Anzeige erstattet
Neue Vorwürfe gegen Hans-Peter Martin
16.04.2011
Private Ausgaben als Parteiaufwendungen abgerechnet? Martin: Vorwürfe "haltlos".
Schwere Vorwürfe gegen den EU-Parlamentarier Hans-Peter Martin erhebt wieder einmal ein ehemaliger Mitstreiter: Wie das Nachrichtenmagazin "profil" und die "Salzburger Nachrichten" berichteten, erstattete der EU-Abgeordnete Martin Ehrenhauser Anzeige bei der Wiener Staatsanwaltschaft gegen seinen ehemaligen Delegationsleiter und Chef der "Liste Martin".
Die Vorwürfe
Er soll demnach private Ausgaben als Parteiaufwendungen abgerechnet, unerklärlich hohe Honorare an befreundete Unternehmer gezahlt und die Wirtschaftsprüfer möglicherweise mit mehrdeutigen Belegen getäuscht haben. Martin nennt die Vorwürfe "haltlos und rufschädigend", beantragt eine Finanzprüfung und kündigt rechtliche Schritte an.
In Summe geht es laut "profil" um eine Million Euro Steuergeld. Ehrenhauser sei im Besitz von Unterlagen über Martins Buchhaltung, die den Verdacht zuließen, er habe gut die Hälfte der staatlichen Kostenrückerstattung für den EU-Wahlkampf 2009 zu seinen Gunsten verwendet. So habe sich Martin etwa sein Wohnhaus in Tübingen großzügig von einem Architekten umplanen lassen, die Rechnung sei unter "Sachaufwand für Öffentlichkeitsarbeit" verbucht worden. Anwaltskosten für private Mietrechtsstreitigkeiten fänden sich in der Kontenaufstellung unter "Gerichtskosten".
Martin: "Haltlos und rufschädigend"
Martin dazu in einer Aussendung: " Die angeführten Vorwürfe sind haltlos und rufschädigend. Alle Aufwendungen der "Liste Martin" wurden bereits von amtlich bestellten Wirtschaftsprüfern in Österreich genau geprüft." Er fordere nun eine zweite amtliche Prüfung, "um Klarheit zu schaffen und weiteren Verleumdungen entgegen treten zu können."
Auch die konkret genannten Fälle im "profil" treffen laut Martin nicht zu. So seien die Umbaupläne "völlig getrennt von der "Liste Martin" mir persönlich gemäß Architekten-Leistungsverzeichnis in Rechnung gestellt und privat bezahlt" und die genannten Anwaltskosten für private Mietrechtsstreitigkeiten nicht in der "Liste Martin" verbucht worden. "
"Stellt die Dinge auf den Kopf"
"Martin Ehrenhauser stellt die Dinge auf den Kopf", kontert Martin, "er war es, der für seine Projekte Geld wollte." Eine Anzeige wegen Verleumdung und sonstige rechtliche Ansprüche gegen Martin Ehrenhauser würden bereits geprüft, ebenso wie eine Anzeige wegen des Einbruchs in seine private EDV, kündigte Martin in seiner Aussendung an.
"Dies alles erinnert auffallend an die haltlosen Betrugsvorwürfe, denen ich bereits 2006 und 2007 durch politische Gegner ausgesetzt war", meinte Martin. "Schon damals brachen dann die Vorwürfe selbstverständlich in sich zusammen."
Tatsächlich geriet Martin, während er im EU-Parlament Missstände rund um die Abrechnung von Vergütungen für Abgeordnete geißelte, immer wieder selbst mit seinen jeweiligen Mitstreitern in Konflikte, auch über finanzielle Fragen. Bereits seine erste Listenkollegin Karin Resetarits verließ in bald zu den Liberalen, erst im Vorjahr trat Angelika Werthmann aus der "Liste Martin" aus und klagte, Martin habe seine Forderungen nach Transparenz und Demokratie selbst nicht erfüllt. Damals hatte Ehrenhauser Werthmann noch "Verrat an der Wählerliste HPM" vorgeworfen.
Werthmann erklärte in einer ersten Reaktion zum endgültigen Zerfall der 'Liste Martin', dass es jetzt endlich unumgänglich sei, die Abrechnungen der Wahlkampfkostenrückerstattung der 'Liste Martin' von unabhängigen Stellen eingehend prüfen zu lassen.
"Einer der Hauptgründe für mein Verlassen der 'Liste Martin' waren der ungeklärte Verbleib und Abrechnung der Gelder - zum Zeitpunkt meines Austritts 2010 immerhin rund 3,5 Millionen Euro - aus der Wahlkampfkostenrückerstattung, welche doch Steuergelder sind und Hans-Peter Martin den SteuerzahlerInnen verpflichtet wäre. Ich hätte mir damals erwartet, dass die zuständigen österreichischen Stellen den aufgeworfenen Fragen nachgehen würden. Nun, ein Jahr später", stellte Werthmann fest, "sind diese Frage in der 'Liste Martin' immer noch ungeklärt".
Im Dezember des Vorjahres entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass Martin 163.381 Euro an das EU-Parlament zurückerstatten muss. Das Europaparlament hatte die Gelder wegen regelwidriger Verwendung der Sekretariatszulage im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Mitarbeitern zurückgefordert. Ein Strafverfahren gegen Martin wurde aber eingestellt, da ihm nicht nachgewiesen werden konnte, dass formell mangelhaft verrechnete Zulagen ihm tatsächlich nicht zugestanden wären, auch war ihm kein Betrugsvorsatz nachzuweisen.
SPÖ-Delegationsleiter Jörg Leichtfried forderte, "rasch alle erhobenen Vorwürfe zu klären, damit dann wieder zur Sacharbeit zurückgekehrt werden kann." ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas meinte: "Bevor etwas beurteilt werden kann, müssen jetzt die offenen Fragen geklärt werden." Die Grüne Europasprecherin und EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek verlangte, Martin solle "endlich seine Parteifinanzen offenlegen und damit genau dieselbe Transparenz an den Tag legen, die er von anderen verlangt!"