Der Innenminister im ÖSTERREICH-Interview über die Terror-Nacht, die Ermittlungen und die Vorwürfe des Behördenversagens.
ÖSTERREICH: Wo waren Sie, als dieser feige Anschlag des Islamisten passierte?
KARL NEHAMMER: Ich war, wie an den meisten Abenden, seit ich Minister bin, in meinem Büro.
ÖSTERREICH: Was war Ihr erster Gedanke?
NEHAMMER: Ich habe auf die Einsatzbeamten vertraut, dass sie die Situation in den Griff kriegen können. Während ich den Polizeifunk aufgedreht habe, war eine der ersten Stimmen, die ich gehört habe: „Kollege angeschossen“. Eine unbeschreibliche Situation.
ÖSTERREICH: Wie lautet Ihre wichtigste Lehre aus den Ereignissen an diesem schrecklichen Abend?
NEHAMMER: Dass die Einsatzkräfte wirklich perfekt gehandelt haben. Besonders berührt hat mich, dass sich im Laufe der Nacht Hunderte Polizisten selbst freiwillig in den Dienst gestellt haben. Mein Eindruck war: Der Teamgeist in der Polizei war noch nie stärker. Egal ob Sondereinheit oder Streifenpolizist – Seite an Seite sind sie vorgegangen und haben unter Einsatz ihres Lebens den feigen Attentäter ausgeschaltet. Dafür mein großer Respekt.
ÖSTERREICH: Braucht es jetzt die Sicherungshaft für „Gefährder“ oder die Fußfessel?
NEHAMMER: Eines ist klar für mich – es braucht zeitgemäße Befugnisse und Maßnahmen gegen Gefährder.
ÖSTERREICH: Es ist bekannt geworden, dass es eine Warnung aus der Slowakei gab. Der spätere Täter wollte Munition kaufen. Hätte das Verbrechen von der Polizei verhindert werden können?
NEHAMMER: Dazu braucht es transparente Aufklärung. Dazu wird eine unabhängige Untersuchungskommission eingesetzt werden. Sie wird alle Vorgänge aufklären – insbesondere Schnittstellen zu ausländischen Behörden, innerhalb des Verfassungsschutzes – aber auch zur Justiz.
ÖSTERREICH: Seitens der ÖVP wurde die vorzeitige Entlassung des Täters kritisiert. Finden Sie die vorzeitige Freilassung ebenfalls falsch?
NEHAMMER: Ich glaube, der Täter hat viele getäuscht, vor allem auch das Deradikalisierungsprogramm und die Bewährungshilfe, bei denen er stets pünktlich erschienen ist und lange Gespräche geführt hatte.
ÖSTERREICH: Sie haben gesagt, Ihr Vorgänger Herbert Kickl hat das BVT zerstört. Was meinen Sie damit?
NEHAMMER: Ich habe vor allem gesagt, dass derjenige, der jetzt am lautesten schreit, der ist, der das BVT in seinen Grundfesten zerstört hat. Es hat im Februar 2018 eine – wie festgestellt wurde – rechtswidrige Hausdurchsuchung gegeben. Das hat die dort tätigen Menschen tief verunsichert und vor allem das Vertrauen ausländischer Partner schwer geschädigt.
ÖSTERREICH: Gibt es noch Tipps von befreundeten Diensten – da stand ja das BVT auf einer Art Watch List.
NEHAMMER: Seit Beginn meiner Amtszeit arbeiten wir intensiv daran, das Vertrauen wiederherzustellen. Das ist ein Prozess, an dem wir Schritt für Schritt arbeiten und auch bereits viele gute Signale bekommen. Sogar das FBI hat uns aktuell mit Informationen geholfen, wie viele andere Partnerdienste auch. (gü)