62 Promi-Mitglieder der SPÖ werfen in einem Offenen Brief der Linzer SPÖ-Spitze eine Allianz mit der FPÖ vor. Parteichef Andreas Babler richten sie aus, er solle für einen "konsequenten antifaschistischen Kurs der SPÖ sorgen". Der Schaden sei "enorm".
Ein neuer Streit erschüttert die SPÖ. Diesmal ist das Epizentrum Linz, wo der rote Bürgermeister Klaus Luger die Stadtgeschäfte führt. Ihm werfen 62 teils sehr bekannte und wichtige Mitglieder der SPÖ jetzt vor, ein "besonders krasses Beispiel für opportunistischen und prinzipienlosen Umgang mit Rechtsextremismus" zu sein. Das schreiben sie in einem Offenen Brief an SPÖ-Chef Andreas Babler und den Landesparteivorsitzenden in Oberösterreich, Michael Lindner.
Den Brief mitverfasst haben mit Josef Ackerl und Birgit Gerstorfer zwei Vorgänger Lindners, außerdem unterzeichneten die Ex-Minister Erwin Buchinger und Ferdinand Lacina, weiters Gemeinderäte, Bürgermeister, Gewerkschafter und Künstler wie etwa der Schriftsteller Robert Menasse, der Tatort-Schauspieler Harald Krassnitzer und der Journalist Robert Misik.
Aufruhr: FPÖ-Mann wurde städtischer Direktor
Kritisiert wird, dass der Linzer Bürgermeister Klaus Luger und seine Stellvertreterin Karin Hörzing (beide SPÖ) die Ernennung von Ulrich Püschel (FPÖ) zum städtischen Direktor für Gesundheit und Sport unterstützt haben.
Der 36-jährige FPÖ-Mann ist Mitglied der Burschenschaft Arminia Czernowitz, "die unter anderem eine Veranstaltung mit einem nur geringfügig veränderten NSDAP-Sujet beworben hat." Weiters heißt es im Brief: "Püschel nahm an Demonstrationen der „Identitären“ teil, gehörte 2018 zu den Veranstaltern des ewiggestrigen Kongresses „Verteidiger Europas“ und war einer der Eigentümer des Hetzblatts „Info-Direkt“.
Im Ramadan Turnsaal an die "Grauen Wölfe" vermietet
Der zweite Vorwurf bezieht sich auf eine mangelnde Abgrenzung von den Grauen Wölfen. "Erst im April hat die Stadt Linz dem „Graue Wölfe“-Verein „Avrasya“ für eine Veranstaltung zum Ende des Ramadans den Turnsaal der Goetheschule vermietet – ohne Wissen der Direktorin. Nach Kritik anderer Parteien berief sich der zuständige SPÖ-Stadtrat Dietmar Prammer auf die Religionsfreiheit (!) und meinte, gegen „Avrasya“ liege polizeilich nichts vor. Was er unerwähnt ließ: Die
ultranationalistischen „Grauen Wölfe“ wurden einst nach dem Vorbild der NSDAP gegründet und haben eine blutige Geschichte."
"Enormer Schaden für die SPÖ"
Am Ende ihres Briefes fordern die 62 SPÖ-Mitglieder von Parteichef Andreas Babler, dass er handeln müsse - sofort. Zu Fällen wie jenen in Linz soll er "unmissverständlich Stellung zu beziehen und mit Nachdruck für einen konsequenten antifaschistischen Kurs der SPÖ sorgen."
Sonst entstehe ein "enormer Schaden für die SPÖ". Neben Linz gebe es auch sonst immer wieder andere, ähnliche Vorfälle, wo in der SPÖ "nicht konsequent gegen Rechtsextremismus vorgegangen" werde.
oe24 bringt den Offenen Brief hier im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Bundesparteivorsitzender!
Lieber Genosse Babler!
Sehr geehrter Herr Landesparteivorsitzender!
Lieber Genosse Lindner!
Die österreichische Sozialdemokratie war unter zwei faschistischen Diktaturen verboten, viele Mitglieder wurden verfolgt, inhaftiert und ermordet. Der Rechtsextremismus als heutige Spielart des historischen Faschismus ist
europaweit auf dem Vormarsch. Er bedroht nicht nur Demokratie und Menschenrechte, sondern auch die sozialen Errungenschaften, die die Bewegung der arbeitenden Menschen über viele Jahrzehnte erkämpft hat. Die SPÖ ist durch ihre Geschichte und ihr Programm zum aktiven Antifaschismus verpflichtet. Dieser stellt gerade in der gegenwärtigen politischen Situation das Gebot der Stunde dar. Es gibt aber keinen glaubwürdigen Antifaschismus ohne klare Abgrenzung von allen rechtsextremen Kräften. Deshalb haben wir unterzeichneten SPÖ-Mitglieder mit großer Betroffenheit wahrgenommen, dass die Spitze der Linzer SPÖ solche Kräfte unterstützt. Schon vor mehreren Jahren gab es inner- und außerhalb der Partei heftige Kritik, weil die Linzer SPÖ einerseits mit der besonders einschlägigen Stadt-FPÖ verbündet
war und andererseits die rechtsextremen türkischen „Grauen Wölfe“ sogar beim 1.-Mai-Umzug mitmarschieren ließ.
Breite Proteste führten dazu, dass der „Graue Wölfe“-Verein „Avrasya“ ab 2015 dem 1.-Mai-Umzug fernbleiben musste. Doch erst 2016, nachdem ein Funktionär von „Avrasya“ in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen den faschistischen „Wolfsgruß“ gezeigt hatte und ein Foto davon im Internet verbreitet worden war, konnte sich SPÖBürgermeister Klaus Luger zu einer Distanzierung durchringen.
2019, kurz nach Auffliegen der „Ibiza-Affäre“, kündigte die Linzer SPÖ-Spitze ihr Bündnis mit den Freiheitlichen. Zu einem wirklichen Sinneswandel haben diese Schritte aber nicht geführt: Vor einigen Wochen erklärten SPÖ-Bürgermeister Klaus Luger und SPÖ Vizebürgermeisterin Karin Hörzing ihre Unterstützung für Ulrich Püschel als neuen städtischen Direktor für Gesundheit und Sport. Sie lobten ihn als fachlich qualifiziert, verschwiegen aber, dass er ein bekannter Rechtsextremer ist. Der 36-jährige FPÖ Mann ist langjähriges Mitglied der Burschenschaft „Arminia Czernowitz“, die unter anderem eine Veranstaltung mit einem nur geringfügig veränderten NSDAP-Sujet beworben hat. Püschel nahm an Demonstrationen der „Identitären“ teil, gehörte 2018 zu den Veranstaltern des ewiggestrigen Kongresses „Verteidiger Europas“ und war einer der Eigentümer des Hetzblatts „Info-Direkt“. Bei Püschel kann weder von Jugendsünden noch von Mitläufertum die Rede sein:
Als seine demokratiefeindlichen Umtriebe öffentlich wurden, war er schon über 30. Und als Mitläufer hätte er weder einen rechtsextremen Kongress veranstaltet noch eine rechtsextreme Propagandaplattform betrieben. Bis heute gibt es von Püschel kein Wort der Einsicht oder des Bedauerns.
Der oberösterreichische Verfassungsschutz hat auf die Gefährlichkeit der ‚Identitären‘ ausdrücklich hingewiesen. Das konnte die Linzer SPÖ-Spitze nicht abhalten, jemanden aus dem ‚identitären‘ Umfeld in eine leitende städtische Funktion zu befördern.
Damit nicht genug: Erst im April hat die Stadt Linz dem „Graue Wölfe“-Verein „Avrasya“ für eine Veranstaltung zum Ende des Ramadans den Turnsaal der Goetheschule vermietet – ohne Wissen der Direktorin. Nach Kritik anderer Parteien berief sich der zuständige SPÖ-Stadtrat Dietmar Prammer auf die Religionsfreiheit (!) und meinte, gegen „Avrasya“ liege polizeilich nichts vor.
Was er unerwähnt ließ: Die ultranationalistischen „Grauen Wölfe“ wurden einst nach dem Vorbild der NSDAP gegründet und haben eine blutige Geschichte. Sie hetzen auf übelste Weise gegen Juden, Kurden, Armenier und andere Minderheiten.
Außerdem hat der SPÖ Bundesparteivorstand beschlossen, dass „Graue Wölfe“-Vereine wie „Avrasya“ in keiner Weise unterstützt werden dürfen.
Sehr geehrter Herr Bundesparteivorsitzender!
Sehr geehrter Herr Landesparteivorsitzender!
Liebe Genossen Babler und Lindner!
Das geschilderte Verhalten der Linzer SPÖ-Spitze ist ein besonders krasses Beispiel für opportunistischen und prinzipienlosen Umgang mit Rechtsextremismus. Andere Beispiele gibt es aber auf allen Ebenen unserer Partei immer wieder. Angerichtet wird ein enormer Schaden für die SPÖ. So verliert etwa ihre notwendige Kritik an ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer – wegen seiner Koalition mit der FPÖ und seiner Förderung rechtsextremer Burschenschaften – die Glaubwürdigkeit. Wir unterzeichneten SPÖ-Mitglieder richten deshalb an Euch den dringenden Appell, zu Fällen wie jenen in Linz unmissverständlich Stellung zu beziehen und mit Nachdruck für einen konsequenten antifaschistischen Kurs der SPÖ zu sorgen!
Um diesen Kurs durchzusetzen, braucht es nicht nur einen mutigen Strategieplan der Partei gegen Rechtsextremismus, sondern auch eindeutige Regeln für die Abgrenzung von rechtsextremen Kräften (FPÖ, Burschenschaften, „Identitäre“ usw.) auf allen Ebenen. Wir werden uns dafür engagieren!
Mit freundschaftlichen Grüßen
Josef ACKERL, früherer Landesparteivorsitzender der SPÖ Oberösterreich
Franz AIGENBERGER, Vizebürgermeister und SPÖ-Vorsitzender von Mauthausen
Trautl BRANDSTALLER, Journalistin und Trägerin des Dr.-Karl-Renner-Publizistikpreises
Christian BUCHINGER, SPÖ-Mitglied
Erwin BUCHINGER, früherer Sozialminister
Raimund BUTTINGER, früherer Bezirksgeschäftsführer der SPÖ Wels
Gerhard DEBEUTZ, SPÖ-Mitglied seit 30 Jahren
Bernd DOBESBERGER, Landesbildungsvorsitzender der SPÖ Oberösterreich
Helmut EDELMAYR, Träger der Viktor-Adler-Plakette
Robert EITER, Sprecher des OÖ. Netzwerks gegen Rassismus und Rechtsextremismus
Othmar FRIEDL, Träger der Viktor-Adler-Plakette
Franz GALL, SPÖ-Mitglied seit 37 Jahren
Birgit GERSTORFER, frühere Landesparteivorsitzende der SPÖ Oberösterreich
Marlene GÖLZ, Schriftstellerin und SPÖ-Mitglied seit der Vorsitzkandidatur von Andreas Babler
Dietmar GROISS, Bürgermeister von Aschach an der Donau
Oliver HARTLIEB, Buchhändler
Petra HARTLIEB, Buchhändlerin und Autorin
Walter HOFSTÄTTER, Fraktionsvorsitzender der SPÖ Mauthausen
Gertraud JAHN, frühere Soziallandesrätin in Oberösterreich
Heinrich KELLER, früherer Bundesrats- und Nationalratsabgeordneter
Elfriede KIESEWETTER, frühere Gemeinderätin in Linz
Peter KOSTELKA, Präsident des Pensionistenverbandes Österreichs
Harald KRASSNITZER, Schauspieler
Gertraud KNOLL-LACINA, frühere Bundesrats- und Nationalratsabgeordnete
Ferdinand LACINA, früherer Finanzminister
Herbert LACKNER, Journalist und Träger des Bruno-Kreisky-Preises für das politische Buch
Erwin LEITNER, SPÖ-Mitglied seit 45 Jahren und früherer AK-Rat
Wolfgang MADERTHANER, Präsident des Vereins für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung
Andreas MAILATH-POKORNY, früherer Kulturstadtrat der Stadt Wien
Johann MAYR, früherer Finanzstadtrat der Stadt Linz
Robert MENASSE, Schriftsteller und Träger des Bruno-Kreisky-Preises für das politische Buch
Robert MISIK, Journalist und Schriftsteller
Gerald NETZL, Vorsitzender des Bundes Sozialdemokratischer FreiheitskämpferInnen
Georg OBERHAIDINGER, Träger der Viktor-Adler-Plakette
Rudolf ORTNER, Sektionsvorsitzender in Wels
Wolfgang PETRITSCH, Außenpolitikexperte
Michaela PETZ, Gemeinderätin in Bad Schallerbach
Thomas PUNKENHOFER, Bürgermeister von Mauthausen
Romana RAINER, SPÖ-Mitglied seit 40 Jahren
Siegfried RAINER, SPÖ-Mitglied seit 50 Jahren
Johann REINDL-SCHWAIGHOFER, Sektionsvorsitzender und Gemeinderat in Wels
Eva REITER, Landesvorsitzende der Sozialistischen Jugend Oberösterreich
Gerald REITER, Gemeinderat in Schwertberg
Werner RETZL, Vorsitzender der Welser Initiative gegen Faschismus
Franz RÖHRENBACHER, Träger des Goldenen Ehrenzeichens der Stadt Linz
Laurien SCHEINECKER, Gemeinderätin in Wels und Trägerin der Otto-Bauer-Plakette
Irmgard SCHMIDLEITHNER, frühere ÖGB-Vizepräsidentin
Rudolf SCHOBER, SPÖ-Mitglied seit 45 Jahren
Christian SCHÖRKHUBER, SPÖ-Mitglied seit 42 Jahren
Ayfer SINIRTAS, Trägerin des Elfriede-Grünberg-Preises
Rudolf SPITZER, SPÖ-Mitglied seit 43 Jahren
Paul STICH, Verbandsvorsitzender der Sozialistischen Jugend Österreich
Christian STÖBICH, SPÖ-Mitglied seit der Vorsitzkandidatur von Andreas Babler
Waltraud STUCHLIK, frühere Abgeordnete zum OÖ. Landtag
Walter STURM, SPÖ-Mitglied seit 30 Jahren
Heide TEBBICH, Geschäftsführerin von Baobab
Gloria-Maria UMLAUF, Gemeinderätin in Wels
Erich WAHL, Abgeordneter zum OÖ. Landtag und Extremismussprecher der SPÖ OÖ
Sepp WALL-STRASSER, Bürgermeister von Gallneukirchen
Harald WILDFELLNER, Bildungsreferent der SPÖ Ottensheim
Andreas WOHLMUTH, Generalsekretär des Pensionistenverbandes Österreichs
Larissa ZIVKOVIC, Landessekretärin der Sozialistischen Jugend Oberösterreich