Poker beginnt

Experte: Koalitionsverhandlungen werden sehr schwierig

30.09.2024

Hofer: "Ich schließe aus, dass Herbert Kickl den Jörg Haider machen wird" 

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© APA, Michael Gruber, Fotomontage
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Bis zur Bildung einer neuen Regierung könnte es nach der Nationalratswahl am Sonntag möglicherweise sehr lange dauern, erwartet Politikberater Thomas Hofer gegenüber der APA. "Der Bundespräsident wird vor dem amtlichen Endergebnis keinen klaren Auftrag zur Regierungsbildung erteilen. Er wird den Parteien Zeit geben, sich zu ordnen. Für ÖVP und SPÖ war das Ergebnis doch ein Schock." Klar sei, dass Österreich wohl schwierige Koalitionsgespräche bevorstehen.

Die FPÖ sei in einer bequemen Ausgangsposition, die Eroberung des Kanzleramts aber alles andere als gewiss. "Der klare Sieg ist mit Fallstricken behaftet. Es ist möglich, dass sich niemand findet, der die Freiheitlichen ins Kanzleramt hievt." Doch selbst wenn man die FPÖ außen vorlasse - für die Zukunft der Freiheitlichen würde das "wie ein Turbo" sein. "Sollte es eine Koalition um die FPÖ herum geben, wäre das eine Auflage für Herbert Kickl bei den kommenden Landtagswahlen", betonte Hofer.

Bei der ÖVP seien Stimmen aus den Ländern oder von dem einen oder anderen Bund zu erwarten, dass man der FPÖ inhaltlich am nächsten stehe. Die Volkspartei müsse aber wissen, dass sie in einer Situation sei, wo sie den Kanzler nicht retten könne, wenn sie den Juniorpartner gibt. "Ich schließe aus, dass Herbert Kickl den Jörg Haider machen wird, es wird kein 'Geh du voran' geben. Davon wäre ich schwer überrascht. Kickl geht nicht in die zweite Reihe zurück", sagte Hofer.

ÖVP und SPÖ hätten knappe Mehrheit

Eine Koalition aus ÖVP und SPÖ sei - wenn sie sich von den Mandaten her ausgeht - nur hauchdünn abgesichert und mit hohem Risiko behaftet. "Mit einem Überhangsmandat lässt es sich schwer regieren", so Hofer. Schwer vorstellbar sei auch, dass Nehammer und Babler miteinander können, "da muss wer Federn lassen". Hofer kann sich gut vorstellen, dass der Wirtschaftsflügel darauf drängt, nicht mit Babler zu koalieren, zumindest als Person. Mit den NEOS als möglicher dritter Partner würde die Situation inhaltlich nicht einfacher werden. Zudem werde in der SPÖ diskutiert werden, wie es mit Parteichef Andreas Babler weitergeht. "Mangelnde Geschlossenheit und Streit nach außen waren schon im Wahlkampf ein Problem für die SPÖ."

Karl Nehammer habe hingegen Chancen, sich als Parteichef zu halten. "Er wird versuchen, das Ergebnis umzudeuten. Man habe, gemessen an der Zeit in der Regierung, die Wähler eh gut mobilisiert." Zudem würden sich beim Bundeskanzler keine echten Alternativen aufdrängen. "Bei einer Koalition ohne FPÖ wird Nehammer aber in Richtung der Bundesländer viel Überzeugungsarbeit leisten müssen."

SPÖ war zu links positioniert  

Meinungsforscher Peter Hajek ortete im APA-Gespräch die Chance, dass Babler Parteichef bleibt, am Sonntagabend "mit 50:50". Überraschen dürfe das SPÖ-Ergebnis aber niemanden. "Die Partei war zu links positioniert, die SPÖ hat es verabsäumt, Wähler zwischen den Freiheitlichen und der ÖVP abzuholen und ihnen zumindest ein Teilangebot zu machen." Gerade als Oppositionspartei wären viele Themen auf der Straße gelegen.

Babler sei aber mit der Situation nicht alleine: "Es wird den einen oder anderen in der ÖVP geben, der fragt, ob Karl Nehammer der richtige Kandidat für die Zukunft ist", so Hajek. Allerdings habe der ÖVP-Chef eine ganz andere Ausgangsposition. "Nehammer schließt zwar eine Koalition mit Kickl aus. Doch es gibt Teile in der ÖVP, die sich aus wirtschaftlichen Gründen eine gemeinsame Regierung mit den Freiheitlichen vorstellen können."

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