Kampf gegen Schlepperei
Nehammer will aus Seenot Gerettete nach Libyen zurückbringen
24.01.2020
Innenminister lehnt Flüchtlingsverteilung weiter ab - Seehofer fordert europäische Solidarität - EU-Innenkommissarin will Migrations- und Asylpakt im Frühjahr vorstellen.
Zagreb. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) lehnt eine Flüchtlingsverteilung innerhalb der EU weiter ab. Am besten wäre es, im Mittelmeer aus Seenot gerettete Menschen nach Libyen zurückzubringen, sagte er beim EU-Innenrat in Zagreb. Seenotrettung dürfe nicht automatisch ein Ticket nach Europa sein. Natürlich sei es aber wichtig, in Libyen menschenwürdige Behandlung sicherzustellen, so Nehammer zur APA.
Österreich sei außergewöhnlich belastet, seit 2015 seien 200.000 Asylanträge gestellt worden, die abgearbeitet würden. "Wir haben schon und leisten nach wie vor einen hohen Beitrag", betonte Nehammer, der eine Stärkung des Außengrenzschutzes und eine Aufstockung der EU-Grenzschutzbehörde forderte. Es gehe darum, "geschlossen den Kampf gegen die illegale Migration und gegen die Schlepperei" zu führen.
Es sei falsch, "dass die Menschen von griechischen Inseln in Richtung Festland gebracht werden, denn das wird dazu führen, dass die organisierte Kriminalität der Schlepperei wieder mehr Menschen auf die Inseln zuführen wird", sagte Nehammer. Die meisten der Migranten seien Wirtschaftsflüchtlinge und machten sich dann auf den Weg Richtung Mitteleuropa. Nun gelte es, mit den Staaten entlang der östlichen Mittelmeer-Route zusammenzuarbeiten, um die Schlepperei konsequent anzugehen und die Netzwerke zu zerschlagen.
Der deutsche Innenminister Horst Seehofer forderte indes "europäische Solidarität" bei der Flüchtlingsverteilung. Das liege auch im Interesse Österreichs, so Seehofer. Sollte das nicht gelingen, werde es einen ungeordneten Ablauf geben, "mit allen Risiken, die bei einem Kontrollverlust dann eintreten. Das haben wir alle schon erlebt, auch die Österreicher." Deshalb glaube er, dass auch Österreich Interesse an einer geordneten Lösung haben werde, sagte Seehofer.
Eine Kompromisslösung, wo manche Länder Flüchtlinge aufnehmen würden, andere aber mit Geld beitragen würden, sei möglich. "Aber es kommt schon darauf an, dass die große Mehrheit der Staaten bereit ist, Flüchtlinge aufzunehmen, und sich nicht freikaufen sozusagen", betonte der deutsche Innenminister. Eine Neuausrichtung der EU-Mittelmeer-Mission "Sophia" zur Bekämpfung von Waffenschmuggel ins Bürgerkriegsland Libyen begrüße er, sagte Seehofer. Wenn dabei Menschen aus Seenot gerettet werden, sei das in Ordnung, so Seehofer. Allerdings dürfe dies nicht zu einem "Taxidienst" zwischen Libyen und Italien führen.
EU-Innenkommissarin Ylva Johannson sieht die Neuausrichtung von "Sophia" als Möglichkeit, den Waffenschmuggel nach Libyen zu verhindern. Dies verhindere aber nicht, dass weiterhin Menschenschmuggel bekämpft werde. Außerdem kündigte Johannson in Zagreb an, noch im Frühjahr "einen Restart und einen neuen Pakt im Migrations- und Asylbereich" vorstellen zu wollen.
Nach dem Rat erklärte die Innenkommissarin, dass die Kooperation der nationalen Polizeibehörden verbessert und vereinfacht werden soll. Außerdem solle der Kampf gegen das organisierte Verbrechen vorangetrieben werden. Denn laut Europol gebe es 5.000 organisierte kriminelle Banden in der EU, die jährlich 110 Milliarden Euro erwirtschaften, so Johannson. Der kroatische Innenminister Davor Bozinovic betonte, dass die Kooperation mit den Balkanstaaten und der Türkei vorangetrieben werden soll und man die Situation in Griechenland genau beobachte. Hier brauche es eine europäische Antwort, so Bozinovic.
Unteressen kritisierten die SPÖ und Ärzte ohne Grenzen die Aussagen Nehammers. In Libyen stünden "grausame Menschenrechtsverletzungen auf der Tagesordnung", daher seien Nehammers Aussagen "höchst zynisch", sagte die SPÖ-Europaabgeordnete Bettina Vollath. Laura Leyser, Geschäftsführerin von Ärzte ohne Grenzen Österreich, sagte, dass es derzeit "in Libyen keine Orte" gebe, "die ein Mindestmaß an Sicherheit" für schutzbedürftige Migranten und Flüchtlinge garantieren könnten. Eine Rückführung von Schutzbedürftigen nach Libyen, wo es zu massiven Menschenrechtsverletzungen komme, sei daher abzulehnen.