Rot-blauer Flirt
Neuwahlen: FPÖ macht der SPÖ Avancen
12.04.2017
Kickl: "Burgenländisches Modell funktioniert ja ganz gut"
Die FPÖ stellt sich auf Neuwahlen im Herbst 2017 ein. "In Wahrheit dürften sich SPÖ und ÖVP schon einig sein. Die Scheidung steht fest, aber jeder versucht, den anderen möglichst schlecht ausschauen zu lassen", sagte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl im APA-Interview. "Sachpolitisch spielt sich ja nichts Substanzielles mehr ab." Die FPÖ ist deshalb auf alle Eventualitäten vorbereitet, so Kickl.
Ziel ist Platz 1
"Ausgangspunkt ist das letzte Wahlergebnis. Wir wollen zulegen, und unser Ehrgeiz ist es, bei dieser Wahl als erster über die Ziellinie zu gehen. Das ist das klare Ziel." Aus dieser Position heraus könnten die Freiheitlichen dann federführend bei Regierungsbildungsgesprächen sein. "Und im Idealfall eine Zweierkonstellation zustande bringen und nicht einen Fleckerlteppich, von dem der Herr Kern jenseits jeder Realität träumt", so Kickl in Anspielung an das kolportierte SPÖ-Ziel einer rot-grün-pinken Koalition.
Die FPÖ ist laut Kickl jedenfalls bereit, nach der nächsten Wahl Regierungsverantwortung zu übernehmen. "Wir haben jetzt zwei Regierungsmodelle auf Landesebene. Man hat uns lange nachgesagt, die Freiheitlichen wollen ja gar nicht. Nein, wenn die Bedingungen stimmen, wenn man mit dem Partner so arbeiten kann, dass es ein Miteinander ist und nicht eine ewige Haxlbeißerei, wie wir sie auf Bundesebene erleben, und wenn sich inhaltlich freiheitliche Weichenstellungen wiederfinden, dann sind wir bereit, in beide Richtungen seriöse Verhandlungen zu führen." Eine Regierung mit blauer Beteiligung müsse aber ernsthafte Reformen mit substanziellen Verbesserungen angehen.
Koalition mit der SPÖ
Dass Kickl selbst dabei eine Koalition mit der SPÖ präferieren würde, stellt dieser zumindest nicht völlig in Abrede. "Das burgenländische Modell funktioniert ja ganz gut." Dazu kämen noch "historische Erfahrungen und Erfahrungen im persönlichen Umgang", erinnert Kickl an die schwarz-blaue Koalition in der ersten Hälfte der 2000er-Jahre. "Das war ja in der Endphase nichts anderes als der Versuch einer damals anders aufgestellten ÖVP, den Koalitionspartner FPÖ umzubringen. Es gibt Elementarereignisse in der freiheitlichen Geschichte, die man nicht ganz wegwischen kann, auf der anderen Seite soll auch jeder seine Chance bekommen. Inhaltlich gibt es ja durchaus Gemeinsames", meinte der FPÖ-Politiker.
"Ich möchte nur denjenigen in der ÖVP eine klare Absage erteilen, die glauben, sie könnten vom hohen Ross herunter das Modell von 2000 folgende hernehmen, und dann wäre die ÖVP der große Kommandant, und daneben gibt es die Freiheitlichen, die das abwinken sollen, was der ÖVP mehr nutzt als dem Land. Das spielt es mit Sicherheit nicht. Kein Dritter oder Zweiter wird von uns zum Ersten gemacht. Die FPÖ wird es diesmal besser und anders machen." Dass es die SPÖ im Falle einer Koalition mit den Freiheitlichen zerreißen würde, mag laut Kickl schon sein. "Aber die SPÖ wird sich entscheiden müssen, ob sie ihre Parteigeschichte verlängern will. Ein Dauerspagat ist dazu untauglich. Da wird eine ordentliche Portion politischer Pragmatismus notwendig sein. Wenn die SPÖ dazu nicht bereit ist, dann wird sie so oder so keine Zukunft haben. Ich glaube, dass das Modernisierungsmodell der SPÖ die Niessl-Variante ist. Häupl und Co sind retro."
Volksbegehren im Mai
Inhaltlich fordern die Freiheitlichen für den Fall einer Regierungsbeteiligung ein völlig neues Politikverständnis von SPÖ und ÖVP. Brennende Themen sollen etwa durch mehr direkte Demokratie beziehungsweise Volksbefragungen einer Entscheidung zugeführt werden, erklärte Generalsekretär Herbert Kickl im APA-Interview.
"Man könnte ohne Weiteres einmal die Bevölkerung befragen, ob sie Zuwanderung in dieser losen und unorganisierten Form überhaupt will, oder ob wir im Bereich des Arbeitsmarkts nicht etwa den Weg der Steuerung oder Kontrolle gehen sollten. Die Österreicher sind ja nie gefragt worden, ob sie diese Massenzuwanderung wollen." Auch zu den Themen Föderalismus und Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern könnte man laut Kickl eine Volksbefragung machen.
In der Sozialpolitik will Kickl, der auch Sozialsprecher seiner Partei ist, eine stärkere Differenzierung zwischen Staatsbürgern und Nicht-Staatsbürgern. "Die Mindestsicherung ist nicht dafür eingeführt worden, um Heerscharen von Flüchtlingen zu versorgen." Flüchtlinge sollten so lange in der Grundversorgung bleiben, bis sie den Einstieg ins Erwerbsleben schaffen, erst danach könnten sie Ansprüche aus der Versicherungsleistung erwerben. Bei den Pensionen ortet Kickl ebenfalls Änderungsbedarf. Ungerechtigkeiten zulasten der ASVG-Versicherten gehörten abgestellt, insbesondere Pensionsprivilegien in staatsnahen Unternehmen oder auf Beamtenebene. Die Sozialversicherungen will Kickl zusammenlegen. Eine Regierung mit FPÖ-Beteiligung werde die "rot-schwarze Versorgungsbürokratie nicht weiter künstlich am Leben erhalten".
Wirtschaftsprogramm
Im Großraum Mai/Juni wird die FPÖ im Rahmen einer Präsidiumsklausur ihr Wirtschaftsprogramm absegnen, das derzeit in der Endabstimmung ist. Kickl will "ein Papier aus einem Guss und nicht aus jedem Dorf einen Hund so wie Plan A". Das Wirtschaftskonzept der FPÖ werde "kein reines Unternehmerkonzept, sondern was ganzheitliches mit sozialer Verantwortung" sein. "Das ist das Wirtschaftsprogramm einer sozialen Heimatpartei. Wir erweitern damit unser politisches Sortiment, ohne das Kernprodukt zu vernachlässigen." Details will der FPÖ-General noch nicht nennen, aber eine geringere Steuer- und Abgabenquote, eine Reduktion der Staatsausgaben, weniger Staat bzw. Deregulierung sowie mehr Freiräume und Investitionsanreize für Unternehmen dürften zu den Eckpunkten des Papiers gehören.
Den Einfluss der Sozialpartner will die FPÖ auf eine beratende Funktion reduzieren. In der Verfassung haben die Sozialpartner laut Kickl "gar nichts" verloren. "Da hat man sich selbst für besonders schützenswert erachtet, und das gibt natürlich viele Möglichkeiten an die Hand, Beton anzumischen in Bereichen, wo es notwendig wäre, Beweglichkeit zu haben." Eine Auslagerung von ungelösten Themen wie bei der Arbeitszeitflexibilisierung oder dem Mindestlohn käme für Kickl nicht infrage. "Das ist für mich das Gegenteil einer starken Regierungskompetenz."
Eines der zentralen politischen Themen bleibt für den FPÖ-General das Ausländerthema. "Das ist ein Schlüssel, der mehrere Schlösser sperrt." Die Flüchtlingsobergrenze will Kickl in Richtung Null bringen: klassisches Asyl als Schutz auf Zeit im Bedarfsfall ja, Wirtschaftsflüchtlinge nein. "Wir können nicht die ganze Welt retten, aber wir können Österreich zugrunde richten, wenn wir so wie SPÖ und ÖVP weitertun. Ich will keine islamische Mehrheit bei uns." Dass die Regierungsparteien zuletzt nach rechts gerückt sind, wertet Kickl als "überlebensnotwendige Bestätigung der Richtigkeit der freiheitlichen Positionen". Der FPÖ-Politiker spricht SPÖ und ÖVP aber jede Glaubwürdigkeit ab.
"Dieser Sinneswandel ist nichts anderes als Ausdruck einer Angst, Furcht, Panik vor dem Machtverlust, eine Art Notbremse. Man tut jetzt in dieser Vorwahlphase so, als wäre man klüger geworden und hätte dazugelernt. Aber immer dann, wenn man in den Umsetzungsmodus kommt, dann wird's Abend auf der Puszta. Es kann nur einen geben. Das ist wie bei Coca Cola, oft kopiert und nie erreicht." Dass Außenminister Sebastian Kurz von der ÖVP frischer und jünger als FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wirkt, "das kann schon sein, aber ein bisschen grüner hinter den Ohren und unerfahrener auch".
Strache habe eine höhere Durchschlagskraft und Glaubwürdigkeit. "Es geht um Leadership. Der Name Kurz ist der Inbegriff für eine Erwartungsblase innerhalb der ÖVP. Da gibt es gar nicht so wenige bei den Schwarzen, die sich jetzt schon auf nicht realisierte Wahlgewinne die emotionalen Dividenden auszahlen", so Kickl. Der FPÖ-General rechnet bei der Nationalratswahl jedenfalls mit einem Dreikampf zwischen Strache, Kurz sowie Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern. "Wir werden erst sehen, wie es mit dem Herrn Kurz wirklich ist, wenn er sich in einer Wahlauseinandersetzung stellen muss. Derzeit betreibt er ja nur politische Streunerei, hinterlässt überall Duftmarken und taucht wieder ab. Die ÖVP wäre auch unter ihm dieselbe ÖVP mit allen Unzulänglichkeiten."