Zeugnisverteilung
Noten für ein Jahr Koalition
21.11.2009
Ein Jahr nach Antritt der neuen Regierung ist Zeit zur Zeugnisverteilung: Die ÖVP hat dabei leicht die Nase vorn, stellt aber auch die schwächste Ministerin.
Nach einem Jahr haben sich die Nebel gelichtet: ÖSTERREICH bat drei der renommiertesten Polit-Experten, die Minister nach Schulnoten zu bewerten. Der Politologe Peter Filzmaier, Polit-Berater Thomas Hofer sowie Gallup-Chef Fritz Karmasin waren einer Meinung: Alle drei geben SPÖ- Kanzler Werner Faymann nach einem Jahr im Amt mit einer 3 eine schlechtere Note als seinem ÖVP-Partner und Herausforderer Josef Pröll.
Harte Worte der Experten für Kanzler Werner Faymann
So
sieht Filzmaier den ÖVP-Chef als „Finanzmanager“, dessen größte Leistung sei
aber gewesen, die ÖVP nach dem Molterer-Abgang zu einen. Hofer wiederum sagt
zu Faymann: „Die große Linie fehlt, er wirkt oft inkonsistent und noch nicht
Kanzler-like. Ihm fehlen auch Entlastungsspieler in der Regierung. Sein
Vorteil: Die Zeit und die Alternativlosigkeit der SPÖ.“ Auch Karmasin
findet, dass es Faymann „nicht gelungen ist, sich im undurchschaubaren
Umfeld durchzusetzen und zu profilieren“. Immerhin hält Hofer fest, dass
Faymann die SP bisher ruhig und geschlossen hält.
ÖVP-Minister im Schnitt vor den SP-Kollegen
Generell
schneidet die ÖVP auch ein bisschen besser ab als die Roten: Die schwarzen
Minister bringen es auf einen Notenschnitt von 2,4 – die Roten lediglich auf
2,6. Mit Michael Spindelegger stellt die ÖVP auch den besten Minister: „Er
macht seine Sache ausgezeichnet“, sagt Karmasin. Und Experte Hofer lobt: „Er
hatte es nicht leicht, Ursula Plassniks Erbe anzutreten, hat sich aber
international gemausert und gibt einen souveränen Außenminister.“
Bandion-Ortner „hat bisher eher den Zug zum Fettnapf“
Aber:
Die ÖVP stellt auch die schwächste Ministerin. Das Experten-Trio benotet
Justizministerin Claudia Bandion-Ortner mit Vier. Zwar kann die ehemalige
Richterin vom Gewaltschutzpaket bis auf die Homo-Ehe einiges auf Schiene
stellen, aber: „Bislang war da eher der Zug zum Fettnapf. Der Glamour-Faktor
ist weg, jetzt kann sie sich nur mit Sachlösungen nach vorn arbeiten“, meint
Hofer.
Als beste rote Ministerin geht Frauen- und Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek durchs Ziel: Sie kommt auf 1 bis 2 im ÖSTERREICH-Zeugnis. „Als anfangs unbeschriebenes Blatt gelingt es ihr, das zu tun, was ihr Job ist, und wird dafür von allen Seiten grundsätzlich anerkannt“, so Filzmaier.
Überraschung: Stöger vor Ministerin Claudia Schmied
Fast
ein Sehr Gut bekommt auch Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, knapp
gefolgt von seinem roten Koalitionsgegenüber Rudolf Hundstorfer. Dem
Schwarzen attestiert Hofer einen „starken Beginn, ohne große wahrnehmbare
Fehler“. Hundstorfer schaffe, so Filzmaier, „den Spagat zwischen
Kompromisszwängen und Bedienung des SPÖ-Kernklientels“. Überraschung: Der
umstrittene Gesundheitsminister Alois Stöger liegt mit einer 3 knapp vor
Claudia Schmied. (gü)