ORF-Sommergespräch

Nehammer: "Mit Kickl nicht einmal verhandeln"

02.09.2024

Bundeskanzler Karl Nehammer traf sich mit Martin Thür zum ORF-"Sommergespräch" in Traunkirchen am Traunsee. Dabei schloss er eine Regierung unter einem Kanzler Kickl ebenso aus wie ein neues Sparpaket.

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© ORF/Roman Zach-Kiesling
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Nehammer über das Sparpaket...

Es braucht Anreize, damit in Österreich wieder investiert wird, denn mehr Wirtschaftswachstum ist entscheidend. Der Kuchen muss für alle größer gemacht werden. Unser Ziel sind zwei Prozent Wachstum pro Jahr, das sind 50 Milliarden Euro. Ein Modell zur Gegenfinanzierung liegt darin, im Budget-Vollzug etwas zu ändern, was unter anderem durch das sogenannte Zero-Base-Budget von der OECD gewährleistet werden kann.

Es wird kein Sparpaket geben. Die ÖVP will durch das Zero-Base-Budget bis zu 8 Prozent einsparen, was 3,5 Milliarden Euro entspricht. Dieses Modell wurde schon vorgestellt – der Sinn dahinter ist, die Budgets in jedem Ministerium zu durchleuchten. Auch das Fördersystem gehört erneuert - durch Steuergutschriften und Garantien sowie Forschungsprämien für eine Budget-Entlastung.

Alles in allem braucht es mehrere Ansätze: Lohnnebenkosten-Senkung sowie Steuerbefreiung auf Überstunden, damit in Österreich investiert wird. Wir brauchen Wirtschaftswachstum und gleichzeitig eine Systemveränderung (Ressortbudgets, Umstellung der Fördersystems). Die Forschungsprämie wurde bereits als Steuergutschrift etabliert, so hat etwa BMW eine Milliarde Euro in Österreich investiert. Es gilt also, die Stabilität zu halten und gleichzeitig Investitionen zulassen. Die große Message lautet daher: Das Budget muss über mehr Wirtschaftswachstum angekurbelt werden.

Nehammer über die Krisenjahre durch Corona und den Ukraine-Krieg

Die Wirtschaftsleistung ist nach der Corona-Pandemie radikal angestiegen, wobei das Niveau bis 2019 bereits sehr hoch war. Mittlerweile konnte die Rekord-Inflation von über 10 Prozent auf 2,4 Prozent gedrückt werden. Jetzt gilt es, wieder in eine Erholungsphase zu kommen, in der investiert wird, wobei unsere wichtigsten Handelspartner Deutschland und die USA sind.

Ein großes Anliegen der ÖVP ist es, die Kaufkraft zu stärken - es ist sogar eines der Leitmotive. Durch die Abschaffung der kalten Progression ist die Kaufkraft wieder angestiegen, wodurch den Menschen mehr Geld übrig blieb. Die Teuerung ist aber dennoch mühsam, doch sie kann durchaus bewältigt werden. 30 Prozent konnte die ÖVP dazu beitragen, dass die Teuerungen bewältigt werden konnten. 70 Prozent geschah durch die Unternehmen anhand von Lohnerhöhungen.

Was die ÖVP anbietet, ist ein Mix-Modell: Wir haben in Preise eingegriffen, die Strompreise und die Mietkosten gedeckelt, die Gewinnsteuer bei Energieunternehmen angehoben. Wir müssen nun aufpassen, dass Österreich nicht in einen Wettbewerbsnachteil kommt. Die hohen Lohnabschlüsse sind da natürlich eine große Herausforderung für die Unternehmen. Insgesamt ist das Ziel, die Rahmenbedingungen so zu verändern, dass sie für alle passen.

Nehammer über Teilzeitarbeit

Ein solidarischer Wohlfahrtsstaat ist nur durch Leistung möglich. Österreich ist eines der reichsten Länder der Welt - weil die Menschen wie die Unternehmen gleichermaßen Leistung bringen. So ist es möglich, auch schwächeren Menschen zu helfen. Und jene, die nicht arbeiten wollen, aber können, müssen in den Arbeitsprozess eingeführt und integriert werden.

Kinderbetreuung und die Pflege sind enorm große Leistungen. Trotzdem soll in Vollzeit-Modellen gearbeitet werden, um den solidarischen Wohlfahrtsstaat zu finanzieren - einerseits durch den Vollzeitbonus, andererseits durch Änderungen in den oberen Steuerstufen.

Nehammer über Klimastrategien

Es wird mit der ÖVP weder die Abschaffung des Dieselprivilegs noch eine Reform der Pendlerpauschale geben. Sondern es braucht hier Innovationen und Technologien, die stärker in den Vordergrund gestellt werden, wie Bio-Treibstoff oder die CO2 Einspeicherung. Österreich ist eines der Länder mit den mit höchsten Umweltstandards innerhalb der EU.

Wichtig sind Naturschutz, Renaturierung und Wasserschutz, allerdings brauchen wir keine zentralistischen Vorgaben, die das Leben der Menschen erschweren. Es braucht aber auch leistbaren Wohnraum. Es gilt also, Umwelt- und Klimaschutz mit dem wachsendem Fortschritt in Einklang zu bringen. In der Technologieoffenheit haben wir Aufholbedarf, es muss künftig mehr in Forschung investiert werden. Wir wollen nicht beschränken, sondern ermöglichen und zulassen, um den Klimaschutz zu verwirklichen - mit mehr Technologieeinsatz für mehr Möglichkeiten und Forschungsinnovation. 

Nehammer über das Thema Migration

Der Kampf gegen illegale Migration ist der ÖVP ein sehr wichtiges Anliegen, das haben wir in den letzten Jahren immer wieder gezeigt. Es muss Umsetzungsschritte geben, die greifen, wie ein Abkommen mit sicheren Drittstaaten eben für den Kampf gegen illegale Migration. 15 EU-Mitglieder konnten wir bereits überzeugen, dass unser Weg der richtige ist. Es handelt sich dabei um eine sicherheitspolitische Notwendigkeit, um die organisierte Kriminalität zu zerschlagen. Gleichzeitig gilt es aber auch, den Druck auf Drittstaaten zu lindern, indem ihnen Vorteile gesichert werden. So etwas kann nicht trivial umgesetzt werden, wenn Vorteile für alle geschaffen werden sollen. Geld spielt dabei eine zentrale Rolle. 

Wir hatten in Österreich mit einem massiven Migrationsdruck zu kämpfen, den wir in Griff bekommen haben. Wir haben die illegalen Grenzübertritte von Ungarn nach Österreich um 97 Prozent reduziert, was aber massive Konsequenzen mit sich gebracht hat. Beispielsweise hat das das Sozialsystem belastet sowie das Bildungssystem und die Sicherheitslage. Auch Deutschland, Schweden, Dänemark und andere Länder leiden unter denselben Folgen - das sind unsere Verbündeten.

Es gilt also, durch Maßnahmenbündel eben eine Ordnung zu schaffen, da sonst die Radikalen in den Demokratien immer stärker werden. Rückführungen nach Afghanistan und Syrien sind daher keine Tabuthemen mehr, sondern ein Bestandteil, wie man illegale Migration in den Griff bekommen kann.

Nehammer über die Justiz

Über die mediale Qualität der Darstellung zur Causa Pilnacek war ich sehr verwundert. Die Dienstaufsicht in der Justiz wird von der Justizministerin wahrgenommen, was ich als richtig empfinde, denn Kontrolle und Transparenz sind wichtig. Die österreichischen Institutionen arbeiten sehr gut und ich halte es für völlig falsch, einen Generalverdacht gegenüber österreichischen Beamten auszusprechen. Es muss mit diesen Generalverdächtigungen aufhören.

Nehammer über eine Regierung mit Kickl

Eine Koalition mit FPÖ-Chef Herbert Kickl schließt die ÖVP aus, auch wollen wir mit den Freiheitlichen in der Konstellation keine Regierungsverhandlungen führen. Aber: Die FPÖ ist eine sehr heterogene Partei, in der es viele vernünftige Politiker gibt, genauso wie in der SPÖ. Kickl hingegen hat sich total abgewandt von der politischen Verantwortung und ist zum Angsttheoretiker geworden. Mein Wahlziel ist es, als Nummer eins durchs Ziel zu gehen und erneut den Auftrag der Wählerinnen und Wähler zu erhalten. Mit diesem Thema befasse ich mich.

Letztes ORF-Sommergespräch

Nehammer war als letzter Parteichef der im Parlament vertretenen Fraktionen bei den ORF-"Sommergesprächen", die heuer vor der Kulisse des Traunsees stattfanden, zu Gast. Im persönlichen Porträt des Kanzlers vor Beginn des Gesprächs wurde von einem Jugendfreund enthüllt, dass Nehammer in der Schule eine Ehrenrunde gedreht hat. 

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