Die SPÖ hat am Freitag Bedingungen für ein Arbeitsübereinkommen mit der ÖVP nach der Landtagswahl in Niederösterreich präsentiert.
Ohne diese "5 plus 1"-Forderungen - fünf inhaltliche und eine demokratiepolitische - werde es keine Einigung geben, sagte der designierte Landesparteichef Sven Hergovich in einem Pressegespräch. "Ich halte es für zielführend fürs Land, wenn wir miteinander und nicht übereinander reden", reagierte ÖVP-Chefverhandler Jochen Danninger.
Die Sozialdemokraten verlangen kostenlose Kindergarten-Ganztagsbetreuung, die Ausweitung des Modellprojekts "Arbeitsplatzgarantie Marienthal" zur Job-Garantie für Langzeitarbeitslose, einen Heiz-Preis-Stopp, ein Anstellungsmodell für pflegende Angehörige, eine Strukturoffensive für vernachlässigte Regionen mit u.a. einer Standortgarantie für alle Polizeiinspektionen sowie ein Demokratiepaket. Die SPÖ werde kein Arbeitsübereinkommen unterschreiben, in dem nicht mindestens diese fünf Grundbedingungen und die Forderung, dass jedes Ressort in seinem Zuständigkeitsbereich auch Budget- und Personalverantwortung haben müsse, erfüllt seien, sagte Hergovich bei einem kurzfristig anberaumten Pressetermin in St. Pölten.
392 Millionen Euro pro Jahr
Die Umsetzung dieser Forderungen würde Schätzungen zufolge 392 Millionen Euro pro Jahr kosten. Es sei "normal und legitim", dass im Rahmen eines Regierungsübereinkommens rund fünf Prozent des Landesbudgets umverteilt werden, sagte Hergovich. Die SPÖ habe Vorschläge zur Gegenfinanzierung gemacht, fügte er hinzu, ohne Details zu nennen.
Die bisherigen Gespräche zwischen SPÖ und ÖVP seien "durchaus konstruktiv" verlaufen, aber "noch nicht intensiv und ernsthaft genug", sagte Hergovich. "Für die ÖVP mag es am Anfang noch ungewohnt gewesen sein, dass sie ihre absolute Mehrheit im Landtag und in der Landesregierung verloren hat", meinte der designierte Parteichef angesichts des Wahlergebnisses vom 29. Jänner. Weitere Verhandlungen wurden für Sonntag vereinbart.
Die SPÖ sei für eine Zusammenarbeit mit der ÖVP bereit, "aber nicht um jeden Preis", hielt Hergovich fest. Die Sozialdemokratie habe von Anfang an gesagt, dass sie nur dann ein Arbeitsübereinkommen abschließen könne, "wenn das auch konkrete Verbesserungen für die Menschen in Niederösterreich mit sich bringt", sagte der designierte Landesparteichef. Überschriften würden nicht reichen, es müssten Detailfragen etwa zur Finanzierung oder zur konkreten Zuständigkeit in der Verwaltung geklärt werden. Hier ortete der SPÖ-Politiker bei der ÖVP einen "Mangel an ehrlicher Bereitschaft zum Verhandeln".
"Als Hebel für die Umsetzung" der fünf Bedingungen braucht es aus SPÖ-Sicht ein Demokratiepaket und die Einführung des Verwaltungsprinzips: "Wessen Ressort, dessen Zuständigkeit". Die Regierenden müssen die Möglichkeit erhalten, im Rahmen ihrer Zuständigkeit Personal- und Budgethoheit auszuüben, sagte Hergovich. Zudem sei ein Demokratie- und Transparenzpaket nötig, um das politische System des Landes "fairer und sauberer, aber auch effektiver und effizienter zu machen". Gleichzeitig wurde festgehalten, dass in den Gesprächen nicht nur die genannten Punkte, sondern etwa auch Klima- und Umweltschutz Thema seien.
ÖVP reagiert
Der designierte ÖVP-Klubobmann Danninger teilte daraufhin in einer schriftlichen Stellungnahme mit, dass es für alle vertrauensbildend sei, "Inhalte am Verhandlungstisch zu diskutieren - und am Ende der Gespräche darüber zu informieren, ob man sich einigen konnte oder nicht. Aber wir sind jetzt mittendrin in den Gesprächen - und ich würde daher ungern den vertrauensbildenden Weg verlassen und öffentlich Forderungen und Gegenforderungen aufstellen."
Angesichts der Debatte um die SPÖ-Bundesparteispitze meinte Hergovich auf Nachfrage, er sehe sich in der SPÖ NÖ im Moment nicht in der Situation, anderen Ratschläge zu erteilen: "Es gibt für uns im eigenen Land genug zu tun, und darauf konzentriere ich mich."
Hergovich, zuvor Geschäftsführer des AMS NÖ, hat am Tag nach der Landtagswahl die Führung der SPÖ NÖ von Franz Schnabl übernommen. Der 34-Jährige leitet die Verhandlungen für die Sozialdemokraten, die am 29. Jänner 20,65 Prozent erreichten und damit wie die ÖVP (39,93 Prozent) ihr historisch schlechtestes Ergebnis verzeichneten. Die Freiheitlichen erzielten mit 24,19 Prozent ein Rekordresultat. Die ÖVP stellt künftig in der nach dem Proporzsystem zusammengesetzten Landesregierung vier Mitglieder, die FPÖ drei und die SPÖ zwei.