken zudem, dass in einem solchen Szenario „Nehammer weg wäre und dann die Fraktion, die eine Koalition mit uns will dominieren wird“. Wie auch immer.

Auf Messerschleifer verzichtet

Staatstragend oder zurückhaltend ist Kickl auch am Samstag nicht aufgetreten, auch wenn er zumindest auf die ursprünglich vorgesehenen Messerschleifer verzichtete.

Dass er – natürlich wie weiland Jörg Haider – erklärte, dass er „denen in Wien“ die „Wadln viere richten“ werde, fällt mittlerweile schon eher in die Kategorie Blaue Folklore. Spannender ist, dass Kickl das offen sagte, was in dieser Kolumne bereits vor einigen Wochen zu lesen war: Dass er den Menschen ein „Zurück in die Vergangenheit Zeit“ – in dem Fall die 1960er Jahre – verspreche, weil es damals die vermeintlich gute alte Zeit gegeben habe. Während Nehammer eine austro–Variante des von Kamala Harris inspirierten Gute-Laune- und Optimismus-Wahlkampfes versuchte. Er glaube an dieses Land und es sei „vieles weit besser als die Schlechtmacher“ es darstellen würden. Was Kickl freilich anders sieht.

Aber, wenn beide Herren schon auf Songs aus den 1980er Jahren zurückgreifen, hätten sie – statt die 1960er Jahre und Stepford Wives anzustreben – vielleicht einfach eine Dekade vorspulen und Bill Clinton als Vorbild nehmen sollen, der in seinem Wahlkampf 1992 als Hauptsong „Don‘t Stop (Thinking About Tomorrow“ – höre nicht auf an morgen zu denken – spielte und gewann.

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