Anschober schlägt Alarm
Neue Studie: Pandemie verstärkt Armut
08.10.2020
Sozialminister Anschober fordert Erhöhung des Arbeitslosengeldes und Vermögenssteuern.
Die Corona-Pandemie trifft Arme und Armutsgefährdete noch härter als den Rest der Bevölkerung. Dieses - durchaus erwartbare - Ergebnis brachten Studien, die Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) beauftragt hat. Bei der Präsentation pochte Anschober auf eine weitere Erhöhung des Arbeitslosengeldes. Zur langfristigen Finanzierung der Krise sprach er sich für Vermögenssteuern aus.
Es habe schon vor Corona ein beträchtliches Armutsrisiko gegeben, nun drohten sich bestehende Risiken zu verstärken, auch seien einzelne zusätzliche Gruppen betroffen. Man müsse hinschauen, wie sich die Situation in den kommenden Jahren auswirke, meinte Anschober bei einer Pressekonferenz am Donnerstag. Ziel sei es, dass aus der schwersten Gesundheitskrise keine soziale Krise werde, bekräftigte Anschober. Die Regierung versuche, mit diversen Maßnahmen gegenzusteuern, darunter die befristete Erhöhung des Arbeitslosengeldes. Dazu gebe es derzeit innerhalb der Koalition Gespräche über eine Verlängerung der Erhöhung, die natürlich seine Intention sei, erklärte Anschober. Eine Entscheidung erwarte er "zeitnah".
Vermögenssteuer
Eher ein langfristiges Thema ist für Anschober eine Vermögenssteuer zur Finanzierung der Krise. Der Standpunkt der Grünen dazu sei ja "kein Geheimnis", "da wird es natürlich dann auch Handlungsbedarf geben", sagte er auf Journalistenfragen. "Ein klares Ja zur Gerechtigkeit bei der Lastenverteilung am Tag danach", zunächst sei aber jetzt die Bewältigung der Krise im Fokus.
Diese trifft wenig überraschend ohnehin benachteiligte Menschen noch stärker, wie WU-Sozialwissenschafterin Karin Heitzmann in einer Studie herausfand. 2019 waren rund 17 Prozent der Bevölkerung armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. Die eigentlich positive Entwicklung der Quote könnte wegen der Pandemie gestoppt werden und sich sogar umkehren.
Wesentliche Ursachen für ein höheres Armutsrisiko waren vor der Krise Arbeitslosigkeit, niedrige Bildung und ausländische Herkunft, besonders gefährdet sind laut Heitzmann auch Alleinerzieher und Familien mit vielen Kindern. In der Krise waren nun Ausländer, Junge und Langzeitarbeitslose überproportional von der erhöhten Arbeitslosigkeit betroffen, erklärte Heitzmann. Neu gefährdet seien etwa die vielen Selbstständigen, denen die Erwerbsgrundlage weggebrochen ist. Hinzu kamen besondere Belastungen durch Homeschooling, unter dem Alleinerziehende, Großfamilien und bildungsfernere Familien besonders gelitten hätten. In ihrer Studie verzeichnet Heitzmann auch eine Zunahme der Nachfrage nach Sozialleistungen, so sei die Anzahl der Vollbezieher von Sozialhilfe bzw. Mindestsicherung zwischen März und Juli um 23 Prozent gestiegen.
"Die, die es schon immer schwer haben, haben es jetzt noch schwerer", resümierte auch Martin Schenk von der Armutskonferenz. Er berichtete, dass die Betroffenen die kleinsten Preissteigerungen bei Lebensmitteln sofort spürten und vielen während des Lockdowns die Zuverdienste weggebrochen seien, was zu empfindlichen Einkommensverlusten geführt habe
Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen
Wichtigste Maßnahme im Kampf gegen Armut sei es, die Menschen in die Erwerbsarbeit zu bringen, "und zwar nachhaltig", wie Heitzmann betonte. Notwendig dazu seien Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, aber auch ein flächendeckender Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen und Ganztagsschulen, um überhaupt Vollzeitarbeit zu ermöglichen. Sinnvoll sei aber auch eine Erhöhung von Leistungen wie Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Sozialhilfe. Die bisher gewährten Einmalzahlungen würden wohl nicht ausreichen.
Anschober versicherte, dass man an einem "Nationalen Aktionsplan gegen Armut" arbeite. Manche Maßnahmen müsse man auch schneller als geplant umsetzen, etwa eine stärkere Bewerbung des Rechts auf ein "Basiskonto". Viel erhofft sich Anschober beispielsweise auch von Umschulungen im Rahmen der Arbeitsstiftung, etwa im Pflegebereich. Auch sicherte er Verbesserungen beim Zugang zu Therapien bei psychischen Problemen zu, denn hier habe man eine "Lücke", gestand er ein.