Festakt am historischen Ort des Geschehens: Faymann bat ins Belvedere.
Zur Feier des 55. Jahrestags der Unterzeichnung des Staatsvertrags haben sich am Samstag die Mitglieder der derzeitigen sowie vorangegangener Regierungen am Schauplatz des Geschehens, dem Oberen Belvedere, eingefunden. Bundeskanzler Werner Faymann (S) sprach sich in seiner Rede dezidiert für ein gemeinsames Europa aus, da "viele Fragen des friedlichen Zusammenlebens nicht mehr nur auf nationaler Ebene lösbar sind". Zugleich strich er eine demokratische und antifaschistische Grundhaltung als wesentliches Fundament für die Zweite Republik hervor und lobte die "Suche nach dem gemeinsamen Nenner" als typisch für den "besonderen österreichischen Weg".
Europa
Das "Friedensprojekt Europa" dürfe laut
Faymann nicht als "selbstverständlich" angesehen werden. Noch
vor zwei Generationen habe es blutige Konflikte zwischen jetzigen EU-Staaten
gegeben, während heute oft "nächtelang diskutiert wird": "Europa
ist gelebter Kompromiss", so der Kanzler nicht zuletzt in Hinblick auf
die jüngste Euro-Rettungsaktion. Man müsse sich deshalb aber nicht alles "schönreden",
es gäbe noch genug Fragen zu lösen, so der Kanzler, etwa wie "wir
mehr an Gerechtigkeit, an wirtschaftlicher Stabilität" erreichen
und den jungen Menschen "glaubwürdig Freiheit und Demokratie vorleben"
können.
Österreich müsse auf dem Fundament von 1955 "weiterbauen, für mehr Sicherheit, Gerechtigkeit und Chancengleichheit". Die Unterzeichnung des Staatsvertrags sowie das Bekenntnis zur Demokratie in der zweiten Republik sind als Kernstücke einer auf Freiheit gebauten Gesellschaftsordnung anzusehen, so Faymann, der auch auf die heutige Bedeutung hinweist. Auch die Neutralität habe mitgeholfen, "Österreich mit Perspektive als Land des Friedens zu entwerfen", wobei diese nicht passiv, als aktive Rolle zu verstehen sei. Als solche müsse auch der Friedenseinsatz des Bundesheeres im Ausland angesehen werden.
Mitschuld
Das Eingeständnis einer Mitschuld vieler Österreicher
am Angriffskrieg war laut dem Bundeskanzler eine wesentliche Voraussetzung
für den Staatsvertrag, sowie "ein Bekenntnis gegen politische
Gewalt und Rassismus und für Antifaschismus". An die jungen
Menschen appellierte er, sich "nicht aufhetzen" zu lassen, und
verurteilte die pauschale Herabwürdigung von bestimmten Gruppen. Das
Gemeinsame müsse immer vor das Trennende gestellt werden, so der
Bundeskanzler, der die Unterzeichnung des Staatsvertrags als Beginn "eine
neue und glückliche Epoche für die Geschichte unseres geliebten Heimatlandes"
bezeichnete.
Als "besonderen österreichischen Weg" würdigte Faymann das ständige Suchen nach Konsens und Kompromissen: "Österreich baut seinen Erfolg auf die Suche nach dem gemeinsamen Nenner", erklärte er. "Vielen mag dies zu verwaschen, manchen zu wenig ehrlich sein." Doch letztendlich habe diese "Fähigkeit zum Kompromiss" das heimische Gemeinwesen "anpassungsfähiger und tüchtiger" gemacht.
Das Rahmenprogramm des Festaktes wurde auf musikalischer Seite von einem "alliierten Steichquartett" der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien gestellt. Die Moderation des Festaktes sowie einer anschließenden Diskussionsrunde mit dem ehemaligen Staatssekretär Ludwig Steiner, der Fußballlegende Herbert Prohaska und der Musikerin Anna F. leitete Danielle Spera.