Neue Verhandlungsrunde im Visa-Prozess: Der ehemalige Botschafter Österreichs in Kiew muss vor Gericht aussagen.
Während sich der Prozess um den illegalen Visa-Handel an den österreichischen Botschaften in Belgrad und Budapest dem Ende entgegen neigt, steht im Wiener Landesgericht bereits die nächste Verhandlung gegen einen Außenamtsmitarbeiter bevor: Ab 3. März muss sich der frühere Botschafter in Kiew vor einem Schöffensenat verantworten. Die Anklage lautet nicht nur auf Amtsmissbrauch. Dem 54-Jährigen wird vor allem schwerer gewerbsmäßiger Betrug vorgeworfen. Das bestätigte Gerhard Jarosch, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien, am Mittwoch.
500 Einreisen in den Schengen-Raum
Der 54-Jährige soll in den
Jahren 2003 und 2004 über 500 ukrainischen Staatsbürgern die Einreise in den
Schengen-Raum ermöglicht haben, indem er ihre Visa-Anträge genehmigte. Diese
sollen allerdings inhaltlich unrichtig bzw. mangelhaft gewesen sein und
hätten nach Ansicht der Staatsanwaltschaft niemals abgesegnet werden dürfen,
zumal ihre Unvollständigkeit auf den ersten Blick ersichtlich war.
"Schmiergeld" soll der Botschafter von den Visa-Werbern weder verlangt noch bekommen haben, was - sollten sich die Vorwürfe der Anklagebehörde als zutreffend erweisen - allerdings nichts am Tatbestand des Amtsmissbrauchs ändern würde: Dafür reicht es aus, wenn ein Beamter wissentlich seine Befugnisse missbraucht und damit einen anderen an seinen Rechten schädigt.
Davon geht die Staatsanwaltschaft aus. Im konkreten Fall wäre demnach die Republik Österreich in ihrem Recht auf gesetzmäßige Vornahme von Amtsgeschäften geschädigt worden.
Anklage wegen Betruges
Wesentlich schwerer wiegt jedoch der
zweite Anklagepunkt, in dem der Ex-Botschafter im Zusammenhang mit dem Bezug
eines sogenannten Ehegattenzuschlags des jahrelangen Betrugs bezichtigt
wird. Ein Schuldspruch in diesem Faktum würde den Strafrahmen auf bis zu
zehn Jahre erhöhen.
Der Botschafter hatte 2001 für seine Ehefrau einen sogenannten Ehegattenzuschlag beantragt und diesen für die Jahre 2002 bis 2005 erhalten. Für die rechtlich zulässige Aufbesserung seines Gehalts wäre es allerdings erforderlich gewesen, dass seine Frau tatsächlich zu ihm in die Ukraine gezogen wäre und Kiew zu ihrem Lebensmittelpunkt gemacht hätte.
Fallweise nur besucht
Genau das soll laut Anklage aber nicht der
Fall gewesen sein: Die "bessere Hälfte" des Botschafters blieb weiter in
Wien wohnen und soll diesen nur fallweise besucht haben. Für die zuständige
Staatsanwältin Katja Wallenscheswki ist daher klar, dass sich der 54-Jährige
betrügerisch ein "Zubrot" zu seinem ohnehin nicht kargen Salär erschlichen
hat. Inkriminierter Schadensbetrag: Rund 50.000 Euro.
Der vier Jahre in Kiew tätige Botschafter war vom Außenministerium nach Bekanntwerden der ersten Verdachtsmomente im April 2006 nach Wien zurückbeordert worden. Er wurde vorübergehend als Referent in der Zentrale eingesetzt. Seit Rechtskraft der Anklage ist er vom Dienst suspendiert.
Seine Verhandlung, die Richter Andreas Böhm leiten wird, ist vorerst auf zwei Tage anberaumt. Der Mann hat im Vorverfahren sämtliche Anschuldigungen zurückgewiesen.
"Interne und externe" Prüfungen
Außenamtssprecher
Peter Launsky-Tieffenthal betont, die Botschaft in Kiew sei nach
Bekanntwerden der offenbar ungesetzlichen Visa-Vergaben "intern und extern"
überprüft worden. Man habe keine Verwicklung weiterer Botschaftsangehöriger
festgestellt und "alles Menschenmögliche" unternommen, um zukünftig
derartige Praktiken zu verhindern. Seit 2004 werde die Vertretungsbehörde in
Kiew je nach Bedarf bzw. saisonal personell verstärkt.
Dass der offenbar ungerechtfertigte Bezug des Ehegattenzuschlags jahrelang niemandem aufgefallen war, erklärte Launsky-Tieffenthal damit, dass der entsprechende Antrag in der Zentrale einzureichen sei. Im Fall des betreffenden Botschafters habe dieser keinen Verdacht erweckt, zumal dem Antragsteller "nicht notwendigerweise" betrügerische Absichten unterstellt werden könnten.
Dass die Ehefrau gar nicht in Kiew lebte, sei dem Außenamt zunächst nicht zur Kenntnis gekommen. "Sie war ja immer wieder dort und war für die anderen Mitarbeiter sichtbar", meinte Launsky-Tieffenthal.