Radikale Reform
Neuer Geheimplan: Bald Selbstbehalt beim Arzt
10.11.2008
Die Koalitionsverhandlungen in Sachen Kassen laufen reibungslos – doch hinterher bei der Gesundheitsreform sind radikale Schnitte geplant.
Es gilt als geheim und hat offiziell noch nicht das Licht der Welt erblickt: Die Sozialpartner – Wirtschafts-, Arbeiter- und Landwirtschaftskammer sowie der ÖGB – haben das Konzept Mehr Patientennutzen durch Finanzierung aus einer Hand im österreichischen Gesundheitssystem erarbeitet. Das 50-seitige Konzept liegt ÖSTERREICH bereits vor.
Weniger Selbstbehalt bei Zahnspange, mehr bei Arzt
Konkret wird
eine Reform und Vereinheitlichung der „Kostenbeteiligungen“ – also der
Selbstbehalte – im Gesundheitswesen skizziert: „Das bestehende System sollte
neu überdacht werden“, heißt es. So seien die Selbstbehalte bei Zahnspangen
für Kinder sehr hoch, „andererseits gibt es Bereiche ohne
Kostenbeteiligung“. Damit kann nur der Arztbesuch für Krankenkassenpatienten
gemeint sein. Der Selbstbehalt soll denn auch an Ort und Stelle („Point of
Sale“) eingehoben werden.
Reiche zahlen mehr, Arme weniger
Weiters steht da: „Die
Neuordnung der Kostenbeteiligung soll auch mit dem Ziel verknüpft werden,
Steuerungseffekte einzuführen.“ Jedoch solle das Gesamtvolumen der
Selbstbehalte nicht steigen, sondern nur umverteilt werden. Und: Wie bei der
Rezeptgebühr planen die Sozialpartner einen sozial gestaffelten
„Kostenbeteiligungsdeckel“. Soll heißen: Arme zahlen weniger, Reiche mehr.
Freie Kassenwahl, Leistungspakete. Das Sozialsystem soll zudem komplett umgekrempelt werden: So planen die Sozialpartner, dass Patienten selbst entscheiden können, bei welcher Kasse sie sich versichern. Zudem soll es „Leistungspakete“ geben: Neben der Grundversorgung soll man durch Aufzahlung Zusatzleistungen kaufen können.
Mehrklassen-Medizin
Der Grüne Karl Öllinger sieht darin die
Festschreibung einer „Mehrklassen-Medizin“. Auch gegen die Reform der
Selbstbehalte ist der Grüne: „Intelligent steuern, heißt bei uns immer dumm
abkassieren“, wettert er. ÖGB-Chef Rudolf Hundstorfer bezeichnet das Papier
indes als „non-paper“: Kein Wunder, die Pläne würden im ÖGB zum Aufstand
führen.