Weit schneller als erwartet soll die neue Regierung stehen – vor allem ÖVP-Chef Pröll drückt jetzt aufs Gas.
Rot und Schwarz wissen zwar in mehreren Bereichen noch nicht genau, wo sie hin wollen, dafür sind sie offenbar schneller dort: Laut ÖSTERREICH-Informationen aus beiden Regierungsparteien könnte der Koalitionspakt bis zum kommenden Montag ausverhandelt sein - wobei die SPÖ noch auf ein oder zwei Tagen mehr Verhandlungszeit beharrt.
ÖVP gibt Gas
Vor allem der designierte ÖVP-Chef Josef Pröll
soll mächtig aufs Tempo drücken, berichten SPÖ-Verhandler. "Die Schwarzen
schicken uns schon ständig konkrete Formulierungsvorschläge für den
gemeinsamen Koalitionspakt“, schildert ein roter Insider.
Das Kalkül dahinter: Pröll will rasch abschließen, um die internen Kritiker der Großen Koalition zu überrumpeln und um die Partei noch stärker auf seinen Kurs einschwören zu können. Schließlich will er auf dem Parteitag am 28. November mit möglichst großer Zustimmung offiziell zum Obmann gekürt werden. Ein Mittel zum Zweck dafür ist, dass der ÖVP-Vorstand den neuen Koalitionspakt unmittelbar nach dessen Fixierung möglichst einstimmig absegnet.
Ehrgeiziger Fahrplan bis Sonntag fixiert
Derzeit verhandeln noch
die acht Untergruppen, die aber ihre konkreten Reformvorschläge schon bis
morgen, Donnerstag, vorlegen sollen. Der Freitag ist nur noch als Ersatztag
für „Nachzügler“ vorgesehen, bevor dann die Finanzgruppe am Samstag alle
Pläne auf ihre Finanzierbarkeit testen und absegnen muss.
Lange Nacht
Danach tagt ab Sonntagmorgen die große
Verhandlungsrunde mit den Parteichefs Werner Faymann und Josef Pröll, um die
letzten Stolpersteine für Rot-Schwarz auszuräumen.
Beim Zeitplan spießt es sich jedenfalls nur noch an Details: Während sich die SPÖ aber einige zusätzliche Verhandlungstage wünscht, will die ÖVP schon an diesem Sonntag „open end“ verhandeln, um den Sack - vermutlich in der Nacht auf Montag - zuzumachen. In dieser langen Nacht dürfte auch die Ministerriege endgültig fixiert werden.
Nur noch wenige Hürden
Inhaltlich gibt es für die
Verhandler offenbar nur noch wenige Hürden zu nehmen. Offen ist etwa die
konkrete Ausgestaltung der Steuerreform. Hier ist unter anderem umstritten,
bis zu welcher Einkommensgrenze die Entlastung wirken soll.
Ungelöst ist zudem die Frage, wie mit den von der SPÖ geforderten Volksabstimmungen über neue EU-Verträge umgegangen werden soll.
Neue Einigungen
Fast gelöst scheinen die Konflikte um Pensionen
und Studiengebühren. So soll es etwa einen "Nachhaltigkeitsfaktor“ für das
Pensionssystem geben, aber nicht die von der ÖVP geplanten automatischen
Verschlechterungen, wenn die Lebenserwartung der Österreicher steigt. Bei
den Studiengebühren sieht ein möglicher Kompromiss angeblich eine
einsemestrige "Studieneingangsphase“ mit anschließender Prüfung vor - und
zwar für alle Studienrichtungen.
Rätselraten um ÖVP-Chef Josef Pröll:
Welches
Ministeramt wählt der der Vizekanzler in spe? Die größte Machtfülle liegt im
Finanzressort.
Die große Koalition ist fast fix. Koordiniert wird sie erstmals von einem eigenen Staatssekretär. ÖVP-Chef Josef Pröll hat Stephan Pernkopf, seinen Getreuen aus dem Landwirtschaftsministerium durchgesetzt. Nun muss sich Pröll selbst entscheiden, welches Ministeramt er will.
Prestige versus Arbeitsaufwand
Zwei Anforderungen muss das Amt
für Pröll erfüllen: Es muss dem Parteichef und der Partei Prestige bringen.
Dabei kann Pröll zwischen, Außen-, Wirtschafts- und Finanzministerium
wählen. Gleichzeitig muss Pröll aber noch Luft bleiben, um die ÖVP nach der
Wahlschlappe am 28. September neu aufzustellen, meint der Politologe Thomas
Hofer.
Reiseminister Pröll
Eine gute Bühne bietet das
Außenministerium. Pröll könnte sich mit den Großen der Weltpolitik, wie
US-Präsidenten Barack Obama ablichten lassen. Das Amt birgt jedoch das
Risiko, in entscheidenden innenpolitischen Situationen gerade im Flugzeug zu
sitzen.
Wirtschaft ohne Arbeit
Wahrscheinlicher: Pröll wird
Wirtschaftsminister. Nachteil: Das Amt ist um die Arbeitsagenden reduziert.
Außerdem wird der Wirtschaftsminister allgemein für steigende
Arbeitslosenzahlen verantwortlich gemacht. Aufgefettet könnte das Amt um die
Forschungsagenden werden.
Macht als Finanzminister
Scharf ist Pröll aber wohl am meisten
auf das Finanzministerium. Hier säße er an den Schalthebeln der Macht,
bestimmt, wer wie viel Geld bekommt. Entscheidend ist, ob der
Finanzstaatssekretär aus den eigenen Reihen kommt. Denn das
Finanzministerium ist arbeitsintensiv, gerade in Krisenzeiten. Als Favorit
wird der stellvertretende Generalsekretär der Industriellenvereinigung,
Markus Beyrer gehandelt. Er könnte Pröll für den Parteiaufbau freispielen.
Problem: SPÖ-Chef Werner Faymann hat vor Andreas Schieder als
Finanzstaatssekretär zu installieren.