Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Mittwoch die Übergangsminister ernannt, die den Platz der zurückgetretenen FPÖ-Regierungsmitglieder einnehmen. Zuvor hatte er Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) entlassen und die anderen freiheitlichen Minister wunschgemäß ihrer Ämter enthoben. Damit ist die bisher türkis-blaue Koalition nun auch offiziell eine ÖVP-Minderheitsregierung.
Das Innenministerium übernimmt der pensionierte OGH-Präsident Eckart Ratz (65), der frühere Sektionschef Walter Pöltner (67) wird Sozialminister und der stellvertretende Generalstabschef Johann Luif (59) Verteidigungsminister. Das Infrastrukturressort übernimmt Austro-Control-Chefin Valerie Hackl (36). Neuer Vizekanzler ist Finanzminister Hartwig Löger. Das mit Heinz-Christian Straches Abgang ebenfalls frei gewordene Sport- und Beamtenministerium betreut bis zur Wahl Familienministerin Juliane Bogner-Strauß mit.
Im Anschluss an die Ernennung wurden die neuen Minister vom Staatsoberhaupt angelobt.
Appell für gelebte Demokratie
In seiner Rede vor der Angelobung rief Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Mitgliedern der Übergangsregierung das Wesen der parlamentarischen Demokratie in Erinnerung, nämlich "das Suchen und Herstellen von Mehrheiten einerseits und der Schutz von Minderheiten andererseits".
Es brauche das laufende Gespräch, das aufeinander zugehen, den Aufbau von Vertrauen und die Bereitschaft zum Kompromiss. "Gelebte und reife Demokratie ist nicht das absolute Durchsetzen von eigenen Positionen und Programmen", sagte er und mahnte Gewissenhaftigkeit und gegenseitigen Respekt ein.
Davor erinnerte der Bundespräsident an die "bizarren Videos" aus Ibiza und den Weg bis zum Auftrag an Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), für den Übergang bis zur Bildung einer neuen Regierung nach der Nationalratswahl mit Experten die Fortführung der Amtsgeschäfte zu gewährleisten.
Als große Herausforderungen führte er die Klimakrise, die Digitalisierung, vor allem aber auch "das Arbeiten an Europa" an. "Das vereinte Europa ist die beste Idee, die wir Europäerinnen und Europäer je hatten", so Van der Bellen: "Ich bitte Sie, das nicht zu vergessen und das Ihre dazu beitragen, dass Österreich eine konstruktive Rolle in der Europäischen Union übernimmt und zweifellos notwendige Reformen und Veränderungen aktiv mitgestaltet."
Er erinnerte an die Herausforderungen des Brexit und weitere Weichenstellungen, die nach der EU-Wahl anstünden. Van der Bellens Appell: "Für all das brauchen wir eine starke und handlungsfähige Europäische Union und unseren österreichischen Beitrag."
Das sind die neuen Minister
Innenminister: Eckart Ratz
Der gebürtige Bregenzer folgt Herbert Kickl als Innenminister. Er war seit 1997 Richter am Obersten Gerichtshof (OGH). 2012 folgte er der jetzigen Neos-Politikerin Irmgard Griss als Präsident des OGH nach. Vergangenes Jahr schied der bürgerliche 65-jährig aus. In der Richterschaft war er wegen seines hemdsärmeligen Auftretens nicht unumstritten. Ratz hatte Ex-Innenminister Ernst Strasser letztinstanzlich verurteilt. Als Alternative für den Innenminister-Posten wurde auch Ex-VfGH-Richterin Eleonore Berchtold-Ostermann genannt.
Infrastruktur: Valerie Hackl
Nachfolgerin von Infrastrukturminister Norbert Hofer wird Valerie Hackl. Die 35-jährige ist derzeit noch als erste weibliche Chefin der Flugsicherungsbehörde Austro Control tätig. Hofer selbst hatte sie in diese Position berufen. Ihre Karriere hatte Hackl 2012 bei den ÖBB als Assistentin des damaligen Bahn-Chefs Christian Kern begonnen. Als Alternative wurde Van der Bellen auch Gerhard Gürtlich vorgeschlagen. Er ist Sektionschef der Verkehrsabteiltung im Infrastrukturministerium.
Soziales: Walter Pöltner
Der Sozialsrechtsprofessor ist Kurz’ Angebot an die SPÖ. Er ist SPÖ-Mitglied, galt in der Partei aber auch schon als „Verräter“, weil er unter Schwarz-Blau I an der Pensionsreform mitgewerkt hatte. Der Nachfolgr von Beate Hartinger-Klein ist ein ausgewiesener Sozial- und Pensionsexperte. Unter FPÖ-Sozialminister Herbert Haupt wurde er Sektionschef im Sozialministerium und blieb es auch unter den roten Ministern. Der 66-Jährige war auch Mitarbeiter in der Arbeiterkammer. Matura hatte er erst auf dem zweiten Bildungsweg gemacht.
Verteidigung: Johann Luif
Der gebürtige Burgenländer absolvierte die Theresianische Militärakademie und war ab 1998 im Ministerium tätig. Unter Schwarz-Blau I wurde der 59-Jährige zum Militärkommandanten ins Burgenland berufen, wo er auch unten den folgenden SPÖ-Ministern tätig war. Luif gilt selbst als ÖVP-Mann, wurde von Van der Bellen aber akzeptiert. Der Nachfolger von Mario Kunasek ist derzeit Leiter der Generalstabsdirektion im Verteidigungsministerium sowie stellvertretender Generalstabschef. Luif ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.
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