Die "Schickeria" erwies sich als stärker als das freiheitliche Wählervolk.
Österreich hat doch mehr Schickeria als gedacht. Obwohl der Freiheitliche Norbert Hofer die Menschen hinter sich und nur die Hautevolee hinter Kontrahent Alexander Van der Bellen wähnte, hat ihm letzterer doch noch auf den letzten Metern das höchste Amt im Staat weggeschnappt. Für Hofer ist die Niederlage bitter, hatte er doch aus Runde eins einen satten Vorsprung von fast 14 Prozentpunkten.
Anti-Establishment-Kampagne
Die Freiheitlichen hatten den Wahlkampf zu einer Anti-Establishment-Kampagne gemacht und darauf vertraut, dass die Wechselstimmung im Land groß genug ist, um mit der Verunglimpfung von Van der Bellen als Schnittlauch auf der rot-schwarzen Suppe eine Mehrheit hinter ihren Kandidaten zu bringen. Offenbar schreckten die Österreicher dann aber doch davor zurück, ein freiheitliches Staatsoberhaupt zu küren, das wohl Österreichs Image in Europa zumindest kurzfristig nicht unbedingt gedient und auch die heimische Politik ordentlich durchgeschüttelt hätte.
Nicht umsonst hatte Hofer - auf die Unbeliebtheit von Rot-Schwarz schielend - immer wieder betont, dass er die Regierung gegebenenfalls auch entlassen würde, wenn die seiner Meinung nach zu wenig weiterbringen würde. Dass er dies nur tun würde, um Neuwahlen zu inszenieren, die dann seinen Parteichef Heinz-Christian Strache zur Kanzlerschaft spülen sollten, bestritt der Dritte Nationalratspräsident zwar stets, doch Zweifel blieben.
Lager-Wahlkampf
Geschadet hat Hofer mit Sicherheit, dass die Stichwahl letztlich zum Lager-Wahlkampf wurde. Auch viele, die Van der Bellens Performance mäßig fanden bzw. überhaupt mit den Grünen nichts am Hut hatten, schreckten davor zurück, einen Freiheitlichen in die Hofburg zu schicken, auch wenn dieser sich noch so freundlich durch den Wahlkampf bewegte.
Tadelloser Wunsch-Nachbar?
Dabei galt der 45-jährige Familienvater - in zweiter Ehe verheiratet, Vater von vier Kindern - schon seit Jahren als jener Freiheitliche, mit dem sich auch Vertreter anderer Parteien ganz gerne zeigten. Seit der vergangenen Nationalratswahl ist er Dritter Präsident, übt das Amt fehlerlos und verbindlich aus. Seine Umgangsformen sind tadellos, quasi der Wunsch-Nachbar von nebenan, wenn man sich nicht daran stößt, dass jenseits des Gartenzauns die Schießeisen des Waffenfreunds in einem Schrank ruhen.
Dass Hofer, der von seinen Parteifreunden zur Kandidatur erst genötigt werden musste, nicht gar so sanftmütig ist, wie er gerne meinen machen will, zeigte sich in den TV-Duellen. Da provozierte er gerne, unterbrach, wurde höhnisch, um im nächsten später wieder ins Verbindliche zu wechseln.
Höflichkeit
Höflich trägt Hofer auch seine politischen Positionen vor, die dann gar nicht so ohne sind. Er, der schon in seinen frühen 20ern zum Eisenstädter FPÖ-Obmann und burgenländischen Landesparteisekretär aufstieg, ist ein strammer Freiheitlicher. Hofer gehört zum engsten Führungszirkel von Parteichef Heinz-Christian Strache, hat das aktuelle Parteiprogramm geschrieben, umgibt sich mit schlagenden Burschenschaftern, ist selbst Mitglied der umstrittenen Marko-Germania Pinkafeld, vertritt in der Flüchtlingspolitik einen äußerst restriktiven Kurs und ist großer EU-Skeptiker. Folgerichtig dürften die meisten Staats- und Regierungschefs der Union froh sein, dass ihnen das erste rechtspopulistische Staatsoberhaupt Westeuropas erspart bleibt.
Hofer selbst wird seine überraschende Niederlage wohl auch ganz gut verkraften. Schließlich bleibt ihm sein Amt im Nationalrat und die Familie wollte ohnehin lieber daheim in Pinkafeld verweilen. Dazu kommt: Hofer hat schon weit Schlimmeres überstanden. Seit einem Paragleit-Unfall, der ihn an den Rollstuhl zu fesseln drohte, ist er stark gehbehindert.