NY statt Wahlkampf

Noch-Kanzler Gusenbauer trainiert für das Außenamt

14.09.2008

Alfred Gusenbauer glänzt im Inland mit Abwesenheit, im Ausland mit Präsenz. Freunde wie Feinde unken, dass er fürs Außenamt trainiere.

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Freitag, 14 Uhr im Parlament: Die SPÖ-Regierungsbank ist leer. Auch der Kanzler fehlt. Und das, obwohl das Kernstück des SPÖ-Programmes für die Neuwahl zur Abstimmung steht: die Mehrwertsteuersenkung. Hinter den Kulissen macht sich Empörung breit. Alle zerfransen sich im Wahlkampf, Gusenbauer erscheint nicht einmal zur entscheidenden Sitzung ...

Zum selben Zeitpunkt, 600 Autobahnkilometer südlich. Gusenbauer eröffnet die Architekturbiennale in Venedig. Kunstgenuss statt öder Parlamentsalltag. Das hat System, denn Gusenbauer wird von der SPÖ im Wahlkampf „versteckt“. Statt auf öffentlichen Plätzen Stimmen zu keilen, spricht er im Ausland bei Events. Und trainiert für einen möglichen Job als Außenminister in der künftigen Regierung, wie manche munkeln.

Die Absenz ist auch der ÖVP aufgefallen. „Gusenbauer bereitet sich auf die Außenpolitik in Venedig vor“, spottete Vize Molterer in der ORF-Pressestunde. Fakt ist: „Gusi“ ist bis 28. September dauer-unterwegs, absolviert nur einen einzigen Wahlkampf-Auftakt ...

Amstetten bis New York
Er traf die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in Brüssel, jettete am vergangenen Wochenende für drei Tage nach Venedig, es folgen vier Tage USA kurz vor der Wahl, dazwischen liegt nur ein wenig Wahlkampf in Amstetten: Während der Wahlkampf in seine heiße Phase geht, macht sich Gusenbauer in Österreich rar.

Höhepunkt der Auslandsoffensive: In der entscheidenden Woche vor der Wahl, wenn die SPÖ vom hochrangigen Parteigranden bis zum kleinen Funktionär alles auf die Beine stellen wird, um am 28. September vorne zu sein, wird Gusenbauer von Amts wegen in New York weilen.

Treffen mit Clinton
Dort wird er am 24. September auf Ex-Präsidenten Bill Clinton treffen. Am Tag darauf findet ein UN-Gipfeltreffen statt, wo Gusenbauer Lobbying für Österreichs Kandidatur als Mitglied im UNO-Sicherheitsrat betreiben soll.

Die Überraschung: Einzelne Parteifreunde beurteilen Gusenbauers Wechsel zum Globetrotter als voll in Ordnung. „Ich finde das gut so“, sagt Josef Kalina, Ex-Bundesgeschäftsführer und Ex-Wahlkampfleiter der SPÖ, der von Gusenbauer im Frühjahr des Amtes enthoben wurde. Kalina betont, der Wahlkampf der SPÖ laufe bislang „sehr gut und sehr professionell ab“. „Wer nicht zur Wahl antritt, soll auch nicht in den Wahlkampf“ ziehen, so Kalina. Auch Politologe Peter Filzmaier meint, mehr Präsenz von Gusenbauer würde den SP-Wahlkampf stören.

Versteckspiel?
ÖVP-Generalsekretär und Wahlkampfleiter Hannes Missethon findet dafür freilich andere Worte. „Die Strategie ist, ­Gusenbauer bis nach der Wahl zu verstecken. Wie auch bei den Wahlversprechen, den Milliardengeschenken, will die SPÖ die Leute für dumm verkaufen. Denn in Wahrheit soll ­Gusenbauer der nächsten SPÖ-Regierung als Außenminister angehören.“
Gusenbauer selbst nimmt die Kritik gelassen. Sein Sprecher Stefan Hirsch betont, der Kanzler erledige durchaus zahlreiche Termine auch in Österreich. Hirsch: „Es sind eben nicht alle Termine auch öffentlich.“
Beim Ministerrat am kommenden Mittwoch ist der Kanzler jedenfalls in Wien mit dabei.

Filzmaier: "Gute SP-Strategie"
ÖSTERREICH:
Ist es eine gute Strategie, dass Noch-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer so wenig präsent ist?

Peter Filzmaier: Ja, definitiv. Viele der Strategien Faymanns wie eine „Neuorientierung“ würde mit dem Bild Gusenbauers eine Kommunikationsschere ergeben. Zudem hat die SPÖ ­eine extrem auf die Person Werner Faymann zugeschnittene Wahlkampfstrategie.

ÖSTERREICH: Wie läuft der Wahlkampf der SPÖ?

Filzmaier: Wie gesagt, er ist sehr personenorientiert. Das ist insofern logisch, weil die Kanzlerpartei meistens den Personenwahlkampf führt und der Herausforderer, also eher die ÖVP, den Themenwahlkampf. Bemerkenswert ist nur, dass die SPÖ diesen Personenwahlkampf als Kanzlerwahlkampf nach dem Lehrbuch führen kann. Obwohl es mit Faymann gar nicht der Kanzler ist, der an der Spitze steht. Das ist kommunikations­politisch sicher gelungen.

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