Das Bündnis von Volkspartei und Freiheitlichen nach der Landtagswahl in Niederösterreich steht. Auch muss die Volkspartei einige Ressorts abgeben. Dabei stößt die schwarz-blaue Zusammenarbeit aber auch auf reichlich Kritik.
Von beiden Landesparteivorständen gab es am Freitagvormittag einstimmig grünes Licht für das Arbeitsübereinkommen. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und FPÖ-Landesparteichef Udo Landbauer werden die Details der Zusammenarbeit um 13.30 Uhr im Landhaus vorstellen. Die tagelangen Verhandlungen der beiden Parteien waren in der Nacht auf Freitag abgeschlossen worden.
Zu Inhalten des Arbeitsübereinkommens hielten sich beide Parteien vorerst bedeckt. Verwiesen wurde auf die geplante Pressekonferenz. "Im Ringen um Lösungen haben wir uns auf Maßnahmen geeinigt, die Niederösterreich voranbringen werden", betonte ÖVP-NÖ-Chefin Mikl-Leitner in der Nacht auf Freitag in einer Aussendung. "Wir haben uns auf ein ambitioniertes Arbeitsprogramm im Sinne einer echten Veränderung und unserer Landsleute geeinigt", teilte FPÖ-Landespartei- und -klubobmann Landbauer mit.
Bereits am Montag wurde bekanntgegeben, dass die beiden Parteien Maßnahmen zum Thema Integration vereinbart haben. Mikl-Leitner nannte als Inhalte Verhaltensregeln in der Schule und das Prinzip, dass die deutsche Sprache Grundvoraussetzung für Förderungen sein soll. Einer der Knackpunkte in den Verhandlungen war die Aufarbeitung der Corona-Pandemie. Landbauer verlangte hier auch Entschädigungen bis hin zu einer "Generalamnestie" für Covid-Strafen. Mikl-Leitner räumte daraufhin ein, dass die Corona-Impfpflicht aus jetziger Sicht ein "Fehler" gewesen sei - eine Aussage, die dem Freiheitlichen wiederum zunächst noch zu wenig war.
Wahl von Mikl-Leitner
Einen Mittelweg könnte es bei der Wahl der Landeshauptfrau geben. Die Freiheitlichen haben stets betont, bei der konstituierenden Landtagssitzung am 23. März nicht für Mikl-Leitner zu votieren. Sie werden laut Landbauer eine Wahl der Landeshauptfrau aber nicht verhindern. Im Raum steht, dass die 14 FPÖ-Abgeordneten ungültig wählen könnten. Damit wäre mit den 23 ÖVP-Vertretern bei insgesamt 56 Mandataren die erforderliche Mehrheit erreicht. Es zählen nur gültige Stimmen.
Die Volkspartei hat zunächst begonnene "vertiefende Gespräche" über eine Zusammenarbeit mit der SPÖ vergangene Woche gestoppt. Zu vier von fünf öffentlich gestellten Bedingungen habe man einen Kompromiss gefunden, meinte ÖVP-Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner am Freitag im Rückblick: "Die SPÖ wollte ihre fünf Punkte aber auf Biegen und Brechen umsetzen." Insgesamt habe es über 200 Forderungen der Roten gegeben, die der Parteimanager als teilweise "unleistbar" und "untragbar" bezeichnete. Die Sozialdemokraten hätten "den Bogen überspannt und sich damit verpokert": "Das Resultat sind gescheiterte Verhandlungen mit der SPÖ, die schlussendlich die Gespräche mit der FPÖ notwendig gemacht haben", erklärte Ebner in einer Aussendung.
Die ÖVP hat bei der Landtagswahl 39,93 Prozent (minus 9,70 Prozentpunkte) erreicht und damit die absolute Mehrheit im Landtag und erstmals auch in der Landesregierung verloren. Die FPÖ erzielte mit 24,19 Prozent ein Rekordergebnis und löste die Sozialdemokraten auf Platz zwei ab. Wie die Schwarzen fuhren auch die Roten (20,65 Prozent) ihr schlechtestes Resultat im Bundesland seit 1945 ein. Die Grünen erreichten mit 7,59 Prozent wieder Klubstärke, die NEOS kamen auf 6,67 Prozent.
Volkspartei muss einige Ressorts abgeben
Nach dem ÖVP-Verlust bei der Landtagswahl in Niederösterreich werden die Zuständigkeiten in der Landesregierung neu geordnet. Landeshauptfrau Mikl-Leitner hat bereits Anfang Februar angekündigt, selbst den Bereich Wirtschaft übernehmen zu wollen. Laut "Krone" sollen etwa auch Finanzen und Bildung bei der Volkspartei bleiben, die Ressorts abgeben muss. Die FPÖ soll dem Bericht zufolge künftig neben Asyl und Integration u.a. für Verkehr, Sport und Arbeitsmarkt zuständig sein.
Die ÖVP hat bei der Wahl am 29. Jänner erstmals die absolute Mehrheit in der Landesregierung verloren und stellt künftig nur mehr vier statt sechs der neun Mitglieder. Neben der Landeshauptfrau, die bisher u.a. für Personalangelegenheiten und Kultur zuständig war, bleiben Stephan Pernkopf, zuletzt Landeshauptfrau-Stellvertreter für Energie, Landeskliniken und Landwirtschaft, sowie Bildungslandesrätin Christiane Teschl-Hofmeister und Finanzlandesrat Ludwig Schleritzko im Team. Die Mannschaft wurde bereits vier Tage nach der Landtagswahl präsentiert.
Die Freiheitlichen haben ihre drei Regierungsmitglieder noch nicht bekanntgegeben. Landbauer wird wohl als LH-Stellvertreter nominiert werden. Der zuletzt einzige FPÖ-Vertreter, Asyllandesrat Gottfried Waldhäusl, dürfte in der Regierung bleiben. Laut "Krone" soll die Kremser Stadträtin Susanne Rosenkranz neue Landesrätin werden. Die Juristin hat am 29. Jänner auf Platz 17 der freiheitlichen Landesliste kandidiert. Rosenkranz hat berufliche Erfahrung in der Privatwirtschaft, war Kabinettschefin im Staatssekretariat für Tourismus im Wirtschaftsministerium und parlamentarische Mitarbeiterin für die Freiheitlichen. Sie ist die Ehefrau von Volksanwalt Walter Rosenkranz. Als Klubobmann soll LAbg. Reinhard Teufel aus dem Bezirk Scheibbs auf Landbauer folgen, berichtete die Tageszeitung.
Das SPÖ-Team bilden der designierte Landesparteichef Sven Hergovich und Ulrike Königsberger-Ludwig. Letztere fungierte zuletzt als Landesrätin für soziale Verwaltung, Gesundheit und Gleichstellung. Laut "Krone" soll das Ressort Arbeitsmarkt nicht an den früheren AMS-NÖ-Geschäftsführer Hergovich, sondern an die Freiheitlichen gehen.
Zusammenarbeit stößt auf Kritik
Das ausverhandelte schwarz-blaue Bündnis in Niederösterreich stößt auf Kritik. Die SPÖ-Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner konstatiert bei der FPÖ "menschenverachtende Politik und Hetze", der rote Klubobmann in Niederösterreich, Hannes Weniniger, sieht in der Vereinbarung "kein Renommee" für das Bundesland. Für die Grüne Landessprecherin Helga Krismer wird das "Land in die Vergangenheit" zurückkatapultiert. SOS Mitmensch kündigte indes eine Protestkundgebung an.
"ÖVP und FPÖ finden in Niederösterreich im Rekordtempo zueinander. Kickl, Waldhäusl, Landbauer, die gesamte FPÖ stehen für eine menschenverachtende Politik und Hetze", teilte Rendi-Wagner via Twitter mit. Die Freiheitlichen dürfen "kein Partner für die Sozialdemokratie" sein, betonte sie.
"Die ÖVP hat mit Landbauer, Waldhäusl und Co. handzahme Bettvorleger für den Erhalt ihres absolutistischen Machtanspruches gefunden", befand Weninger in einer Aussendung zum Bündnis, das er als "Kickl-Mikl-Pakt" und "Holzhacker-Koalition" bezeichnete. Die SPÖ, die bis zur Vorwoche selbst längere Zeit mit der ÖVP vergebens ein Übereinkommen verhandelt hat, werde nun im Landtag "Punkt für Punkt Mehrheiten für ein soziales und demokratisches Niederösterreich suchen".
Volkspartei und Freiheitlichen gehe es um Machtverliebtheit, sagte Krismer. Unter diesen Vorzeichen könnten die Grünen Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) nicht zur Landeshauptfrau wählen, wurde in einer Aussendung angekündigt. "Wer auf die Idee kommt, mit Klimaleugnern, Wissenschaftsverweigerern, Kunstfeinden und Hetzern einen Pakt einzugehen, hat die Liebe zum Land verloren", meinte Krismer über die Obfrau der Volkspartei Niederösterreich.
Vor der konstituierenden Landtagssitzung am 23. März um 10.00 Uhr plant SOS Mitmensch gemeinsam mit anderen Initiativen und engagierten Personen von 8.00 bis 9.30 Uhr eine Protestaktion vor dem Landhaus gegen die Zusammenarbeit von ÖVP und FPÖ. "Wir sehen nicht schweigend zu, wie ideologische Rechtsextremisten und Rassisten mit weitreichender Macht ausgestattet werden", teilte die Menschenrechtsorganisation am Freitag in einer Aussendung mit. "Wir sehen die Kundgebung als Mahnruf, dass es für eine Demokratie nicht egal ist, wem eine Brücke zur Macht gebaut wird. Es ist, nach dem Befördern von Waldhäusl ins Integrationsressort, bereits der zweite schwere Sündenfall von Johanna Mikl-Leitner", sagte Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch, in Richtung der niederösterreichischen Landeshauptfrau.
Bereits am Mittwoch sprachen sich mehrere niederösterreichische Künstler und der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), Oskar Deutsch, offen gegen eine Zusammenarbeit zwischen ÖVP und FPÖ aus. Am Donnerstag sah der Verein "Willkommen - zum Finden einer neuen Heimat" laut Medienberichten in einem Offenen Brief gemeinsam mit acht weiteren Organisationen die Demokratie in Gefahr.